Spielzeug für kleine Landwirte

Sigis Spielzeugland: Vom Geschenk für die Verwandtschaft zur gefragten Manufaktur

08.10.2013 | Stand 08.10.2013, 5:00 Uhr

Mit wenigen Handgriffen lässt sich ein handelsübliches Tretfahrzeug zu einem modernen Geräteträger umrüsten, mit "Heck-Hydraulik" für einen Schwadenrechen und mit einem Schnellwechselrahmen für den Frontlader.  − Fotos: ede

Kastl. Spielzeug vom Profi für Profis. Das ist das Erfolgsgeheimnis von Sigi Riedl aus Dorfen in der Gemeinde Kastl. Seine landwirtschaftlichen Geräte für kleine Bauern aus eigener Fertigung genügen den hohen Ansprüchen der Branche: Sie müssen in der Anwendung tadellos funktionieren und robust sein. Und sollte wirklich mal was kaputt gehen, dann können sie in jeder hofeigenen Werkstatt repariert werden. Das überzeugt die Kundschaft.

 Rund 40 verschiedene Arbeitsgeräte, wie Landwirte – egal welcher Spezialisierung – sie im harten Arbeitsalltag einsetzen, hat Sigi Riedl mittlerweile im Programm seines "Spielzeuglandes". Alle Geräte sind in der eigenen Werkstatt gefertigt, geschweißt, genietet und verschraubt. Sie passen als Zusatz zu handelsüblichen Tret-Traktoren und anderen Tretfahrzeugen für Kinder.

 Der Einstieg ins Spielzeuggeschäft kam für den gelernten Schlosser eher durch Zufall – oder doch vielleicht durch Fügung. Eigentlich sollte er den elterlichen Hof mit über 100 Stück Vieh übernehmen. Und zunächst bewirtschaftete er mit seinen Eltern das Familienanwesen, lernte aber trotzdem als Jugendlicher den Beruf des Schlossers – ausgerechnet bei Josef Fliegl senior, dem Gründer des inzwischen weltweit aktiven Entwicklers und Herstellers landwirtschaftlicher Maschinen mit Sitz in Mühldorf.

Leidenschaftfür Technik Auch Josef Fliegl, dessen elterlicher Hof und erste Werkstatt nicht weit vom Riedlschen Hof entfernt liegen, hatte als Hoferbe ebenfalls den vorgezeichneten Weg verlassen und seine Leidenschaft im Maschinenbau verfolgt. "Bei mir war es ähnlich", gesteht Sigi Riedl, wenngleich in deutlich kleinerem Maßstab. Mit seinem früheren Chef verbinden ihn heute noch eine Freundschaft und gewissermaßen auch eine gedankliche Verwandtschaft in der Entwicklung neuer Ideen.

 Die eigene Landwirtschaft ist inzwischen weitgehend verpachtet, der Haupterwerb eine Anstellung in einem kommunalen Bauhof. Aber der Nebenerwerb und die ganze Leidenschaft sind "Sigis Spielzeugland mit handgefertigten Maschinen für den Tretbulldog der kleinen Unternehmer", so der komplette Firmenname. Die Begeisterung für die landwirtschaftlichen Maschinen für den Nachwuchs entstand durch die Freude, die er Kindern aus der Verwandtschaft vor rund 15 Jahren bereitete, als er ihnen funktionsfähige Maschinen als Zusatz zu ihren Tretfahrzeugen bastelte.

 Als ein früherer Chef vom Talent seines Mitarbeiters erfuhr, überzeugte er ihn, dass er seine Geräte unbedingt auf den "Wiesmühler Festtagen" im Landkreis Traunstein ausstellen sollte. "Ich hab mich da kaum hingetraut", erinnert sich Sigi Riedl. Aber es war dann doch die Initialzündung: Nicht nur Kinder, auch Eltern der kleinen Besucher und die Großeltern waren begeistert. Von da an wollten ihn viele Märkte im südöstlichen Oberbayern als Aussteller haben.

 Für Sigi Riedl waren diese Markttage nicht nur die erste Werbe- und Verkaufsplattform, sondern durch den Kontakt mit Kunden auch wichtige Ideengeber. Er hatte sich angeboten, die Betreuung der Kinder an seinem Stand zu übernehmen und sie unter Aufsicht mit seinen Geräten spielen zu lassen. "Auf diese Art habe ich nicht nur erfahren, worauf die Kinder Wert legen, sondern auch, wo mögliche Gefahrenquellen liegen, wie man durch kleine Änderungen Verletzungsgefahren möglichst ausschließen kann", sagt er. Auch das Produktspektrum hat sich an die Kinderwünsche angepasst. Gerade im südöstlichen Oberbayern gibt es viele Waldbauern. Deshalb wollten die Kinder Rückewerkzeuge und einen funktionsfähigen Rückewagen. Längst ist ein funktionsfähiges Fahrzeug im Programm.

