Prien am Chiemsee/Ising/München
Über "Hindafing" nach Hollywood? Regisseur Boris Kunz im Interview

30.05.2017 | Stand 20.09.2023, 4:22 Uhr

"Jetz samma soweit: Der erste Mord in Hindafing!" Die kriminelle Abwärtsspirale erreicht derart schwindelerregende Drehzahlen, dass Bürgermeister Alfons Zischl (Maximilian Brückner, von links) und Dorfpolizisten Elke (Bettina Mittendorfer) eine Pressekonferenz einberufen müssen. Regisseur und Drehbuchautor der BR-Erfolgsserie ist Boris Kunz (kleines Bild) aus Prien am Chiemsee. − Fotos: BR/Günter Reisp, privat

Auf Walter White, Frank Underwood und Lester Nygaard folgt – wer hätte das gedacht? Alfons Zischl! Der von Maximilian Brückner verkörperte, drogen- und gefallsüchtige Dorfbürgermeister kann es, wie die bundesweite TV-Kritik befindet, mit den Serienhelden von "Breaking Bad", "House of Cards" und "Fargo" aufnehmen. Das korrupte Gemeindeoberhaupt und die nicht minder durchtriebenen Bewohner des titelgebenden Provinzdorfs "Hindafing" verzücken seit zwei Wochen Fernsehpublikum wie Feuilleton. Im Rampenlicht steht damit auch der Mann, der diese rasant erzählte, schwarzhumorige Heimatsatire miterschaffen hat: Boris Kunz aus Prien am Chiemsee. Im Autorenkollektiv mit Rafael Parente und Niklas Hoffmann blickt der 37-jährige Regisseur, der in Ising (Landkreis Traunstein) aufgewachsen ist, in die politischen Abgründe der bayerischen Provinz.

Die Heimatzeitung wollte von Boris Kunz wissen, wie er es geschafft hat, mit seiner Krimi-Groteske ein Seriendebüt hinzulegen, dem internationales Topnivau bescheinigt wird.

Ob SZ, FAZ, Spiegel oder Die Zeit – die Kritik liebt "Hindafing". Überrascht Sie die überschwängliche Resonanz?
Boris Kunz: Man hofft, dass es gut ankommt. Aber dass es so viel und so einhelliges Lob gibt, damit hätten wir nicht gerechnet. Dazu die hohen Einschaltquoten und Mediathek-Klickzahlen – sehr schön!
"Hindafing" zeigt Bayern von seiner finstersten Seite. Trotzdem laufen Sie zur Prime-Time – nach der Wohlfühl-Serie "Dahoam is dahoam".
Kunz: 20.15 Uhr war von Anfang an geplant. Aber es hat mich schon gefreut, dass es auch dabei geblieben ist. Der Sender hätte, als es fertig war, ja auch sagen können: ,Das ist aber schon ganz schön düster. Das wäre doch eher was für 22 Uhr!‘ Aber sie wollten die Serie als besonderes Produkt auch besonders hervorheben.

