PNP-Spendenaktion
So arbeitet das SOS-Kinderdorf in Gambia

05.12.2019 | Stand 20.09.2023, 0:16 Uhr

Joseph* (hinten links) und die anderen SOS-Geschwister müssen ihre Mutter jetzt mit dem Baby teilen. "Das wird schon", sagt Aida lachend. −Fotos: Fischl

Zwischen Ibrahim* und seiner SOS-Mutter Aida Touray (50) war es Liebe auf den ersten Blick, als der Kleine vor ein paar Wochen im Kinderdorf in Serekunda ankam. Er ist das Nesthäkchen in Aidas SOS-Familie und bekommt extra viel Aufmerksamkeit.

Behutsam nimmt Aida Touray den kleinen Ibrahim in den Arm und drückt ihm einen Kuss auf die Wange. Der Kleine quittiert die zärtliche Geste mit einem zufriedenen Gähnen. Frisch gefüttert, gewickelt und eingepudert ist er bereit für ein Nickerchen. Ganz verliebt sieht Aida den zwölf Wochen alten Buben an. "Ich danke Gott dafür, dass er mir dieses Baby geschickt hat", sagt sie. "Jeden Tag bete ich zu ihm: Hilf mir dabei, den Jungen großzuziehen, damit er es schafft im Leben."

Mehr dazu:
Alle Informationen zur PNP-Spendenaktion finden Sie auf unserer Sonderseite.

Bei Aida im SOS-Kinderdorf in Serekunda, das in der Metropolregion um Gambias Hauptstadt Banjul liegt, hat Ibrahim die Chance dazu. Ohne diese Fügung sähe es düster aus für den Buben. Seine leibliche Mutter - so viel weiß Aida Touray über die Hintergründe seiner Ursprungsfamilie - ist noch sehr jung und psychisch krank. Nicht in der Lage, sich um sich selbst zu kümmern, geschweige denn ein Baby großzuziehen. Der leibliche Vater, ein junger Viehhirte, sei mit der Situation total überfordert gewesen, habe sich abgesetzt und die kranke Mutter mit dem Baby allein gelassen. Weil offenbar auch keine anderen Verwandten sich um das Kind kümmern konnten, landete es schließlich bei der Hilfsorganisation "SOS-Kinderdörfer", die in Gambia einer der wichtigsten Akteure in der Kinderhilfe ist.

Mit Aufbaunahrung wird der Kleine aufgepäppelt

Als wir Aida und Ibrahim treffen, ist er gerade mal seit einer Woche in ihrer Obhut. "Er war sehr dünn und zart, als sie ihn mir brachten", erzählt die SOS-Mutter. "Aber ich füttere ihn jetzt mit einer speziellen Aufbaunahrung. Der Doktor hat gesagt, dass er gesund ist und sich gut entwickelt. Und ich finde, das sieht man auch schon. Mein süßer kleiner Jola Boy." Jola Boy - diesen Kosenamen hat Aida ihrem Nesthäkchen verpasst. "Das bedeutet in unserer Sprache so viel wie Schätzchen oder Liebling", erklärt die SOS-Mama lachend.

Windeln wechseln, Milchfläschchen zubereiten, den Kleinen herumtragen, wenn ihn Blähungen plagen – sich um ein Baby zu kümmern, ist auch für Aida wieder eine neue Erfahrung. Seit 2012 arbeitet die Gambierin als SOS-Mutter im Kinderdorf in Serekunda. Die anderen sieben Kinder, die zusammen in ihrem Haus als Familie aufwachsen, waren bereits im Kindergarten- oder im Schulalter, als sie zu ihr kamen. Und die Geburt ihrer leiblichen Kinder liegt lange zurück – ihre zwei Töchter und ihre zwei Söhne sind bereits erwachsen und stehen auf eigenen Beinen. "Ich wurde SOS-Mutter, als der Vater meiner Kinder starb. Meine Kinder waren damals schon im Teenageralter und blieben bei meiner Schwester. Sie besuchten mich ganz oft im Kinderdorf", erzählt Aida Touray. Der Beruf als SOS-Mutter ermöglichte der Witwe eine eigene Existenz.

Aida geht in ihrer Rolle auf. Sich um ein Baby kümmern zu dürfen, betrachtet sie als Geschenk. "Die älteren Geschwister waren anfangs ein bisschen eifersüchtig, weil Mama jetzt so viel Zeit mit dem Baby verbringt", hat die SOS-Mutter beobachtet. "Sie müssen sich mit dem Kleinen noch anfreunden. Das wird schon", ist Aida zuversichtlich.

Jedes Kind hat seine eigene traurige Geschichte

Jedes ihrer SOS-Kinder bringt seine eigene, meist sehr traurige Geschichte mit. Zwei Brüder und zwei Schwestern, die Aida vor vier Jahren in ihre SOS-Familie aufnahm, standen nach dem Tod des Vaters vor dem Nichts. Ihre Mutter - nach dem Schicksalsschlag bettelarm und unfähig, sich um die Kinder zu kümmern - brachte die Geschwister zu SOS-Kinderdörfer. Im Kinderdorf konnten sie als Geschwister zusammenbleiben und in einer Familie aufwachsen. Dass Geschwisterkinder möglichst nicht getrennt werden, auch das gehört zur Philosophie von SOS-Kinderdörfer.

Mit dem Wissen, dass ihre Kinder im Kinderdorf gut versorgt sind, stabilisierte sich auch die Mutter wieder. Mittlerweile besucht sie ihre Kinder regelmäßig. Der 15-jährige Joseph* erzählt: "Anfangs tat es sehr weh, vor allem mein kleiner Bruder - er war ja erst vier Jahre alt - weinte sehr viel. Aber unsere SOS-Mama machte es uns leicht. Wir haben keine Mutter verloren, sondern eine dazugewonnen. Das ist doch eine gute Sache." Aida ist sich ihrer Verantwortung bewusst. "Ich schenke den Kindern mein Herz. Sie sollen es gut haben bei mir. Ich rede viel mit ihnen und versuche, ihnen beizubringen, was wichtig ist: Schule, gutes Benehmen, Ziele im Leben." Ihre Fürsorge und die Möglichkeiten, die sie durch SOS-Kinderdörfer bekommen, wissen die Kinder zu schätzen. "Hier im Dorf ist alles gut, ich möchte nicht draußen leben", sagt Joseph.

Die Wertschätzung, die die Kinder in ihrer SOS-Familie erfahren, wird sie stark fürs Leben machen, hofft SOS-Mutter Aida - und herzt ihr Nesthäkchen Ibrahim ein weiteres Mal. Zu viel Liebe hat noch niemandem geschadet. * Die Namen wurden auf Wunsch von SOS-Kinderdörfer weltweit zum Schutz der Kinder geändert.