Fahrbericht: Kawasaki H2 SX SE
Überflieger

26.04.2022 | Stand 26.04.2022, 9:34 Uhr

Kawasaki kombiniert in der für 2022 überarbeiteten Ninja H2 SX SE einen ultrastarken Kompressormotor mit den modernsten Fahrassistenzsystemen inklusive Abstandsradar

SP-X/Friedrichsdorf. Im exklusiven Segment der Sporttourer setzt Kawasaki dieses Jahr ein Ausrufezeichen: Die Japaner kombinieren im Modell H2 SX SE weltweit erstmals einen ultrastarken Kompressormotor mit den modernsten Fahrassistenzsystemen. Der seit einigen Jahren bekannte Einliter-Vierzylindermotor mit Kompressoraufladung entspricht nun der aktuellen Umweltnorm Euro 5 und bietet damit ein perfektes Emissionsverhalten. Zugleich liefert das Triebwerk aber nach wie vor beeindruckende 154 kW/200 PS. Der 299 km/h schnelle Hightech-Überflieger bietet bei einem Preis ab 27.495 Euro Platz für zwei Personen sowie für zwei Seitenkoffer. Die Kombination aus Höchstleistung einerseits und einer vollständigen Komfortausstattung mit zahlreichen elektronischen Assistenzsystemen andererseits ist derzeit einzigartig.

Herzstück der Kawasaki H2, die es in mehreren Versionen gibt, ist der kompressorbefeuerte Vierzylinder-Reihenmotor mit einem Hubraum von 998 Kubikzentimetern. Das Triebwerk bietet sämige Leistung zwischen 1.500 und 11.000 Umdrehungen; es beherrscht den Fahrmodus „lammfromm“ genauso wie den Feuerspeier-Modus. Die Art der Fortbewegung lässt sich vom Fahrer sehr fein dosieren; es gibt kein Ruckeln und Zucken. Freilich ist vom Piloten Charakterstärke gefragt: Die zur Verfügung stehende Motorleistung ist dermaßen exorbitant, dass ein zurückhaltender Umgang mit dem Gasdrehgriff unumgänglich ist. Dank ausgiebiger Abstimmungsarbeiten der Techniker erfolgt der Leistungseinsatz ausgesprochen geschmeidig.
Kawasaki hat sowohl das Front- als auch das Heckradar sehr dezent unterbringen können. Das Frontradar befindet sich unter dem mittig positionierten Frontscheinwerfer, der neuerdings als LED-Einheit ausgelegt ist. Diese Einheit liefert die Daten für die adaptive Geschwindigkeitskontrolle (ACC) sowie für den ebenfalls integrierten Kollisionswarner. Das Heckradar wurde in der hinteren Kotflügelabdeckung versteckt; es erfasst alle Verkehrsteilnehmer, die sich schräg hinter dem Motorrad und damit im toten Winkel befinden. Angezeigt wird die Gefahr beim unbedachten Spurwechsel durch das Aufleuchten eines gelben Dreiecks in den Rückspiegeln. Die von Bosch als Kooperationspartner entwickelten Fahrassistenzsysteme funktionieren ausgezeichnet. Der extrem elastische Kawasaki-Vierzylinder-Kompressormotor ist für die Kombination mit einer ACC perfekt geeignet, weil für das Beschleunigen im sechsten Gang nach vorangegangener verkehrsbedingter Temporeduzierung so gut wie nie ein Schaltvorgang nötig ist.

Die Elektronikausstattung der Über-Ninja umfasst aber noch mehr: So ist das semiaktiv arbeitende Fahrwerkssystem KECS mit elektronisch geregelter Zug- und Druckstufendämpfung vorne und hinten genauso integriert wie die von Showa stammende Skyhook-Technologie zur Fahrzeugstabilisierung. Zudem gibt es ein schlüsselloses Motorstartsystem. Auch hat man eine zusätzliche Bremslichtfunktion namens ESS entwickelt: Im Falle einer Starkbremsung blinkt das Bremslicht in hoher Frequenz und alarmiert auf diese Weise nachfolgende Verkehrsteilnehmer. Erstmals bei Kawasaki findet sich auf eine elektronische Berganfahrhilfe; sie wird durch Ziehen des Handbremshebels aktiviert, wirkt jedoch auf die Hinterradbremse. Dass ein Sechsachsensensor sämtliche Daten bereitstellt, um alle Regelsysteme auch schräglagensensibel zu machen, versteht sich von selbst.

