Windorf
Seniorenheim kämpft um seinen Mitarbeiter

12.04.2021 | Stand 22.09.2023, 3:19 Uhr

Im Seniorenzentrum Donautal arbeitet Abdullah Hakimzada seit zwei Jahren als Pflegehelfer. −F.: Baumgartl

Händeringend werden überall Pflegekräfte gesucht. So jemand ist Abdullah Hakimzada (24). Er arbeitet seit zwei Jahren als Pflegehelfer im Seniorenzentrum Donautal in Windorf, soll im September dort eine Ausbildung beginnen und ist bestens integriert. Trotzdem droht ihm die Abschiebung nach Afghanistan. Vorgesetzte, Kollegen und ehrenamtliche Helfer sind entsetzt. Sie sammeln Unterschriften, haben Bürgermeister, Landrat und Altlandrat eingeschaltet. Ihr Ziel: Abdullah soll hier bleiben dürfen.

"Wir können nicht nachvollziehen, dass ein junger, gut integrierter, fleißiger und hilfsbereiter Mensch, der dabei ist, sich eine nachhaltige Existenz beruflich und privat in unserem Land aufzubauen, zurückgeführt werden soll", erklärt Einrichtungsleiterin Eva Weithmann. Betreiber des Seniorenzentrums ist die Arbeiterwohlfahrt. Zusammen mit AWO-Bezirksgeschäftsführer Alexander Trapp hat sich Abdullahs Chefin hilfesuchend an Bürgermeister Franz Langer und Landrat Raimund Kneidinger gewandt. Neben der Sorge um den jungen Mann treibt sie auch Unverständnis über das staatliche Vorgehen um: "Der Bedarf an Pflegefachkräften, auch an Pflegehelfern, ist aktuell sehr schwierig zu decken und stellt uns vor große Herausforderungen." Erschwerend komme die Bewältigung der Corona-Pandemie hinzu. Abdullah habe sich in Windorf und einem Passauer AWO-Seniorenheim sogar freiwillig für den Einsatz auf den Covid-19-Stationen gemeldet.

Eine Unterschriftenliste für Abdullah hängt derzeit im Seniorenzentrum Donautal aus. Nicht nur Einrichtungsleiterin Eva Weithmann ist voll des Lobes für den jungen Afghanen. "Ich bin froh, einen Kollegen wie Abdullah zu haben, der immer für andere da ist und auch einspringt, wenn ,Not am Mann‘ ist", sagt eine Kollegin. Die Pflegedienstleitung erklärt: "Er wird für seinen Fleiß und Eifer wie auch für seinen stets freundlichen und humorvollen Umgang von ausnahmslos allen Mitarbeitern und Bewohnern sehr geschätzt." Abdullah habe seine Deutschkenntnisse seit Beginn stark verbessert und noch keinen Tag gefehlt. Er lerne eifrig täglich Neues über sein Berufsbild, zeige sich immer motiviert. "Ich wünsche mir von Herzen, dass Abdullah endlich ein ruhiges Leben führen kann. Er ist so hilfsbereit und immer freundlich. Er hat es ganz einfach verdient, hier zu bleiben", fasst eine Kollegin die Stimmung im Team zusammen.

Abdullahs Lebensweg kennt wohl niemand hier so gut wie Birgit Stümpfl. Sie hilft seit 2015 ehrenamtlich im Arbeitskreis Vilshofener Asylbewerber (AVA) und lernte Abdullah kennen, als der damals 18-Jährige Ende 2015 mit anderen Flüchtlingen vorübergehend im Bayernwerk Pleinting einquartiert wurde. "Abdullah ist mit seinem Cousin Mohammad nach Deutschland gekommen und die beiden haben von Anfang an alles getan, um sich zu integrieren und ein gutes Leben in Deutschland aufzubauen", erklärt Birgit Stümpfl. Die Vilshofener Helferin hielt den Kontakt zu dem jungen Mann, auch als er später in wechselnde Unterkünfte verlegt wurde. "Abdullah hat viele Anstrengungen unternommen und viele Rückschläge einstecken müssen. Ich habe seine Verzweiflung und die Angst vor der Abschiebung erlebt. Aber er hat nie aufgegeben", sagt sie anerkennend.

Jüngst hat der junge Afghane bei einer Begegnung auch Altlandrat Franz Meyer um Hilfe gebeten. Der wandte sich an den niederbayerischen Regierungspräsidenten. Damit sich Meyer ein genaueres Bild von dem jungen Mann machen kann, schildert Birgit Stümpfl dem Altlandrat in einem Brief Abdullahs Bemühungen: Berufsorientierungsmaßnahme am bfz Passau, ab September 2016 Berufsintegrationsklasse an der Berufsschule I in Passau. Zum Geld verdienen Arbeit bei der Baufirma Bachl in Röhrnbach. Die ist sehr angetan von Abdullah. Sie bietet ihm einen Ausbildungsvertrag zum Straßenbauer an und hält die Lehrstelle fast ein Jahr frei – bis Abdullahs Antrag auf Ausbildungsduldung letztendlich abgelehnt wird.

Im September 2017 nimmt die Vilshofener Berufsfachschule für Sozialpflege den jungen Afghanen auf. Weil seine Deutschkenntnisse für diese schulische Ausbildung noch nicht ausreichen, wechselt Abdullah im September 2018 in die Vorklasse für Pflegeberufe an der Berufsakademie Passau. Dort legt er die B1-Prüfung in Deutsch ab und arbeitet seit Mai 2019 als Pflegehelfer im Seniorenzentrum Donautal. Nach langen Jahren in Gemeinschaftsunterkünften bezieht Abdullah im August 2020 ein kleines Zimmer in Passau, macht den Führerschein und spart sich ein gebrauchtes Auto zusammen, um seinen Arbeitsplatz zu allen Schichtzeiten zu erreichen.

Der Umgang mit Kollegen und Heimbewohnern hat Abdullahs Sprachkenntnisse so sehr verbessert, dass Einrichtungsleiterin Weithmann ihn ab September zum Pflegefachhelfer und später zum Pflegefachmann ausbilden will. Doch dazu muss er hier bleiben dürfen. Seine Arbeitserlaubnis ist immerhin gerade um zwei Monate bis Ende Juni verlängert worden. "Knackpunkt ist aber die Ausbildungsduldung", sagt Birgit Stümpfl. Jetzt bangen alle mit Abdullah, dass sein Antrag diesmal nicht abgelehnt wird und er die Ausbildung im September starten kann.

− heb