Pilot wird Café-Besitzer

Stammgast Hannes König hat sich seinen Traum erfüllt und übernimmt das Sanpaolo am Rindermarkt

08.08.2020 | Stand 20.09.2023, 5:24 Uhr

Seine Vespa parkt Hannes König oft vor dem Café Sanpaolo am Paulusbogen, das er Anfang nächste Woche wieder öffnen wird. Zu dem Roller hat er eine besondere Beziehung, er drückt zum einen italienisches Lebensgefühl pur aus, meint der Neu-Gastronom – und zum anderen ist die Vespa genau 20 Jahre älter als er: "Sie ist Baujahr 1961, ich 1981." −Foto: Danninger

Diesen Traum hatte Pilot Hannes König schon immer: Eines Tages nicht mehr nur durch die Lüfte zu jetten, stattdessen beruflich etwas kürzer zu treten und dafür eine typisch italienische Cafébar im historischen Passau eröffnen.

Manchmal wirkt Corona als Beschleuniger. Und so ist diese Sehnsucht von der eigenen Gastronomie nun schneller Wirklichkeit geworden als geplant. Der 38-jährige Passauer, der ursprünglich aus Röhrnbach stammt, aber seit 2005 in der Dreiflüssestadt zu Hause ist, erweckt in diesen Tagen das Sanpaolo am Paulusbogen zu neuem Leben. "Das ist mir eine Herzensangelegenheit", sagt er, denn er vermisst diesen Treffpunkt, zählte selbst zu den Stammgästen in dem kleinen Lokal gegenüber der mächtigen Kirche St. Paul.
Tee aus Florenz,Limo aus Catania Und nachdem die vormalige Chefin Milena Fussari seine Anlaufstelle aus Altersgründen und auch wegen Corona aufgegeben hatte, übernimmt er nun die Regie. Hannes König will die italienische Tagesbar im Geiste von Milenas Ehemann Dano Fussari weiterführen, der das 25 Quadratmeter große behagliche Reich über 13 Jahre lang als Bühne und Treffpunkt anbot und nach seinem Tod 2018 für die vielen Freunde und Fans eine große Lücke hinterlassen hatte. So darf das Herzstück der Bar, die original italienische Kaffeemaschine, mit der Dano jeden Espresso zu einem Unikat werden ließ, keinesfalls fehlen. "Sie wurde gerade überholt", erzählt der neue Pächter stolz.

Stolz ist der frischgebackene Gastronom, dass er einen ganz besonderen Kaffee damit wird kredenzen können. Und hier kommen seine Kontakte zum Tragen, die er bei seinen unzähligen Stopps als Flugkapitän in Italien knüpfen konnte. Denn er war jahrelang für große deutsche Luftfahrtgesellschaften Kurz- und Mittelstrecke geflogen. Die klassischen Urlauberdestinationen halt. Und da gehörten Flüge nach Italien zu den ersten Adressen.

Deshalb kommt der Tee in Baumwollbeuteln aus einer Manufaktur in Florenz, der Kaffee aus einem Familienbetrieb im sizilianischen Catania vom Fuße des Ätna und für die Limonade, die in Italien normalerweise in Dosen angeboten wird, hat er ebenfalls in Sizilien einen Anbieter ausfindig gemacht, der sie in Flaschen abfüllt. "Das war mir wichtig, wegen der Nachhaltigkeit", bemerkt König. Dass die Zitronen dafür ausschließlich von der Insel kommen, versteht sich von selbst. Und als Besonderheit gibt es bei ihm den Prosecco aus dem Zapfhahn, schickt er hinterher.

Aber auch die regionalen Lieferanten sind für ihn entscheidend. Die Cornetti etwa, die er frisch aufbacken wird, damit der für die italienische Frühstücksbar so typische köstliche Duft nicht fehlt, lässt er bei einem kleinen Bäcker in der Innstadt herstellen.

Darüber hinaus wird es eine kleine, aber feine Speisekarte geben mit italienischen Köstlichkeiten auf die Hand.

Der neue Gastwirt kann es kaum erwarten, bis er endlich den ersten Espresso ausgeben kann. Die Bar hat gefehlt, wird ihm ständig bescheinigt. Manche klopfen ans Fenster, wenn sie ihn und die Handwerker drin werkeln sehen. "Wann gibt es wieder den Treibstoff Italiens?", wollen sie wissen.

"Es wird anfangs nicht alles perfekt sein, aber das muss es auch nicht", findet er. Schließlich ist die Idee mit der Lokalübernahme erst vier Wochen alt. Und vor gerade mal zwei Wochen hat er die Schlüssel bekommen. Umso mehr freut es ihn, dass er so viel Unterstützung bekam, um den Laden etwas aufzufrischen. "Meine Handwerker-Freunde haben es möglich gemacht, dass ich auf die Schnelle eröffnen kann."

Das typisch italienische Stehcafé wird ein paar Barhocker bekommen, für diejenigen, die nicht mehr so lange stehen wollen. Und da Corona ja nicht so viele Leute auf engem Raum zulässt, darf er auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Schatten der Kirche ein paar Tische und Stühle aufstellen.

Wie er künftig alles unter einen Hut bringen wird, wenn die Flaute am Himmel vorüber ist und wieder mehr Flugzeuge starten? Hannes König ist sich sicher, dass es künftig mehr Teilzeitverträge in der Branche geben wird. Und so sieht er das Café als zweites Standbein. "Nicht aus wirtschaftlichen Gründen", will er bemerkt haben, "sondern weil es für mich zusätzliche Lebensqualität bedeutet und ich in Corona-Zeiten mehr Zeit habe." Zum letzten Mal ist er Ende März im Cockpit gesessen. "Ich habe mit Eurowings Evakuierungsflüge durchgeführt und die Urlauber von den Kanaren zurückgeholt, mit Masken und allem was dazu gehört", berichtet er.

2008 hatte er die Ausbildung zum Kapitän begonnen, seit 2011 flog er regelmäßig Airbus A 320 und A 319. Auch wenn er nicht in Kurzarbeit geschickt wurde, so weiß er derzeit nicht, wann und wo er das nächste Mal eingesetzt wird.

Angst vorm Fliegen wegen Corona? "Nein, die habe ich nicht", sagt er mit Nachdruck. "Ich gehöre ja nicht zur Risikogruppe und habe auch keine Vorerkrankungen."
Mit der Vespa an die Amalfi-Küste Dass ihn nach den über vier Monaten am Boden das Fernweh packt, wer könnte es ihm verdenken? "Es ist schon ein Privileg, Pilot zu sein", meint er. "Jedes Mal, wenn ich über die Alpen fliege, geht mir das Herz auf." Aber neben Fernweh hat er auch immer Heimweh. Heimweh nach Passau, der Stadt mit dem italienischen Flair, das nicht umsonst "das bayerische Venedig" genannt wird. "Hier, im Herzen dieser wunderbaren Stadt, eine Bar eröffnen zu können, auch das ist ein Privileg", findet er, der erst in der Altstadt zu Hause war und jetzt zusammen mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen 15-jährigen Sohn in Hacklberg wohnt.

Apropos italienisches Flair: Sein Vespa-Roller in der pastellfarbenen Originallackierung aus dem Jahr 1961 verstärkt sein Italien-Feeling noch. "Eines Tages fahr ich damit an die Amalfiküste", hat er sich vorgenommen. Und noch ein Ziel hat er vor Augen: richtig Italienisch zu lernen. Das italienische Lebensgefühl dolce vita beherrscht er schon perfekt.