Angesichts der Vielzahl elektronischer Systeme verwundert es nicht, dass die Ninja H2 SX SE auch ein neues TFT-Display im Cockpit aufweist. Es misst 6,5 Zoll, ist sehr klar strukturiert und deshalb ausgezeichnet ablesbar. Selbstverständlich ist die Smartphone-Integration möglich, wobei auch die Nutzung spezieller Apps gegeben ist.

Kawasaki hat der H2 SX SE für das Modelljahr 2022 aber noch mehr Änderungen mit auf den Weg gegeben: So sind die Konturen sowohl des Fahrer- wie des Beifahrer-Sitzpolsters verändert worden, um die Bequemlichkeit zu steigern. Statt des guten Bridgestone S22 wird erstmals der deutlich handlicher wirkende S23 aufgezogen; die mit 267 Kilogramm vollgetankt keineswegs leichte Maschine wirkt nun insbesondere beim Einlenken in Kurven agiler als zuvor.

Mit einem Preis von rund 27.500 Euro bewegt sich die Power-Kawa im obersten Preissegment. Echte Wettbewerber gibt es für dieses technologisch fast schon überausgestattete Motorrad nicht, denn die beiden Pole Leistung und Komfortausstattung verbindet kein anderer Hersteller in dieser oder auch nur ähnlicher Art. Dennoch fragt man sich beim Fahren, warum Kawasaki nicht auch noch die letzten Ausstattungs-Schrittchen geht. So wäre es bei Dunkelheit durchaus vorteilhaft, wenn die zahlreichen Schalter und Taster am Lenker eine Hinterleuchtung hätten und damit die Bedienung im Dunkeln erleichtert würde. Auch einen selbstrückstellenden Blinker, bei einigen Marken teils schon seit Jahrzehnten im Angebot, hält Kawasaki nicht für nötig. Doch unabhängig von diesen beiden Kleinigkeiten bleibt festzustellen: Die H2 SX SE ist eine bis ins Detail überzeugende Kombination aus unbändiger, aber bestens dosierbarer Kraft und feinem Fahr- und Bedienungskomfort.

Technische Daten Kawasaki H2 SX SE
Motor:  Flüssigkeitsgekühlter Vierzylinder-Reihenmotor mit Kompressor, quer eingebaut, 998 ccm Hubraum, vier Ventile pro Zylinder, DOHC, 154,1 kW/200 PS bei 11.000 U/min., 137,3 Nm bei 8500 U/min; Einspritzung, 6 Gänge, Kette
Fahrwerk: Stahl-Gitterrohrrahmen; vorne semiaktive 43 mm-USD-Gabel mit elektronisch geregelter Zug- und Druckstufendämpfung, Federbasis mechanisch stufenlos einstellbar, 12 cm Federweg; hinten Aluminiumguss-Einarmschwinge, semiaktives Zentralfederbein, elektronisch geregelte Zug- und Druckstufendämpfung, Federvorspannung elektronisch einstellbar, 13,9 cm Federweg; Leichtmetallgussräder; Reifen vorne 120/70 ZR 17, hinten 190/55 ZR 17; 32 cm Doppelscheibenbremse vorne, 25 cm Einscheibenbremse hinten
Assistenzsysteme: Schräglagenfähiges ABS, dyn. Traktionskontrolle, adapt. Kurvenlicht, adaptiver Tempomat, Totwinkelwarner, Kollisionswarner, Motorschleppmoment-Regelung
Maße, Gewichte und Verbrauch: Radstand 1,48 m, Sitzhöhe 83,5 cm; Gewicht fahrfertig 267 kg, Zuladung 195 kg. Tankinhalt 19 l, Normverbrauch 5,4 l/100 km, Reichweite ca. 300 km
Fahrleistungen: Höchstgeschwindigkeit 299 km/h
Farben: Grün, Grau, Schwarz
Preis: ab 27.495 Euro