"Wir können ein Zeichen setzen"
Sternstunde für den Frieden: Verdis Requiem in Linz

04.03.2022 | Stand 21.09.2023, 1:26 Uhr
Carola Baumann-Moritz

Erst erschütternde Stille, dann endloser ergriffener Applaus: Dirigent Markus Poschner mit den Gesangssolisten und dem Bruckner Orchester Linz beim Verdi-Requiem im Brucknerhaus. −Foto: Reinhard Winkler

Nach dem Schlussakkord des Requiems von Giuseppe Verdi herrscht lange, erschütternde Stille im Linzer Brucknerhaus. Dann ergriffener Applaus und Standing Ovations. FFP2 Masken saugen die Tränen der Rührung auf.

Mitwirkende aus 25 Nationen vereinen sich im Musizieren und widmen den Abend den Opfern des Kriegs. "Wir können den Krieg nicht stoppen, aber ein Zeichen setzen", erklärt Chefdirigent Markus Poschner. Verdi hat den Requiem-Text am menschlichsten vertont, in seiner Musik herrschen Angst und Zweifel, für Trost – wie bei Brahms – gibt es keine Gewissheit mehr. Verdi will auf keinen Fall die Nähe zur Oper, vielmehr eine Totenmesse mit liturgischer Würde und erschütternder Ausdruckskraft. Dem Chefdirigenten des Bruckner Orchesters gelingt das. Mit Leidenschaft führt er das Orchester präzise und uneitel durch die gewaltige Partitur. Die Bläser brillieren in den Fortestellen wie in zartesten Pianopassagen. Poschners zuverlässige Einsätze und klare Diktion geben Orchester und Chor Sicherheit.

Der wichtigste Bestandteil des Werks ist der Chor. Der Philharmonische Chor Brünn und der Linzer Chor Ad libitum bilden eine riesige Gemeinschaft mit höchstem Niveau. Gewaltig, absolut sicher und immer präsent, tragen sie wesentlich zum grandiosen Erfolg bei. Die Mezzosopranistin Olga Syniakova kommt aus der Ukraine. Sehr ernst, blass und traurig singt sie sich in die Herzen. Entschlossen, mit sicherer Höhe und erschütternd schönem Piano beherrscht sie alle Register. Schluchzend gelingt ihr das Lacrimosa, als wollte sie den Frieden herbeisingen. Am Ende verständliche Tränen. Die Münchnerin Susanne Bernhard erfüllt mit ihrem klaren, warmen Sopran Verdis Wunsch, von Operngehabe abzusehen. Sie verfügt über die nötige Stimmtechnik, auch über dem großen Klangkörper gehört zu werden. Makellos und innig interpretiert sie den Text mit wunderbaren Crescendi bei langen Tönen. Tereq Nazmi verfügt über einen gewaltigen, sehr kultivierten Bass, der mit großer Textverständlichkeit und schöner Stimme überzeugt. Dem Russen Alexey Dolgov gelingt vor allem die Falsettstelle "Hostias et preces tibi". Im Ensemble zeigt er Tempo- und Intonationsschwankungen. Doch nicht durch Perfektion gelingt ein Konzert, sondern durch eine innige und überzeugende Interpretation. Die ist an diesem denkwürdigen Abend aufs Intensivste gelungen.

Carola Baumann-Moritz