Moos/Maxmühle
Von der Staustufe Isarmünd zur Renaturierung der Isar

25.10.2020 | Stand 20.09.2023, 2:55 Uhr

Luftbild von der durchgeführten Renaturierung an der "Unteren Tradt".

Mit 18 Interessierten, die sich in vorgeschriebenen Corona-Abständen im Infozentrum Isarmündung verteilt haben, ist der Vortrag zur Entwicklung des Isarmündungsgebietes ausgebucht gewesen. Georg Kestel freute sich als Vorsitzender der Kreisgruppe Deggendorf des Bund Naturschutz, dass dieser Vortrag nach vielen Absagen im vergangenen Jahr überhaupt stattfinden konnte. Mit den Referenten Hermann Waas, der am Wasserwirtschaftsamt Deggendorf seit mehr als 30 Jahren für die Isarmündung zuständig ist, und Clemens Berger, im selben Amt seit Jahren im Bereich der Landschaftspflege tätig, konnte er zwei profunde Kenner des Flussgebietes Isarmündung begrüßen.

Die wechselvolle Geschichte der Planungen an der IsarThema des Abends sollte nicht nur das Gebiet an sich, sondern vor allem auch die wechselvolle Geschichte der Planungen für die letzten Kilometer der Isar vor der Mündung in die Donau sein. "Die Isar ist, in Kurzform, als alpin geprägter Fluss mit einem lang gestreckten Flusslauf und mit einem hohen Gefälle zu charakterisieren. Ein wichtiges Kennzeichen für solche Flüsse ist die hohe natürliche Feststoffführung, also der Transport von Schotter, Kies und Sand", führte Waas aus und zeigte dazu ein historisches Bild aus dem Landauer Bereich. "Im natürlichen Zustand war die Isar bei uns vor allem durch breite Kiesbänke, eher wenig Auwald oder Weidengebüsch unmittelbar am Fluss und die intensive Verlagerungen von Sand und Kies geprägt." Vor allem mit der "Bändigung" dieser Frachten, später aber auch mit der Nutzung der Wasserkraft beschäftigte sich der Wasserbau in den letzten Jahrhunderten.

Die Baumaßnahmen zwangen die Isar mit einer sogenannten "Mittelwasser-Korrektur" in ihr heute noch vorhandenes Regelprofil. Ein historisches Bild zeigte dazu die aufwendige Umladung von Granit-Wasserbausteinen aus dem Bayerischen Wald auf Plätten und auf eine örtlich aufgebaute Feldbahn. Nach damaliger Interessenlage sollte damit unter anderem die "Landschaftsentwässerung" verbessert werden, um damit mehr Flächen intensiver in Kultur nehmen zu können. Dem gleichen Zweck diente ab 1911 der Deichbau an der Isar. "Dass dabei unterhalb von Plattling große Abstände zwischen den Deichen eingeplant wurden, erleichtert heute die Renaturierungsmaßnahmen erheblich", erklärte Waas.

Nutzung der "weißen Kohle" durch Bau von StauwehrenDass nach dem großen Hochwasser 1940 von einem Wasserbau-Ingenieur eine "totale Lösung aller Wasserwirtschaftsfragen" projektiert wurde (mit massiven Baggerungen im Fluss, einer engeren Deichführung und flächiger Verfüllung von Altwassern), zeigte eindrücklich die Zeitgebundenheit auch von wasserbaulichen Planungen. Unter dem Motto "Nutzung der weißen Kohle" erfolgte dann nach dem Krieg, ab 1957, der Bau von Stauwehren entlang des gesamten Isarlaufs.

"Weil jedes Wehr den Transport von Kies und Sand unterbindet, die Isar aber weiterhin ihre Kraft behält, fängt sie an, sich das Material aus ihrer Sohle zu holen und sich einzutiefen", erläuterte Waas die weitere Entwicklung und schilderte, wie als Folge und Gegenmittel gegen bedrohliche Eintiefungen ab 1981 die Stützkraftstufe Landau und 1986 Ettling gebaut wurden.

Schon ab 1988 ging die Stützkraftstufe Plattling-Pielweichs zuerst durch ein Raumordnungsverfahren. Noch im gleichen Jahr wurden die ersten Teil-Planfeststellungen beantragt. Nach dem Einstau im Jahr 1994 erfolgte erst 2002 die endgültige Planfeststellung – eine Genehmigung, die später vom Verwaltungsgericht Regensburg auf eine Klage des Bund Naturschutz hin aufgehoben wurde. Die Verhandlung in der nächsten Instanz am VGH München führte zu einem ergänzenden Planfeststellungsverfahren, mit dem verschiedene Mängel der Ursprungsgenehmigung noch behoben werden müssen.

