Qatar: Mehr als nur Wüste

02.11.2018 | Stand 20.09.2023, 1:05 Uhr
Florence Reiter

Dhauen in der Doha Bay – im Hintergrund hebt sich die imposante Skyline hervor. Das Konterfei von Emir Sheikh Tamin ist auf einigen Wolkenkratzern abgebildet.

Das Emirat Qatar hat viel mehr zu bieten als Wüste, Reichtum und Schlagzeilen zur Fußball-WM 2022. Zwischen Tradition und Moderne bietet sich dem Besucher ein vielseitiges Bild des kleinen Wüstenstaats. Fotos von der Reise sehen Sie in der Fotostrecke.

Orientalische Klänge tönen in voller Lautstärke aus dem Autoradio – unterlegt mit einem rhythmischen Beat. In flottem Tempo bahnt sich der Geländewagen schaukelnd seinen Weg durch die endlose Weite der Sandwüste von Qatar.

Die Sonne steht tief, wirkt wie ein riesiger Feuerball über der hellen Dünenlandschaft und brennt schonungslos hinab. Ruhig und gelassen steuert Ahmad seinen weißen Land Cruiser eine der Dünen hinauf. Oben angekommen bietet sich ein für die Golfregion einzigartiges Bild: das Binnenmeer Chaur al-Udaid, mit dem der Persische Golf tief in die Wüste vordringt.Hellblau strahlt das Wasser am Fuße der gigantischen Düne. Langsam lässt Ahmad seinen Wagen Richtung Abgrund rollen. Durchatmen.

Eindrücke von der Wüstenfahrt im Video (Kamera: Reiter):



Dann geht es gefühlt kopfüber nach unten: Im steilen Winkel rutscht der Geländewagen die gut 70 Meter bis zum Ufer hinab. Nervenkitzel pur – doch Ahmad hat seinen Wagen im Griff und landet sicher auf dem schmalen Pistenstreifen am Ufer. Wie lang man dafür üben muss? "Ein bisschen", sagt Ahmad und schmunzelt. Fast täglich chauffiert er Besucher zum Binnenmeer, das etwa 70 Kilometer südlich von Doha liegt. Von der UNESCO als Naturreservat mit einem eigenen Ökosystem anerkannt, ist es nicht durch Straßen erschlossen und kann nur querfeldein über die Dünen erreicht werden. Doch Qatar ist mehr als wilde Wüstentouren. Ein Blick ins Innere des Emirats – zwischen Tradition und Moderne.

Lebendiges Kulturerbe neben Wolkenkratzern

Die Mischung aus Tradition und Moderne fällt besonders in Qatars Hauptstadt Doha auf. Wolkenkratzer und mehrspurige Straßen dominieren das Stadtbild. Von der sieben Kilometer langen Uferpromenade Corniche kann man die in der Doha Bay liegenden Dhauen – die alten hölzernen Segelschiffe, die an Qatars Geschichte als Seefahrer- und Handelsstaat erinnern – bewundern, während sich im Hintergrund die imposante Skyline emporhebt.

Im südlichen Teil der Doha Bay sorgt der Souq Waqif für traditionell orientalisches Flair. Früher Wochenendmarkt der Beduinen, verdankt der Souq sein heutiges Erscheinungsbild einer originalgetreuen Restaurierung. In den unzähligen kleinen Geschäften und Ständen werden typisch orientalische Waren wie Gewürze, Schmuck, Parfüm, aber auch Kleidung und lebende Tiere angeboten. In den überdachten Gassen scheint die Zeit stehen geblieben zu sein – trotz Klimaanlage.

