Frist für Nebenkläger läuft noch
Staatsanwaltschaft verzichtet im Samerberg-Prozess auf Revision

05.07.2021 | Stand 21.09.2023, 2:17 Uhr

Das Landgericht in Traunstein. −Foto: Archiv dpa

Nach dem Freispruch des 28-Jährigen BMW-Fahrers im Samerberg-Prozess ist auch am Montag noch unklar, ob der Prozess rechtskräftig wird.

Wegen einer nicht mehr vom Gericht erteilten Rechtsmittelbelehrung am Ende des Samerberg-Prozesses steht noch immer nicht fest, ob der Freispruch des 28-jährigen BMW-Fahrers aus Riedering durch die Erste Strafkammer am Landgericht Traunstein rechtskräftig wird. Die Staatsanwaltschaft Traunstein ihrerseits verzichtet auf eine Revision. Jetzt hängt alles davon ab, ob von Seiten der Nebenkläger Rechtsmittel gegen den Freispruch eingelegt werden.

Beide Familien können Freispruch nicht nachvollziehen

Die Familien machen sich ihre Entscheidung nicht leicht. Sie können, wie sie schon kurz nach dem Urteil erklärten, den Freispruch nicht nachvollziehen. Beide Familien finden es noch immer unverständlich, dass neue Zeugen und andere Umstände nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Vorsitzende Richterin Heike Will hatte, wie sie am Montag gegenüber unserer Zeitung erklärte, kurz nach dem Urteil - das am Freitag, 25. Juni, verkündet wurde - den Lapsus mit der nicht erteilten Rechtsmittelbelehrung bemerkt. Sie verfügte sofort am Montag, die Rechtsmittelbelehrung an die Nebenkläger nachzuschicken.

Nach Erhalt der Belehrung beginnt die einwöchige Frist

Entscheidend ist demnach das Datum der Postzustellungsurkunde. Wenn die Empfänger die Rechtsmittelbelehrung sicher erhalten und den Empfang bestätigt haben, beginnt die einwöchige Frist zu laufen. Bis gestern Mittag sei die Zustellungsurkunde noch nicht zurückgekommen, so die Vorsitzende Richterin. Zu den Verfahrenskosten der Nebenklage gab Frau Will auf Frage unserer Zeitung weiter Auskunft, diese müssten nach dem Freispruch des Riederingers ihre Kosten für alle Rechtszüge von Gesetzes wegen aus eigener Tasche bezahlen. Der Staat trage im Fall des Freispruchs des 28-Jährigen nur die Kosten des Angeklagten, nicht aber die der Nebenklage.

Staatsanwaltschaft wird Freispruch akzeptieren

Die Staatsanwaltschaft Traunstein, Zweigstelle Rosenheim, wird den Freispruch des Riederingers akzeptieren. Das teilte Oberstaatsanwalt Gunther Scharbert am Montag auf Anfrage mit. Ob eine Revision erfolgreich sein könnte, sei "völlig offen". Selbst für den Fall einer erfolgreichen Revision käme es dann zu einer nochmaligen Verhandlung, "bei der die Aussagen der Zeugen wegen der nachlassenden Erinnerung nicht besser würden". Da der Unfall schon recht lange zurückliege und das Rechtsmittel damit im Ergebnis nicht besonders aussichtsreich erscheine, werde die Staatsanwaltschaft das jüngste Urteil nicht anfechten.

Zwei Frauen kamen bei dem Unfall ums Leben

Der "Samerberg-Prozess" ist nach dem Wohnort der drei Frauen benannt, die Opfer des Unfalls am 20. November 2016 wurden. Zwei 21 und 15 Jahre alte Frauen starben, eine inzwischen 23-Jährige überlebte schwerstverletzt. Ein 28-jähriger Ulmer war am Abend des 20. November 2016 in der Miesbacher Straße in Rosenheim mit seinem VW Golf beim Überholen von zwei BMWs mit dem 28- und einem 27-Jährigen am Steuer frontal in den entgegenkommenden Pkw Nissan Micra mit den drei jungen Frauen geprallt. Laut Anklage und rechtskräftigem Urteil gegen den 27-Jährigen hatten die zwei BMW-Lenker den sie überholenden VW Golf nicht zwischen ihre Autos einscheren lassen. Der – ebenfalls rechtskräftig bestrafte - VW Golf-Fahrer als Hauptunfallverursacher und seine Beifahrerin wurden bei dem Frontalcrash massiv verletzt.

Befragt zu Konsequenzen aus dem Freispruch des 28-Jährigen für den zweiten BMW-Fahrer, den 27-Jährigen aus Kolbermoor, informierte Vorsitzende Richterin Heike Will, die gesetzlichen Möglichkeiten für ein Wiederaufnahmeverfahren seien "sehr beschränkt". Dazu seien zum Beispiel völlig neue Beweismittel erforderlich, die bei der Verurteilung des 27-Jährigen nicht bekannt waren. Der Mann verbüßt aktuell eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten in einer Justizvollzugsanstalt wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen, dreifacher fahrlässiger Körperverletzung und vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung. Eine andere Traunsteiner Strafkammer hatte 2019 das Ersturteil des Amtsgerichts Rosenheim gegen ihn bekräftigt. Gleiches galt damals für die zwei Jahre drei Monate Freiheitsstrafe aus erster Instanz gegen den 28-Jährigen, der nach Revision zum Bayerischen Obersten Landesgerichts vor gut einer Woche freigesprochen wurde.

− kd