 Gefertigt werden die Maschinen immer in Klein-Serien. Alle Teile stellt der Schlosser in Handarbeit her. Auch die Klein-Serien bleiben nicht gleich, im Grunde handelt es sich stets um Unikate. Wie bei den großen Vorbildern gibt es immer wieder kleine Verbesserungen und Anpassungen an die Kundenwünsche.

FachkundigeKundschaft Dabei kann es durchaus vorkommen, dass Väter mit Kindern oder Großväter mit Enkeln in die Werkstatt kommen und die Pläne besprechen. "Die Kleinen haben da ihre Vorstellungen und sagen sie auch", freut sich der Spielzeughersteller über die fachkundige Kundschaft. Auch bei der Farbgebung heißt es aufpassen. Die Farbgebung der Maschinen sollte den großen Vorbildern nahe kommen, sonst gibt es Protest bei der jungen Kundschaft.Vor Nachahmern ist dem Unternehmer nicht bang.

 "Da haben schon manche versucht, bei einer Ausstellung ein Gerät unbemerkt nachzumessen", schmunzelte er und fügt hinzu: "Ich biete dann immer meine Hilfe an." Und noch alle seien sie gekommen, weil sie die Arbeitsgeräte nicht so schnell oder perfekt fertigen konnten, wie die Kinder sie wünschen. Der Teufel für die perfekte Funktion steckt eben – wie bei den großen Vorbildern – oft im Detail, weiß Sigi Riedl.

 Und gerade bei seinem Schmuckstück, einem Abschiebewagen, hat er selbst diese Erfahrung machen müssen. "So einen brauchst im Programm. So einen musst auch machen", hatte ihm sein früherer Chef und Lehrherr Josef Fliegl bei einem Besuch ans Herz gelegt. Gesagt, aber nicht leicht getan, denn die Technik hat es in sich. Eine zunächst probierte Scherentechnik erwies sich als zu kompliziert und zu wenig praxistauglich. Wie ihm später Josef Fliegl sagte, hatten sie im Unternehmen die gleichen Ideen verfolgt und verworfen. Das Original arbeitet mit Hydraulik.

 "Der Ehrgeiz hat mich nicht losgelassen", erinnert sich Riedl. Zum 65. Geburtstag wollte er seinem früheren Chef ein funktionsfähiges Modell schenken. Und prompt funktionierte es schließlich. Die Leistung der Hydraulik im großen Fahrzeug übernehmen im Spielzeug zwei modifizierte Silikonpressen, deren Grundmodell es im Baumarkt zu kaufen gibt. Und als er den ersten gut funktionierenden Serientyp der Spielzeugvariante seinem früheren Chef zum Geburtstag überreichte, da habe der sich gefreut, wie ein kleiner Bub, freut sich auch Sigi Riedl.

 Die großen Hochleistungsmodelle kommen zum Beispiel zum Schneetransport am Flughafen München zum Einsatz oder in der Landwirtschaft zum Transport von Gras oder Silage. Die kleinen Modelle eignen sich zum spielerischen Transport der gleichen Materialien für Kinder in Hof und Garten.

Manufaktur auf dem Hof Gefertigt werden die Spielzeuggeräte in der Werkstatt, die sich Sigi Riedl im früheren Kuhstall des elterlichen Hofes eingerichtet hat. Der Vertrieb erfolgt nur noch in wenigen Fällen über Messe-Auftritte, sondern meistens über die eigenen Werbeplattform im Internetmit der Seite: www.sigis-spielzeugland.de

 Seine Frau Claudia macht die Buchführung. Aber auch wie die großen Vorbilder gibt es für die Modelle prominente Ausstellungen. So waren die Geräte für kleine Bauern bei der Eröffnung der Fliegl-Zentrale in Mühldorf dabei und konnten ausprobiert werden. Sie sind zum Teil in der Fliegl-Empfangshalle in Mühldorf, aber auch im Agro-Center in Kastl ausgestellt.

  "Sowohl der Sepp als auch die Angelika Fliegl unterstützen mich da enorm in der Werbung", sagt der Kollege aus dem Spielzeugbau. Und diese Werbung trifft ins Schwarze, denn sie brachte ihm schon eine Einladung zur Präsentation in der Münsterlandhalle bei der DeLuTa, der Deutschen Lohnunternehmer-Tagung in Münster. "Und die Teilnehmer waren begeistert", sagt Sigi Riedl.

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