Zwar sieht man ihr Gesicht nicht, doch die vielen Lachfalten um die Augen mag auch die Burka nicht zu verstecken. Mizra Al Qahtani steht vor ihrer Parfüm-Boutique mitten in Dohas Souq Waqif. Gäste aus Deutschland in Qatar freuen sie besonders. Denn Mizra hat zwei Jahre in Wiesbaden gelebt. "Ich mag die Korrektheit und Ehrlichkeit der Deutschen", sagt sie und lacht. Kurz darauf winkt sie die kleine Gruppe Journalisten, die nur zufällig vor dem duftenden Weihrauchbrenner vor der Boutique angehalten hatte, in ihren Laden. Unter den Weihrauchduft mischen sich die unterschiedlichsten Parfüm-Aromen – schwer, würzig und blumig. Bis unter die Decke reihen sich die kleinen und großen Flaschen auf gläsernen Regalen. Dazwischen unzählige Fotos von Qatars Herrscher Emir Sheikh Tamim.

Mizra ist eine der knapp 300000 Qatari im Land. Arbeiten muss sie eigentlich nicht. Sie lebt wie die anderen qatarischen Staatsbürger vom großen Öl- und vor allem Gasvorkommen Qatars. "Der Laden ist mein Hobby", sagt sie. Dann kramt sie herum und sucht Parfümfläschchen aus den Regalen, greift nacheinander nach den Händen der verwunderten Gäste und sprüht sie mit Parfüm ein, ehe sie jedem ein hübsch verpacktes Fläschchen in die Hand drückt. "Ein Geschenk", sagt sie und lacht. Ihre dunklen Augen leuchten, wieder treten die Lachfalten im schmalen Augenschlitz der Burka deutlich hervor. Dass eine komplett verschleierte Frau vor einem steht, ist vergessen. Die Herzlichkeit und Gastfreundschaft überblendet jegliches kulturelles "Hindernis".

Falken mit modernster Medizin fit halten

Im Souq-Waqif-Falkenkrankenhaus trifft traditionelle Falkenjagd auf modernste medizinische Technik. Rückbesinnend auf die Beduinen, die Falken zur Jagd einsetzten, ist die Falknerei in Qatar sehr beliebt. Die Greifvögel gelten im Wüstenstaat als Statussymbol und dürfen bei der nationalen Fluggesellschaft Qatar Airways sogar in der Kabine mitfliegen.

Das Wartezimmer im Falkenkrankenhaus ist an diesem Vormittag gut gefüllt. "Wir behandeln 120 bis 200 Falken täglich", sagt Meqdad Lateef Al-Bayati, der für den reibungslosen Ablauf der Untersuchungen zuständig ist. Seit zehn Jahren arbeitet der gebürtige Iraker in Doha. Er ist einer von vierzig Angestellten, die sich in der staatlichen Einrichtung, die sich über vier Etagen erstreckt, um das Wohl der Vögel kümmern. Dabei wird modernste Medizintechnik eingesetzt – schließlich gehört der Falke in Qatar zur Familie und kann obendrein zwischen 1000 und 250000 Euro wert sein.

Araberpferde-Tradition und internationaler Spitzensport

Tradition und Moderne können in Qatar vermutlich nirgendwo besser verschmelzen als im Gestüt Al Shaqab in Ar-Rayyan. Lange bevor Ende der 1930er Jahre das erste Erdölvorkommen entdeckt wurde, war die Wüstenregion für ihre Araberpferde bekannt. Um die edle Rasse zu erhalten, gründete Sheikh Hamad Bin Khalifa Al Thani, der Vater des Emirs, 1992 Al Shaqab. Dafür wählte er einen geschichtsträchtigen Ort: Das Schlachtfeld, auf dem die berittenen Beduinen, angeführt von Sheik Jassim bin Mohammed Al Thani, sich 1893 gegen die Osmanen ihre Unabhängigkeit erkämpften. Über fast eine Million Quadratmeter erstreckt sich das in Hufeisenform angelegte Reitsportzentrum, das derzeit 700 Pferde beheimatet. Ganz offensichtlich wurden für den Bau weder Kosten noch Mühen gescheut. Neben klimatisierten Stallungen, modernen Trainingszentren mit Pferde-Schwimmbahnen, Paddocks, angesäten Graskoppeln und einer Pferdeklinik ist das futuristische Stadion mit Indoor- und Outdoor-Arena das Herzstück der Anlage. Optimale Bedingungen locken jedes Jahr die Top-Sportler der internationalen Reitsportszene dorthin.

