Vilshofen
Simon Berger (21): Seitdem er im Stadtrat sitzt, sieht er manches anders

09.02.2021 | Stand 09.02.2021, 17:50 Uhr

Egal als ob "Herr Stadtrat" oder "der Simon" – das Herz für Vilshofens jüngsten Stadtrat Simon Berger (21) – hier gestern Nachmittag im Bauausschuss – schlägt seit Jahren für die SPD. −Foto: Rücker

Die SPD hatte sich vor gut einem Jahr vorgenommen, sich im Stadtrat zu verjüngen. Das ist ihr weitgehend gelungen, was auch am 21-jährigen Simon Berger liegt. Er sieht sich als Vertreter der jungen Generation, sagt er im VA-Interview.

Wie wohl fühlen Sie sich im Stadtrat?

Berger: Sehr wohl. Ich bin gut aufgenommen worden. Ich glaube, ich bin in das Gremium integriert.

Woran merkt man das?
Berger: Es herrscht ein sehr kollegiales Verhältnis. Ich bin zwar nicht immer mit allen einer Meinung, aber das muss ja nun wirklich nicht sein. Dessen bin ich mir bewusst, und deswegen klappt es auch miteinander. Es wäre ja gar nicht gut, wenn alle einer Meinung wären. Wir brauchen die vielen verschiedenen Sichtweisen. Wir brauchen die unterschiedlichen Charaktere. Wenn jeder seine Ansichten einbringt, tut das dem Stadtrat gut.

Sie haben also keine Probleme damit, dass man sich in der Fraktion abstimmt und dann gemeinsam abstimmt?
Berger: Es gibt keinen Fraktionszwang. Wenn jemand einer anderen Meinung als die anderen ist, wird er nicht umgestimmt. Die konträre Meinung eines anderen wird akzeptiert. Es wird in der Fraktion schon mal deutlich geredet. Verständlich, denn jeder ist von seiner Meinung überzeugt. Das ist Demokratie. Sie wird bei uns gelebt.

Von einem 60-Jährigen hätte ich so eine Antwort erwartet, aber nicht von einem ungestümen 21-Jährigen.
Berger: Na ja, kann schon sein, dass mich die ein oder andere Wortmeldung aufgeregt hat. Wenn, dann nur kurz. Es muss ja weitergehen.

Es war zu beobachten, dass Sie bei den wiederholten Argumenten Ihres Stadtratskollegen Hansi Brandl ihre Mimik nicht im Griff hatten.
Berger: Da war ich aber bestimmt nicht der einzige. Wenngleich: Es ist sein gutes Recht, seine Meinung zu äußern. So denkt er halt. Und wenn er es zum fünften Mal sagt, dann ist es so, auch wenn ich manche seiner Ansichten überhaupt nicht teilen kann. Aber wie gesagt: Das darf er.

Haben sich Ihre Ansichten als junger Stadtrat geändert?
Berger: Das ist in der Tat so. Ich sehe heute manche Dinge anders. Die Folge: Ich fordere nicht mehr salopp irgendetwas.

Nennen Sie uns ein Beispiel.
Berger: Von Freunden hieß es immer wieder: Ein Kino in Vilshofen – ach, wäre das schön! Klar, da habe ich die politische Forderung nach einem Kino gestellt. Und jetzt sehe ich, was alles dahinter steckt: Wie groß soll es sein? Welcher Raum eignet sich? Wer betreibt das Kino? Welche Filme können dort gezeigt werden? Da steckt so viel dahinter! Jetzt würde ich nicht mehr so locker ein Kino fordern. Früher, wenn jemand ein Kino für Vilshofen forderte, sagte ich: Ja, richtig! Heute antworte ich anders: Du, ein Kino zu haben, das ist gar nicht so leicht.

Wie haben Sie sich als Neuling eingearbeitet?
Berger: Die Bundes-SPD hat vorab Leuten wie mir Kurse angeboten. Es gab Online-Seminare, bei denen wir Neuen geschult worden sind. Was ist ein Bebauungsplan, wie liest man einen Haushalt? Welche Rechte und Pflichten habe ich als Stadtrat? Das waren drei volle Samstage. Und dann habe ich mir noch ein Buch gekauft, in dem alle Fachbegriffe erklärt werden. Aber auch meine Fraktionskollegen haben mir viel erklärt.
Das kostet ganz schön viel Zeit, oder?
Berger: Stadtrat – das macht man nicht so nebenbei. Ja, das ist intensiv. Da geht auch manche Nachtstunde drauf. Aber das ist doch auch klar: Ich trage Verantwortung für die Stadt und die Bürger. Das ist eine ernste Sache!

