Nach drei Jahren beim Ensemble Viva Voce
Passauer Sänger Matthias Hofmann bringt Soloalbum heraus

09.11.2021 | Stand 21.09.2023, 23:11 Uhr
Dorothea Walchshäusl

Fünf Jahre lebte und arbeitete er in Passau, in seiner "Stimmburg" unterrichtete Matthias Hofmann Gesang. Nach drei Jahren beim gefeierten A-cappella-Ensemble Viva Voce geht er jetzt als Künstler solistische Wege. Wie Josef Hader sagt: "So ist das Leben, der aane kummt nach Paris, der andere kummt nicht nach Paris, wie des Leben halt so is". Hofmann kommt nach Paris, er studiert dort jetzt Schauspiel. −Foto: Südkind Records

Die besten Geschichten schreibt das Leben selbst. Noch besser aber ist, dass man das bewegende Buch, das aus diesen Geschichten entsteht, erst im Rückblick ganz erfassen kann. Matthias Hofmann ist Jahrgang 1984, und die bisherigen Kapitel seines Lebensbuchs sind bereits dicht beschrieben. "Ich habe in meinem Leben viel nach links und rechts geschaut", sagt Hofmann in weichem Fränkisch und lacht leise. Bei allen Schwenks und offenen Fragen war da von Beginn an die Liebe zur Musik.



Der Plattenspieler hat den gebürtigen Feuchtwanger schon als Kleinkind fasziniert, und kaum konnte er laufen, begann er, zur Musik zu tanzen. Bald kam zur Bewegung der Gesang dazu, im Kinderchor, Kirchenchor, Schulchor und in Bands, außerdem lernte Hofmann Klavier. Doch obwohl seine Eltern ihm immer freie Hand gelassen hätten, beherrschten Hofmann starke Sicherheits- und Existenzängste. "Ich habe lange Zeit nicht darauf vertraut, dass da ein Talent in mir ist, das mich irgendwo hinbringt". Vor allem aber habe er damals noch nicht gewusst, dass "sicher nicht automatisch auch glücklich heißt". Deswegen machte er eine Fachinformatik-Ausbildung und begann ein Studium der Wirtschaftsingenieurwissenschaft.

Schließlich aber ist er doch seinem Herzen gefolgt. Er schrieb sein erstes Album "Cerealitäten" und bewarb sich für ein Gesangsstudium in Stuttgart. Mit Erfolg. Drei Jahre später hatte er einen Bachelor in der Tasche und kam über eine zufällige Begegnung nach Passau. In seiner "Stimmburg" im Niederhaus begann Hofmann nun selbst Gesang zu unterrichten – eine prägende Erfahrung. "Ich gehe den Dingen gerne auf den Grund und will wissen, was und wo ist", sagt Hofmann. Das Studium sei natürlich wichtig gewesen. Das Allermeiste aber habe er in der Unterrichtspraxis gelernt "durch die Fragen, die mir meine Schüler gestellt haben und meine Suche nach Antworten darauf".

Fünf Jahre sollte er in Passau arbeiten, die Ortsspitze im Blick und vielstimmige Lieder im Ohr. Dann folgte im Leben des Künstlers eine 180-Grad-Wende: Matthias Hofmann wurde als Bariton beim gefeierten Ensemble Viva Voce aufgenommen und stand mit einem Mal ständig auf der Bühne. "Das war ein völliger Weltenwechsel", erzählt Hofmann. "Wir haben pro Jahr 100 bis 120 Konzerte gegeben, dazu kamen die Reise- und Probentage. Auf einmal war ich dauerreisender Sänger und an über 240 Tagen pro Jahr nur unterwegs." Eine "unglaublich schöne, intensive Zeit" sei das gewesen mit vielen gewinnbringenden Erfahrungen auf und hinter der Bühne.



"Zahme Vögel träumen von Freiheit, wilde Vögel fliegen", so Hofmann, der sich selbst lachend als "Hobbyphilosophen" bezeichnet – mit Viva Voce ist er, der immer auf die Bühne wollte, tatsächlich geflogen für einige Zeit. Dann aber kam Corona, das Geld wurde knapp, und Hofmann musste die Band als einziger externer Dienstleister verlassen. Ein harter Schnitt – "aber letztlich für mich richtig", wie Hofmann erkannt hat. Schon länger wollte er sich mehr seiner individuellen Kunst widmen, "weg von den Coversongs" und mit mehr Fokus auf die eigenen Texte und Melodien. Im November 2020 war die Zeit dafür reif: Hofmann hatte mit einem Mal "keinerlei Termine, keinerlei Sicherheit, keinerlei Einkommen – aber auch keine Angst mehr".

Sein Ur- und Selbstvertrauen sei gewachsen in all den Jahren, und derart angst- und terminbefreit wurden nach dem Ende von Viva Voce nun enorme Energien frei. Das Ergebnis dieser intensiven Selbstfindung ist das komplett von Hofmann arrangierte und produzierte Album "Brot und Kontra", eine stimmungsreiche und vielschichtige Stücksammlung, bei der Hofmann mit wendiger und farbenreicher Stimme ganz unterschiedliche Töne anstimmt.

In "Fuck the Rules" stellt er sich rappend gegen sinnentleerte Regeln (explizit nicht im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie), in "Mama und Papa" reflektiert er die Rolle der Trennungskinder, in "Mein Vater" gedenkt er seinem verstorbenen Vater. "Ich versuche, so authentisch wie möglich zu bleiben in meiner Musik", sagt Hofmann. Eine bestimmte Emotion werde zum Leitstern, während er einen Song schreibe.

Parallel zur Veröffentlichung des Albums hat Hofmann nach einem Zwischenstopp in Hamburg ein ganz neues Kapitel in seinem Leben aufgeschlagen: So ist er wieder in die Schülerrolle geschlüpft und besucht seit Herbst die Schauspielschule "École Philippe Gaulier" nahe Paris. "Es hat mich schon immer fasziniert, den Text nicht nur zu singen, sondern auch zu rezitieren. Gerade träume ich von einem Ein-Personen-Stück mit Gesang", sagt Hofmann. Erst einmal wird er nun für ein Jahr in Frankreich bleiben. Es ist ein Zwischenstopp auf seiner aufregenden Lebensreise, und Hofmann ist selbst am gespanntesten, was das Leben danach für ihn bereithält.

Dorothea Walchshäusl



Das Album "Brot und Kontra" ist erschienen bei Südkind Records und kostet als MP3 ca. 16 Euro