Auch auf den letzten Kilometern bis zur Mündung war zunächst der Bau einer weiteren Staustufe "Isarmünd" vorgesehen. Diskutiert wurden als Alternativen auch weitere Sohlschwellen, V-förmige Rampen oder der Einbau eines "aufgelösten Sohldeckwerkes". "Es gab damals mehrere Planungen, die geeignet gewesen wären, das einzigartige Isarmündungsgebiet zu zerstören", fasste Waas zusammen.

25000 Kubikmeter Kieszugabe im JahrErst nach dem Pfingst-Hochwasser 1999 erfolgte schließlich der Einstieg in die Zugabe von Geschiebe, also von Kies – zunächst als Zwischenlösung zur Zeitgewinnung, heute als eine zentrale Maßnahme mit enormer positiver Wirkung auf den Fluss. "Im Schnitt geben wir 25000 Kubikmeter im Jahr zu, bis heute waren es etwa 550000 Kubikmeter, die die Isar aufgenommen und zum Teil in die Donau weiter transportiert hat", rechnete Waas vor. Die Hauptmasse komme heute aus ohnehin für die Schifffahrt notwendigen Baggerungen in der Donau, ergänzt werde dies durch gezielte Zugaben von Grobkorn aus der Kiesgewinnung.

Seit der Entscheidung zum Donauausbau im Jahr 2013 hat sich die Zusammenarbeit dazu mit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes vereinfacht und intensiviert. Entscheidend für die neue Ausrichtung der Maßnahmen im Isarmündungsgebiet war, dass mit einem Grundstückstausch und Käufen ab 1996 große Flächen in das Eigentum des Freistaates Bayern und des Landkreises übergingen. Das Naturschutzgebiet Isarmündung wurde ausgewiesen und zu einem Naturschutzvorhaben mit gesamtstaatlicher Bedeutung erklärt.

Fischpopulation profitiert von den RenaturierungenIn den letzten Jahren erfolgen nunmehr in Einzelabschnitten Renaturierungen der Isarufer mit zunächst ungewohnten Bildern. Schließlich müssen dort am Fluss Bagger die früher versetzen Wasserbausteine wieder ausbauen und die künstlich entstandenen, manchmal meterhohen Auelehm-Ablagerungen am Ufer abgraben. "Die Baumaßnahmen der letzten Jahre zeigen aber bereits positive Wirkung. Vor allem die Fischpopulation der Isar mit ihren bayernweit gefährdeten Strömungsfischen profitiert von den umfangreichen Renaturierungen", konnte Waas aus Nachuntersuchungen berichten. Im Isarmündungsgebiet sollen auch in den nächsten Jahren weitere Maßnahmen zur Redynamisierung und Bewahrung der Auenlandschaft umgesetzt werden.

Clemens Berger gab anhand von historischen Karten und Beschreibungen, aber auch anhand alter Flurbezeichnungen wie "Haide", "Wörth" und "Wehedorn" einen Abriss zur Landschaftsgeschichte an der Isarmündung. Auch er stellte die markante frühere Prägung der Aue am Fluss durch Kies und Sand heraus. In der weiteren Aue-Landschaft sei dagegen vor allem ein Wandel von einer vielfältigen, von Grünland, Haiden und Weiden geprägten Landschaft hin zu intensiveren Nutzungen in den letzten Jahrzehnten festzustellen. In der Aue ist auf alten Luftbildern die Intensivierung der Forstnutzung durch die Pflanzung und das Wachstum der Pappelkulturen zu beobachten. Bekannt ist, dass ab 1902 die ersten "Kanadapappeln" gepflanzt und ab 1905 bei Moos extra herangezogen wurden.

Entwicklung der typischen Weidenauwälder auf 350 haVor allem im Deichvorland bestehen mit den schrittweisen Renaturierungen gute Chancen, die vorhandenen Natur-Potenziale wieder zu heben. Berger sieht potenziell auf etwa 350 Hektar Möglichkeiten für die Entwicklung der typischen Weidenauwälder, in Kombination mit neuen Seitenarmen und sich dynamisch verändernden Kiesflächen.

Zum Abschluss der Diskussion, unter anderem zu den Pappelpflanzungen und zur der Rolle der Einschwemmung von Schlamm aus Bodenerosion in der Landschaft, bedankte sich Georg Kestel bei den Referenten sowie bei Franz Schöllhorn und Thomas Schoger-Ohnweiler vom Infozentrum und dem Landkreis für die in Coronazeiten noch einmal aufwendigere Organisation. Die Zuhörer konnten sich insgesamt einen beruhigenden Überblick darüber verschaffen, dass man seitens Wasserwirtschaft und Naturschutz nach vielen kritischen Jahren nun auf einem guten Weg in die naturnahe Zukunft dieser einzigartigen Flusslandschaft im Landkreis Deggendorf ist.

− oz