Bleibt da nicht der Spaß auf der Strecke?
Berger: Auf keinen Fall! Ich bin mit Leidenschaft Stadtrat und Kommunalpolitiker. Ich will und suche den Kontakt mit den Bürgern. Ich will mit den Leuten reden, ich will ihnen erklären, warum was wie läuft. Ich repräsentiere die Stadt – das ist doch super! Leider schränkt uns Corona ein. Aber das wird schon wieder!

Wenn Sie das Ohr so nah am Bürger haben: Wie zufrieden ist er denn?
Berger: Mit Bürgermeister Florian Gams sehr. Schauen Sie sich das Wahlergebnis an! Mit Ministern tun sich die Bürger schwerer. Was ja nicht ganz unbegründet ist. Wenn ich höre, wie über Stadträte geredet wird, dann komme ich zu dem Schluss: Man hat vom Stadtrat ein gutes Bild. Schließlich arbeitet er ja auch gut.

Sie sind mit 21 Jahren der jüngste Stadtrat. Liegt es da nicht nahe, dass Sie mit der Jungen Liste zusammenarbeiten?
Berger: Die Junge Liste vertritt auch oft die Gruppe der jungen Erwachsenen. Das zeigt sich etwa an ihrer Initiative zur Vergabe von Baugrundstücken. Das ist nicht meine Altersgruppe. Mein Interesse gilt der Altersgruppe davor, also meine Generation – ohne Haus, ohne Kinder. Denen will ich eine Stimme geben und sie im Stadtrat vertreten.

Was haben Sie diesbezüglich bisher eingebracht?
Berger: Das ist gegenwärtig schwer. Die Sitzungen sollen wegen Corona möglichst kurz dauern. Da müssen solche Punkte hinten anstehen.

Was würden Sie denn gern anstoßen?
Berger: In Vilshofen fehlt uns nicht wirklich was. Vilshofen ist eine gut aufgestellte Stadt. Andererseits ist mir bewusst, dass Vilshofen nicht gegen Passau konkurrieren kann. Junge Leute wollen mal in die größere Stadt, wo es ein Einkaufszentrum gibt, eine Kinolandschaft, eine Nachtszene. Aber es lassen sich vielleicht Akzente setzen, damit die jungen Menschen auch in Vilshofen ihren Spaß haben können.

Und um was kümmert sich der "erwachsene" Simon Berger?
Berger: Zum einen: Ich wirke in der Gesamtheit mit. Zum anderen geht es dem Bürger nicht einmal um die großen Themen. Es geht um den fehlenden Verkehrsspiegel, um Tempokontrollen, um die fehlende Markierung.

Sind Sie schon mal als "Herr Stadtrat" angesprochen worden?
Berger: In der Tat. Öfter als gedacht. Ich merke: Ich bin plötzlich bekannter als vorher. Den Menschen geht es wie erwähnt um kleine Sorgen: Hier fehlt ein Mülleimer, dort ist die Asphaltdecke aufgesprungen, woanders gehört die Hecke geschnitten. Die kleinen Probleme zu lösen, macht die Menschen glücklich. Ich möchte klarstellen, dass ich nicht der "Herr Stadtrat" bin, sondern immer noch der Simon.

Wie geht es bei Ihnen beruflich weiter?
Berger: Nach dem Abitur 2017 am Gymnasium Vilshofen hatte ich ein soziales Jahr im AWO-Zentrum. Danach habe ich eine Lehre als Bauzeichner bei der Firma Berger begonnen. Da war wahrscheinlich mein Vater Vorbild. Er ist in der Baubranche und mir hat immer imponiert, was die leisten. Die Lehre ist abgeschlossen, nun bin ich Geselle und habe vor, im dualen System – da hilft mir die Firma Berger – mit einem Ingenieur-Studium an der Hochschule Deggendorf zu beginnen. Ich schaue zuversichtlich in die Zukunft.
Interview: Helmuth Rücker