Die eignen Zuchtprodukte werden in Al Shaqab für den Distanzsport trainiert. Denn Araberpferde eigenen sich durch ihre Ausdauer und ihr Temperament ganz besonders für die bis zu 160 Kilometer langen Rennen. Wer selbst einen Nachfahren der preisgekrönten Hengste mit den anmutig klingenden Namen "Gazal Al Shaqab" oder "Marwan Al Shaqab" züchten will, kann locker 20000 Euro für die Decktaxe auf den Tisch legen – Qataris zahlen nichts. Neben Araberpferden werden in Al Shaqab auch Vollblüter für den Galopprennsport gezüchtet, die ihre Preisgelder meist in England und Frankreich eingaloppieren.

INFORMATIONEN
Qatar liegt als 160 Kilometer lange und bis zu 85 Kilometer breite Halbinsel an der Westküste des Persischen Golfs. Auf einer Fläche von 11437 Quadratkilometern leben etwa 2,2 Millionen Menschen, davon ein Drittel in der Hauptstadt Doha. Nur etwa 300000 Menschen sind qatarische Staatsbürger (Qatari). Der Rest der Bevölkerung setzt sich aus ausländischen Gastarbeitern zusammen. Qatar wird seit 1916 von der Herrscherfamilie Al Thani regiert, zunächst unter britischer Schutzmacht, bis das Emirat 1971 seine Unabhängigkeit erklärte. Der Staat wird heute als absolute Monarchie von Emir Sheikh Tamim Bin Hamad Al Thani regiert. Die Thronfolge ist nach der Verfassung erblich. Dank der Erdölförderung und dem großen Erdgasvorkommen gehört Qatar zu den modernsten und reichsten Staaten am Golf. Das Bruttosozialprodukt liegt bei 75660 US-Dollar. Die Amtssprache ist Arabisch, die Währung Qatar Riyal (QR). Der sunnitische Wahabismus, eine puritanische Form des Islam, ist Staatsreligion. Die Gesetzgebung beruht auf der Scharia.

KLIMA
In Qatar herrscht ein gemäßigtes Wüstenklima. Wegen der Nähe zum Persischen Golf ist es ganzjährig schwül, subtropisch und heiß. Die Luftfeuchtigkeit liegt bei 85 Prozent. Im Sommer sind Temperaturen von bis zu 50 Grad möglich.

ANREISEN
Seit August 2017 können Reisende aus 80 Ländern ohne Visum nach Qatar einreisen. Qatar Airways bietet 35 wöchentliche Verbindungen nach Doha ab München (zweimal täglich), Frankfurt (zweimal täglich) und Berlin (täglich) an. Der Wüstenstaat ist ein beliebtes Stopover-Ziel auf Flugreisen in östliche Fernreiseziele. Ein Flug mit Qatar Airways in der Economy Class ab Deutschland zum Beispiel nach Bangkok, Stopover in Qatar, kostet ab 520 Euro.

KURZREISE & ÜBERNACHTEN
Meiers Weltreisen zum Beispiel bietet eine viertägige organisierte Kurzreise nach Qatar an, Preis pro Person inklusive Transfers, Ausflüge und Reiseleitung 378 Euro.

Hoteltipp: Sharq Village & Spa Ritz-Carlton-Hotel (5 Sterne), Doha, eine Nacht im Doppelzimmer Deluxe Resort, Halbpension, ab 103 Euro pro Person. www.sharqvillagespa.com

www.meiersweltreisen.de
www.qatarairways.com
www.visitqatar.qa
www.alshaqab.com

PNP-Redakteurin Florence Reiter reiste auf Einladung von Meiers Weltreisen und Qatar Airways nach Qatar.