Burgkirchen/Alz
Sanitäter sind auch Seelsorger

Im Rettungswagen fährt die Angst mit – Deswegen oft tiefgründige Gespräche – Das Rettungswesen in der Pandemie

21.05.2021 | Stand 21.09.2023, 0:48 Uhr

Hans-Jürgen Rohleder und Stefan Koller (rechts) sind zwei erfahrene Rettungssanitäter. Sie haben auf den Intensivstationen so viele leidende und sterbende Menschen gesehen, dass sie kein Verständnis mehr für Corona-Leugner aufbringen können. −Foto: Gerlitz

Sanitäter stehen in der Corona-Krise an vorderster Front. Das bedeutet mehr Aufwand, längere Einsatzzeiten und vor allem schwerere seelische Belastung. Stellvertretend für den gesamten Berufsstand geben im Folgenden zwei Rettungssanitäter aus Burgkirchen/Alz Einblick in ihre nicht selten lebensrettende und stets unentbehrliche Tätigkeit.

Hans-Jürgen Rohleder und Stefan Koller sind zwei erfahrene Mitarbeiter des BRK-Kreisverbandes. Koller arbeitet in der Rettungswache Altötting in Zwölf-Stunden-Schichten zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten; Rohleder wechselt in der Rettungswache Garching/Alz zwischen Tag- und Nachtschicht (7 bis 19 Uhr/19 bis 7 Uhr). Die erste Corona-Welle traf im Landkreis Altötting den Raum Garching/Alz besonders hart.

In ihren Rettungswagen erlebten die beiden Burgkirchner keinen Todesfall, aber es kam vor, dass eine Reanimation in der Wohnung eines Corona-Patienten erfolglos blieb. Rohleder und Koller erlebten auch, dass sie Corona-Erkrankte in relativ gutem Zustand abholten, sich der Zustand aber noch im Laufe der Fahrt verschlechterte und dann in der Klinik früher oder später der Tod eintrat.

Die Senioren im Rettungswagen hatten sichtlich Angst: "Sie dachten, die Tatsache, ins Krankenhaus zu müssen, kommt schon einem Todesurteil gleich", schildert Koller. Und er gibt zu, dass auch die Sanitäter Angst vor einer Ansteckung hatten.

Patienten beruhigen, ihnen gut zureden – das gehört zum Berufsbild eines Sanitäters. Aber wie soll jemand, der selbst Angst vor Corona hat, einem an der Seuche Erkrankten ermutigende Worte zusprechen? "Beruhigen und Beschwichtigen ist bei uns fast schon ein Automatismus", erklärt Rohleder. Die Patienten seien unterschiedlich, manche wollten reden, andere nicht. Insgesamt komme es aber zu vielen Gesprächen im Rettungswagen.

Rohleder weiß aus Erfahrung, dass sich nach vielen Jahren im Rettungsdienst gute Menschenkenntnis einstellt: "Wir können Menschen lesen und uns auf sie einstellen. Das ist auch wichtig, denn mit oberflächlichen Sprüchen ist den Patienten nicht gedient. Entscheidend ist, dass der Begleiter im Rettungswagen aufmerksam zuhört und einfühlsam auf das reagiert, was der Leidende sagt."

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