Fürstenzell/Tittling/Thyrnau
Protest gegen Schulschließungen und Brief an den Landrat

05.04.2021 | Stand 21.09.2023, 23:01 Uhr

Vor der Grundschule Jägerwirth stehen Schuhe Schlange. Mit diesem stillen Protest fordern Eltern die inzidenzunabhängige Öffnung der Schulen und Kitas nach den Osterferien. −Foto: Verena Lang

Vielen Eltern und Schülern im Passauer Land reicht es. Sie protestieren dieser Tage gegen den anhaltenden Lockdown und die Schulschließungen. Während sich der Elternbeirat der Grundschule Thyrnau in einem offenen Brief an Landrat Raimund Kneidinger und dessen Stellvertreter Hans Koller wendet, zeugen in Tittling und Fürstenzell Schilder und Schuhe vom wachsenden Unmut vieler Eltern und Kinder.

"Mama, was hast du damals in der Pandemie für mich getan?" – vor dieser Frage graust es den Müttern in Jägerwirth, wie Verena Lang, selbst Mutter von drei Kindern, der PNP berichtet. In einer stillen Protestaktion fordern die Eltern nun "die inzidenzunabhängige Öffnung der Schulen und Kitas nach den Osterferien".

Seit Wochen sind die Schulen und Kitas im Landkreis geschlossen, "obwohl Kinder selbst nur selten an Covid-19 erkranken", merkt Verena Lang an. "Infektionshäufungen an Schulen kommen vor, allerdings fehlen meist strukturierte Ausbruchsuntersuchungen. Woher die Infektionen kamen, ist oft unbekannt. In den untersuchten Fällen waren meist Lehrer oder Erzieher die, von denen die Übertragungen ausgegangen waren. Studien in München zeigen, dass positiv getestete Kinder ohne Symptome in Schulen und Kitas verschwindend gering sind", weiß die Mutter. Dennoch blieben Schulen und Kitas bis zu den Osterferien geschlossen – schon monatelang. Wie lange noch, ist ungewiss.

"Schulen und Kitas sind systemrelevant"



Nun wächst der Protest. Denn: "Schulen und Kitas sind für Kinder und Jugendliche systemrelevant, denn sie treffen im Kern ihre sozialen und intellektuellen Grundbedürfnisse und bestimmen entscheidend ihre psychosoziale Entwicklung", sagt Verena Lang. "Mittlerweile wird das gravierende Ausmaß der Schäden durch immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen belegt." Sie beruft sich auf Kinderärzte, die versichern, dass Wechselunterricht und Onlineunterricht für Kinder ab 14 Jahren ein geeignetes Mittel sei. Für Grundschulkinder sei "einzig und allein der Präsenzunterricht die geeignete Form, um Wissen zu vermitteln". Die dreifache Mutter ist überzeugt, dass dies unter Einhaltung der Infektionsschutzregeln und wenn Lehrer und Erzieher wöchentlich getestet werden, ein gangbarer Weg ist.

"Die Effektivität von Kita- und Schulschließungen zur Senkung von mit SARS-CoV-2 assoziierten Todesfällen in den Risikogruppen der Alten und Pflegebedürftigen ist in der Literatur nicht belegbar", sagt Verena Lang. Dies hätten knapp 100 Eltern aus Ostbayern über eine Online-Konferenz von Prof. Dr. Johannes Hübner von der Ludwig-Maximilians-Universität München erfahren. Viele Eltern haben sich mittlerweile organisiert und sind der Lobby für Kinder beigetreten, eine Initiative von Dr. Regina Schwindler und Dr. Alexander Ried, zwei Ärzten aus Ostbayern. "Unsere Kinder brauchen Menschen, die ihnen eine Stimme geben", sagt Verena Lang.

Protest auch vor dem Tittlinger Rathaus



Nicht nur in Jägerwirth ist der Unmut inzwischen offensichtlich, auch in Tittling gab es dieser Tage einen stillen Protest: Vor dem Rathaus standen Schuhe und Schilder, die eine Öffnung der Schulen und ein Ende der sozialen Isolation für die Kinder der Marktgemeinde forderten. "Den Unmut kann man keinem übelnehmen", findet Tittlings Altbürgermeister, der in einer Presseaussendung auch seinen Amtsnachfolger Helmut Willmerdinger kritisiert: "Das Tittlinger Rathaus und die Schulen gleichen schon seit Wochen einer Festung mit Corona-Wassergraben. Ein Reinkommen ist fast nicht mehr möglich." Der Protest vorm Rathaus, so schreibt Bloch mit Blick auf Bürgermeister und Marktgemeinderat, "rüttelt vielleicht den Schloßherrn mit seinem Gremium endlich mal wach, um sich dahingehend endlich mehr um die Belange der Bürger und Kinder zu kümmern".

Eigenmächtig aufheben kann Willmerdinger die Schulschließungen freilich nicht. Der Inzidenzwert für den Landkreis Passau hält sich beständig über der 100er Marke, was weiterhin eine Öffnung der Schulen für alle Schüler nicht ermöglicht. Lediglich die vierte Jahrgangsstufe darf nach den Osterferien in den Präsenzunterricht. "Das ist zwar ein kleiner Lichtblick aber führt dennoch dazu, dass circa 75 Prozent der Grundschüler weiter zu Hause und damit im Distanzunterricht bleiben müssen", schreibt der Elternbeirat der Grundschule Thyrnau in seinem offenen Brief an Landrat Raimund Kneidinger und dessen Stellvertreter Hans Koller aus Thyrnau. Die Eltern setzen nun neue Hoffnung in eine Aussage von Ministerpräsident Markus Söder, der im PNP-Interview vom 27. März sagte: "Mit einer Grundschule an einem Ort einen Modellversuch zu starten, ist überlegenswert." Die Thyrnauer Eltern finden: "Unsere Kinder müssen uns das wert sein."

Thyrnauer Eltern fordern Modellversuch



Der Elternbeirat verweist auf das Infektionsgeschehen in der Gemeinde, in der letzte Woche sieben aktive Fälle gemeldet gewesen seien, in den Wochen zuvor waren es noch 13 beziehungsweise zwölf aktive Fälle gewesen. "Die Gemeinden Aldersbach, Breitenberg oder Sonnen melden jeweils nur eine aktive Person. In den Gemeinden Kößlarn, Neukirchen vorm Wald und Tettenweis sind sogar aktuell keine Personen als aktiv gemeldet", verweisen sie auf aktuelle Daten und plädieren für einen Modellversuch nach den Osterferien: "Nun ist aktives Handeln gefordert. Im Auftrag unserer Kinder und als gewählte Elternbeiräte unserer Grundschule Thyrnau bitten wir euch, jetzt zu handeln und den Vorschlag von Herrn Ministerpräsidenten Markus Söder zu verfolgen", schreiben sie an Kneidinger und Koller. Unterricht in der Schule sei nicht mit dem Unterricht zu Hause zu vergleichen, denn: "Wir sind Eltern – in der Schule sind Lehrerinnen und Lehrer, geschultes Personal, welches sich um die Bildung unserer Kinder kümmert."

− red