Grafenau
Trauer um ein Zeitungs-Original

21.02.2022 | Stand 21.02.2022, 16:02 Uhr

Egon M. Binder † – 27 Jahre lang hat er den Grafenauer Anzeiger entscheidend geprägt. −F.: Archiv

Jedes Jahr, wenn die ersten Stare aus den Winterquartieren zurückkamen, begrüßte Egon M. Binder, 27 Jahre lang "Stationsvorsteher" der Heimatzeitung im Grafenauer Land, mit einem Foto der schwarzen Gesellen in "seinem" Lokalteil den nahenden Frühling. Diese Tradition setzte er auch noch in seinem Ruhestand lange fort.

Die ersten Stare wurden vor wenigen Tagen im Bayerwald gesichtet – Egon M. Binder wird deren Rückkehr sicher vom Himmel aus interessiert verfolgen. Er verstarb am Montag nach langem schweren Leiden im Alter von fast 75 Jahren.

"Er blickte auf ein erfülltes Leben zurück." Diese Phrase hört man oft, wenn man auf das Schaffen eines Verstorbenen schaut. "Er blickt auf ein erfülltes Leben zurück" – stellt man Egon M. Binder in den Mittelpunkt der gebotenen Rückschau, dürften diese Worte wohl selten mit so viel Wahrheit erfüllt sein.

Wein, Weib und Gesang, mal mehr, mal weniger. Egon M. Binder hatte in seinen frühen wilden Jahren viele Facetten. Da war der Lebemann, der das Leben liebte. Auf seinen zahlreichen Reisen um die ganze Welt sammelte er vielfältige Erfahrungen, die er auch allen Anderen in Form von vielen Büchern vermittelte.

Legendär seine Erzählungen von einer Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn. Damals mit dabei übrigens auch der schon verstorbene Hof Schorsch, seines Zeichens langjähriger Leiter der PNP-Redaktion in Regen. Und ebenso wie Binder auch ein unvergessenes Original.

Doch nicht nur die große, weite Welt fand Niederschlag in seinen Werken, auch das Kleine, Feine vor der heimischen Haustüre wurde thematisiert. Räuchern oder Drechseln, altes Handwerk oder die alte Fuhrmannsherrlichkeit – um nur einiges zu nennen – wurden von ihm mit Buchstaben wieder mit Leben gefüllt.

Da war der Waidler durch und durch. Der heimatverbundene und heimatliebende PNP-Redakteur, der mit Argusaugen auf seine Mitmenschen schaute, auf sein geliebtes Grafenauer Land. Er kämpfte mit spitzer Feder und pointierten Glossen für deren Interessen, zugutekam ihm dabei, dass er mit vielen Mächtigen gut vernetzt war.

Dieses Netz entstand auch aus seiner Geselligkeit. Der Stammtisch im Grafenauer Bräustüberl war dabei legendär. Bei Bier und einer guten Brotzeit wurde hier oft die Politik gemacht, die am nächsten Tag im Stadtrat beschlossen wurde.

Und dann gab es den Genießer Egon M. Binder – ein Meister in der Küche. Er liebte nichts mehr, als Freunde und Bekannte mit dem zu verwöhnen, was er aus den Töpfen zauberte. Und was manchmal – in der heutigen Zeit unvorstellbar – in den Redaktionsräumen des Grafenauer Anzeigers in der Buchdruckergasse vor einem erlauchten Kreis auf den Tisch kam. In seinem Ruhestand brachte er monatlich in der PNP die Seite "Essen & Trinken" heraus, für die er im ganzen Verbreitungsgebiet in Wirtshäusern und Restaurants zum "Haferlgucker" wurde.

Immer an der Seite seit fast 30 Jahren war seine Tina, die er an Silvester 1993 heiratete. Sie war der ruhende Pol in der Beziehung, erdete ihn nach wilden, rastlosen Jahren und teilte mit ihm viele Interessen wie das Fotografieren, das Segeln und das Gestalten und Verschönern von Heim und Garten.

Das Handwerken lag Egon M. Binder im Blut. Wie sein Großvater, ein Schreinermeister, den er sehr geschätzt hatte, liebte er den Umgang mit Holz. In seiner perfekt ausgestatteten Hobbywerkstatt entstanden solide Bänke, Biergärten und gute Ideen wie die "Arche Noah" für die Bibelausstellung im Kurpark oder das riesige "Trojanische Pferd" für "Grafenau in anderen Dimensionen".

Egon M. Binder schätzte die Leichtigkeit des Seins. Und die fand er beim Fliegen mit seinem bereits verstorbenen Freund Karl "Barni" Barnstein, wo er die Heimat von oben betrachten und in Luftbildern festhalten konnte, oder beim Segeln am Chiemsee.

Am "bayerischen Meer" wohnen auch sein Sohn Christian mit Ehefrau Kerstin und seine Enkelkinder Kian und June, die sein ganzer Stolz waren. Christian ist in seine journalistischen Fußstapfen getreten und ist Fußball-Chef der BILD-Gruppe. Zusammen haben Vater und Sohn 2010 ein Buch über das Lebenswerk von Heinrich Schmidhuber aus Waldkirchen – Bayerischer Diplomat in Politik, Sport und Wirtschaft, DFB-Schatzmeister – herausgebracht.

Ein böses Omen war vor einem Monat, als "Felix", die letzte der drei Kartäuserkatzen im Hause Binder, verstarb. Egon M. Binder hatte die schnurrenden Samtpfoten über alles geliebt und sie mit Leckereien verwöhnt. Er wurde nicht müde, von ihren Jagd-Episoden zu berichten.

Nach diesem letzten Verlust war es wohl für ihn an der Zeit, sich von der irdischen Welt zu verabschieden. Unser alter Stationsvorsteher hat jetzt die Weichen für die Ewigkeit gestellt.

Andi Nigl und Uschi Langesee