Dass Ihre Serie und Ihr Protagonist, der korrupte, drogenabhängige Dorfbürgermeister Zischl, dem Freistaat und seinen gewählten Volksvertretern ein falsches, negatives Image verpassen, haben kürzlich niederbayerische Bürgermeister bei einer Gemeindetagsversammlung beklagt...
Kunz: Wir zeigen doch nur einen speziellen Bürgermeister. Für eine Geschichte sucht man sich ja eher ein Extrem als den unspektakulären Normalfall aus. Das ist natürlich politisch unkorrekte Überhöhung. Aber als Serienmacher ist es nicht unsere Aufgabe, die Realität eins zu eins abzubilden, sondern Geschichten zu erzählen, die Spaß machen. Man kann aber auch nicht behaupten, dass es in Bayern keine korrupten Bürgermeister geben würde. Die "Hindafinger" hackeln sich in wunderbar authentischem Bairisch. Sie sprechen aber Hochdeutsch…
Kunz: Ja, ich bin durch mein Elternhaus eher Hochdeutsch aufgewachsen. Aber den bairischen Dialekt kenne ich aus meinem Umfeld in der Kindheit. Bei manchen Dialogen war es meine Freundin, die mir geholfen hat, weil sie ein paar lässige, derbe bayerische Sprüche auf Lager hat. Aber vor allem lebt man da vom Input der Schauspieler, die ja alle g’standene Bayern sind. Ich lasse denen beim Drehen gerne die Freiheit, sich ihre Texte mundgerecht zu machen, eigene Ideen einzubringen. Und wenn sich der Schlachter Goldhammer dann wieder über seinen Buam aufregt, dann haut ein Andreas Giebel schon mal eine sauber improvisierte Schimpftirade raus, die man vorher so nie ins Drehbuch schreiben könnte. Hinter "Hindafing" steht ein junges Team. Das Drehbuch haben Sie zu dritt geschrieben. Warum?
Kunz: In den USA und auch in Skandinavien sind solche, wie man es nennt, Writers Rooms mit zehn oder mehr Leuten schon Standard. Das konnten wir uns nicht leisten. Aber auch zu dritt geht es einfach schneller. Man kommt auf mehr Ideen, schaukelt sich beim Ideensammeln gegenseitig hoch, bekommt sofort Feedback. Das funktioniert super.
Der gebeutelte Bürgermeister geht trotz des ganzen Chaos’ mit ganz guten politischen Karrierechancen aus der Abschlussfolge raus. Steht da ein Frank-Underwood-artiger Aufstieg bevor, sprich: kommt eine zweite Staffel? Oder enden "Hindafing"-Abhängige wie der Zischl auf Crystal-Meth-Entzug?
Kunz: Wir hoffen sehr auf eine zweite Staffel und auf grünes Licht vom BR. Wir stehen schon in den Startlöchern, um uns wieder in den Writers Room zu setzen, und haben einige Ideen. Das Ende ist absichtlich so gemacht, dass es befriedigend ist, also ohne den totalen Cliffhanger. Aber eben auch so, dass man mit allen Figuren gut weitererzählen kann.
Abgesehen von der "Hindafing"-Fortsetzung – was sind Ihre Ziele und Träume als Regisseur?
Kunz: Ich finde Serien wahnsinnig spannend, habe aber auch ein paar Kinostoffe auf Lager. Das Fantasy-Genre würde mich sehr reizen. Nur stehen einem da in Deutschland die nötigen Budgets kaum zur Verfügung. Ich würde auch gerne etwas machen, das überhaupt nicht mehr lustig, sondern einfach nur dramatisch ist.

Bei Ihren ersten Filmen haben Sie für ein paar Szenen noch Ihre Freunde als Schauspieler engagiert. Jetzt in "Hindafing" dirigieren Sie Größen wie Brückner, Giebel, Bittenbinder. Sind Sie selbst überrascht, wie schnell es voran geht.
Kunz: Gefühlt ist es eher so, dass man denkt, es könnte noch schneller vorwärts gehen. Aber natürlich ist es ein tolles Gefühl, wenn es von Projekt zu Projekt immer professioneller, die Herausforderung immer größer wird.
Mit der Endstation Hollywood?
Kunz (lacht): Die allermeisten Regisseure würden lügen, wenn sie sagen, sie denken nie an Hollywood und sind zufrieden damit, immer in Deutschland zu bleiben. Weniger weil Hollywood an sich so toll wäre. Aber einfach, weil es in Deutschland immer noch relativ schwer ist, Filme und Serien zu machen. Man sehnt sich einfach nach mehr Möglichkeiten.
Dann leben Sie ihre Sehnsucht doch mal aus: Wenn Sie die freie Auswahl hätten, welche Schauspielerin und welcher Schauspieler würden die Hauptrollen spielen in Ihrem nächsten Film?
Kunz: Da gibt es eine ganze Menge. Wer mir spontan einfällt: Cate Blanchett und Viggo Mortensen.

Das ganze Interview lesen Sie am 30. Mai in der Heimatzeitung (Online-Kiosk) oder als registrierter Abonnent hier:

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