Passau
PNP-Dialekt-Serie: So geht Fluchen auf Bairisch

13.03.2018 | Stand 22.09.2023, 0:40 Uhr

"Zefix Halleluja!": Der Engel Aloisius, den Ottfried Fischer 2002 verkörperte, ist der wohl bekannteste bayerische Flucher. − Foto: dpa

Der bekannteste bayerische Flucher ist wohl der Engel Aloisius, der auf der Himmelswolke sitzt und frohlocken soll, sich aber sehr über einen durchgeistigten Engel ärgert, der nicht auf seine Bitte um eine Prise Schnupftabak reagiert. Sein Frohlocken fällt deshalb recht ungehalten aus: "Halleluja! Luja! Luja sog i! Zefix Halleluja! Luja!" An diesem Beispiel lässt sich sehr gut die "Entstehung" des Fluchens nachvollziehen.

Experten: Beim Fluchen wird Stress abgebaut

Zunächst ist da die Frustration – es klappt nicht mit dem Schmaizler. Dadurch kommt es zum Affekt, Aloisius ärgert sich und gerät in einen Erregungszustand, der schließlich in einer Aggression gipfelt, welche sich wiederum in einer Fluchtirade entlädt. So gesehen ist Fluchen sogar gesund, und zwar für alle Beteiligten, weil nicht zuletzt Handgreiflichkeiten dadurch vermieden werden können. Die psychologische Forschung findet – Rüpelhaftes, Blasphemisches und Vulgäres – überhaupt viel Positives am Fluchen: Es wird Stress abgebaut, es erhöht die Schmerztoleranz, steigert die Leistungsfähigkeit, wirkt ehrlich. Wie geflucht wird, spielt keine Rolle.

Während das Hochdeutsche die Fäkalsprache dazu heranzieht, bedient sich die Mundart aus einem religiös geprägten Begriffsrepertoire – was im katholisch geprägten Altbayern nur auf den ersten Blick erstaunlich wirkt. Im Erregungszustand hat man wohl eher auf ein altbekanntes Vokabular zurückgegriffen, als komplett neue Schimpfwörter zu kreieren. Die Kernbegriffe "Sakrament", "Kreuz/Kruzifix", "Himmel", "Teufel" und "Herrgott" bilden den Grundstock für das mundartliche Schelten und bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten der Kombination und Erweiterung.

Oskar Maria Grafs schriftstellerisches Werk, wie etwa die "Chronik von Flechting" oder "Das bayrische Dekameron", erweisen sich als wahre Fundgrube dafür. "Himmi-herrgott" lässt er den Bauern wispern, nachdem der fast mit der Magd erwischt worden wäre, "Kreuzteifi – dös hätt’ dumm außigeh kinna!" Als es darum geht, bei einem Hauskauf das Rennen zu machen, stößt der Wirt aus: "Sakrament-sakrament! Jetz müaß ma’s packa, kost’s wos mog!" In einer ähnlichen Situation, als die Chance auf ein gutes Geschäft vertan ist, weil der potentere Bieter zu spät kommt, macht der Jakl in der "Chronik von Flechting" durch die mehrfache Wiederholung eines der Kernbegriffe seinem Ärger Luft: "Herrgottsakrament-sakrament-sakrament! Jetz kimmt er daher, der damisch’ Hund, der damisch’!" Höchster Erregung gibt der Postbote Lechner in der Geschichte "Das Brautverstecken" Ausdruck. Nachdem Michl die Braut seines Freundes im Verlauf der Hochzeitfeier derart intensiv auf dem Diwan in Lechners Stube "versteckt" hat, dass dabei Lechners Pfeifensammlung von der Wand fiel und zu Bruch ging, flucht der Postbote beim Anblick der Scherben: "Himmi-himmiherrgottsakrament-sakrament!", und als er im Wirtshaus von seinem Unglück berichtet: "Himmikruzifix-kruzifix! Herrgottsakrament-sakrament!" Der Michl ist auch nicht erfreut, als er für den Schaden aufkommen muss: "Herrgott, teir konn a so a Brautverstecka komma, Sakrament-sakrament!" Ein letztes Beispiel für eine Fluchtirade: Durch den Lärm, den der Hilfslehrer Wabendorfer beim fehlgeschlagenen Fensterlversuch verursacht, schimpft der Hausherr, aus dem Schlaf gerissen: "Wos is’s denn? Himmikreizherrgottsakramentsakrament? Hundling, misrabliga!"

Gotteslästerliche Schelte ist Verstoß gegen zweites Gebot

Dieses gotteslästerliche Schelten verstößt ganz klar gegen das zweite Gebot und muss in der Konsequenz gebeichtet werden. Um den wohlmöglich täglichen Gang zum Beichtstuhl zu vermeiden, lässt der Mundartsprecher seine Kreativität spielen und weicht in Momenten höchster Erregung auf weniger drastische Fluchäquivalente aus: "Sapprament" nimmt "Sakrament" die Härte, auch die Verkürzung auf "Sakara" klingt schwächer, vor allem in der Variante "Sikara". Beide können (ebenso wie die Vollform "Sakramenter") auch in Bezug auf eine Person verwendet werden: "Dea Sikara/Sakara/Sakramenter foigt einfach ned!" Eine weitere abgeschwächte Form ist "Sakradi", das wohl in Verbindung mit dem französischen "Sacre dieu" ("Heiliger Gott") zu sehen ist und noch unverfänglicher zu "Saxndi" abgewandelt wird. "Saxndi" ist hinsichtlich Gotteslästerlichkeit derart unverdächtig, dass es vor über 30 Jahren Oberpfälzer Musiker als Namen für ihre Partyband gewählt haben und es selber als "bayerischen Ausdruck des Erstaunens" definieren. Auch für die Fluchzusammensetzungen mit "Kruzifix" werden in der Mundart moderatere Formen gebildet. "Zefix" bewahrt nur noch den zweiten Bestandteil des Kernbegriffes und wurde zum Beispiel als Name für eine ganze Reihe von Publikationen gewählt ("Zefix"-Kalender, "Zefix"-Memo usw.), die in Buchhandlungen unter dem Stichwort "Bavarica" angeboten werden. Wie "Saxndi" muss auch "Zefix" als Name für eine (mittelfränkische) Partyband herhalten.

Daneben gibt es Zusammensetzungen, in denen der erste Bestandteil von "Kruzifix" erhalten bleibt: "Kruzitürken", das wohl auf die Türkeneinfälle im 16./17. Jahrhundert zurückweist und "Kruzifünferl", das "-fix" durch eine Münzbezeichnung ersetzt, sind weitere unverfängliche Beispiele, ebenso "Kruzinali" und "Kruziwuzi", welche am ehesten lautmalerisch zu interpretieren sind. Ob "Kruzinesen" tatsächlich, wie vielfach vermutet wird, in Anlehnung an "Kruzitürken" auf die "Chinesen" anspielt, bleibt dahingestellt. "Kreuz" wird bis zur Unkenntlichkeit abgemildert in "Kreimschachterl".

Auch "Herrgott" kann umschrieben werden, und zwar mit "Herrschaft". Dies ist so fern von jedem blasphemischen Verdacht, dass es selbst aus hochwürdigem Munde nicht anstößig wirkt. Als bei einem Trauergottesdienst die Lautsprecheranlage störende Knackgeräusche von sich gibt, reagiert der Pfarrer schließlich ungeduldig: "Ja Herrschaftseitn, wos is’n do lous!"