Angst vor möglichem Atomschlag verstärkt
Putin besiegelt russische Annexion von vier Gebieten in Ostukraine

30.09.2022 | Stand 30.09.2022, 22:16 Uhr

Kremlchef Wladimir Putin unterschrieb am Freitag die Abkommen, mit denen die Einverleibung der von russischen Truppen besetzten Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson besiegelt wurde. −Foto: Gavriil Grigorov/dpa

Kremlchef Putin besiegelt die Annexion von vier Gebieten in der Ostukraine. Gleichzeitig wiederholte Putin die Drohung, „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ zu reagieren, was die Angst vor einem möglichen Atomschlag verstärkte.



Gut sieben Monate nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine hat Russland vier Gebiete im Osten des Landes annektiert. Kremlchef Wladimir Putin unterschrieb am Freitag die Abkommen, mit denen die Einverleibung der von russischen Truppen besetzten Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson besiegelt wurde. International werden die Annexionen nicht anerkannt. Die EU und auch Deutschland verurteilten den Schritt scharf.

Referenden weltweit als völkerrechtswidrig verurteilt

Moskau hatte in den vier Regionen zuvor Scheinreferenden organisiert, in denen die Bevölkerung angeblich für einen Beitritt zu Russland gestimmt hat. Auch diese sogenannten Referenden wurden weltweit nicht anerkannt und als undemokratisch sowie völkerrechtswidrig verurteilt. Dennoch sagte Putin nun, die Annexion sei „der Wille von Millionen Menschen“, die in „ihre historische Heimat zurückzukehren“ wollten.

Putin forderte die Ukraine zu Verhandlungen auf. Kiew müsse zudem die Angriffe gegen die russischen Besatzer im Osten stoppen - dort hatte die Ukraine Gegenoffensiven gestartet und Gebiete zurückerobert. Russland wolle Militärschläge in den Regionen von nun als Angriffe gegen das eigene Staatsgebiet werten. Putin wiederholte die Drohung, „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ zu reagieren. Dies verstärkt Ängste vor einem möglichen Atomschlag Moskaus.

Raketen treffen einen zivilen Konvoi

Unterdessen wurde in der südukrainischen Stadt Saporischschja ein ziviler Autokonvoi mit Raketen beschossen. 23 Menschen starben nach übereinstimmenden ukrainischen und russischen Angaben. Beide Seiten bezichtigten sich gegenseitig, den Konvoi angegriffen zu haben. Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj nannte die Täter „absolute Terroristen“, für die „in der zivilisierten Welt kein Platz ist“.

Wegen der weiteren Eskalation der Lage schloss Finnland seine Grenze zu Russland für russische Touristen. Norwegen verschärfte seine Kontrollen an der gemeinsamen Grenze mit Russland.

Putin unterschreibt Dokumente zur Annexion ukrainischer Gebiete

Putin unterschrieb die Annexion der vier mehrheitlich von eigenen Truppen besetzten Gebiete in der Ukraine. Die Menschen in Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja seien ab sofort russische Staatsbürger - „und das für immer“.

Sein Land sei bereit, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, fügte er an. Über die nun einverleibten Gebiete werde aber nicht mit der Ukraine diskutiert. Angriffe auf jene Gebieten würden als Attacken gegen das eigene Staatsgebiet gewertet.

EU und Steinmeier: Keine Anerkennung illegaler Annexionen

Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten wiesen die russische Annexion als unrechtmäßig zurück. In einem Statement heißt es: „Diese Entscheidungen sind null und nichtig und können keinerlei Rechtswirkung entfalten.“ Russland setze die globale Sicherheit aufs Spiel. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte die Scheinreferenden und Annexionen: „Wir werden diese vermeintlichen Ergebnisse, wir werden diese Grenzverschiebungen nicht akzeptieren!“

Als Reaktion auf die Unterzeichnung der Abkommen in Moskau hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einen Antrag zur zügigen Aufnahme seines Landes in die Nato angekündigt. „Wir unternehmen einen entschlossenen Schritt, indem wir die Bewerbung der Ukraine um beschleunigten Beitritt zur Nato unterzeichnen“, sagte Selenskyj am Freitag in einem Video, das nur wenige Minuten nach der Unterzeichnungszeremonie im Kreml verbreitet wurde.

Der ukrainische Staatschef unterstrich darin, dass sein Land bereits seine „Vereinbarkeit mit den Standards“ der westlichen Militärallianz unter Beweis gestellt habe. Zugleich erteilte Selenskyj dem vom russischen Präsidenten Wladimir Putin kurz zuvor formulierten Appell zu Verhandlungen über Beendigung des Ukraine-Kriegs eine Absage.

Die Ukraine werde keine Verhandlungen mit Russland führen, solange Putin an der Macht sei, sagte der ukrainische Staatschef. Die Ukraine werde dann mit Russland verhandeln, wenn es dort einen „neuen Präsidenten“ gebe.

− dpa/afp