Meisterkonzerte
Ohne Helm und Gurt: Aris Quartett glänzt in Burghausen

13.02.2022 | Stand 20.09.2023, 22:13 Uhr
Rainer Wetzl

Exzellente Technik und einfühlsames Miteinander: Das Aris Quartett spielte am Samstag in der Kurfürst-Maximilian-Aula in der Reihe der Burghauser Meisterkonzerte: (v.l.) Anna Katharina Wildermuth, Noemi Zipperling, Caspar Vinzens und Lukas Sieber. −Foto: Rainer Wetzl

Nach dem Jerusalem Quartett Ende Januar brillierte am Samstag in der Aula des Kurfürst-Maximilian-Gymnasiums mit dem Aris Quartett ein weiteres kleines Streichorchester bei den Meisterkonzerten des Burghauser Kulturbüros. Für Liebhaber der Geigenmusik einmal mehr die Gelegenheit, ein Spitzenensemble zu hören. Und es war auch ein gelungener Kontrast: Nach den etablierten Jerusalemer Streichern mit ihrem perfekten Klangerlebnis zeigten die jüngeren Aris-Musiker, wie lebendig Musik sein kann, wenn sie mit solchem Herzblut und Leidenschaft vorgetragen wird. Nicht ohne Grund wurde das Aris Quartett bereits mit einer Reihe von Preisen bedacht und zählt zu den derzeit besten Streichquartetten.

Das Publikum kann hier auch Neues kennenlernen

Die Geigerinnen, Bratschist und Cellist kennen sich bereits seit ihrer Schulzeit, haben in Frankfurt studiert und sind seit 2009 musikalisch gemeinsam unterwegs. Wenn sie spielen, ist der ganze Körper voll dabei. Die Geigerinnen Anna Katharina Wildermuth und Noemi Zipperling spielen ebenso wie Bratschist Caspar Vinzens im Stehen, nutzen den vermehrten Freiraum des Körpers, um sich in ihre Musik zu vertiefen, die so wunderschön auf ihren Instrumenten zum Ausdruck kommt.

Und Cellist Lukas Sieber spielt mit grandiosem Gespür gerade für Tempo und Ausdruck. Die Musik der vier ist so voller Leben, voller Energie, dass der Zuhörer mitgerissen wird von dieser Begeisterung der Vortragenden. Und er verzeiht den Musikern dann auch gern, wenn sie im Eifer des Musizierens, schweißgebadet und schwer atmend, Nebengeräusche entstehen lassen, die bei der genialen Akustik der Aula nicht verschluckt werden. Denn das zeigt auch einmal deutlich: Musik auf Spitzenniveau darzubieten fordert Kraft und Kondition. Und so etwas gehört doch zur Livemusik. Es ist dieses Markenzeichen, das sie unterscheidet von den geglätteten Tönen aus der Retorte.

Eröffnet wurde der Konzertabend mit Joseph Haydns Quintenquartett in d-Moll, einem gefälligen Stück und einer Auftragsarbeit des ungarischen Grafen Erdödy. Hier konnte man sich in Gedanken in einem Wiener Ballsaal einfinden und in Glanz und Festlichkeit vor 200 Jahren schwelgen. Harmonische Melodien, treibende Rhythmen und schöne Effekte im Wechsel von Tempo und Lautstärke. Nach diesem publikumsfreundlichen Werk setzte das Quartett mit den fünf Stücken für Streichquartett von Erwin Schulhoff einen Kontrapunkt. Expressiv im Ausdruck, frei von Festlegungen auf Dur oder Moll, Schulhoff hat dieses Werk 1923 geschrieben und damit ein Jahr später in Salzburg seinen musika- lischen Durchbruch erzielt. Dann geriet der 1942 in einem bayerischen KZ an Tuberkulose gestorbene Jude und Kommunist in Vergessenheit, erlebte vor 15 Jahren eine Renaissance.

Die Wahl des Stücks zeigt den Mut, Neues zu wagen und dem Publikum furiose Musik vorzustellen, die sich vom Geschmack der Mehrheit deutlich abgrenzt und eine ganz eigene Handschrift besitzt.

Nach der Pause stand Franz Schuberts Streichquartett Nr. 15 in G-Dur auf dem Programm. Es ist ein Spätwerk Schuberts und war lange alles andere als populär. Erst 24 Jahre später wurde es uraufgeführt, noch 20 Jahre später von Kritikern als sehr schwierig und langatmig abgetan. Franz Schubert experimentiert hier mit Klang und Ton, wechselt immer wieder zwischen Dur und Moll.

Für die Interpreten liegt die Hauptschwierigkeit in der Länge des Werks in Kombination mit hohen technischen Anforderungen. Die Aris-Musiker brachten hier ihr meisterhaftes Können zum Ausdruck – und vor allem ihr Selbstverständnis als Einheit. Die beiden Geigerinnen korrespondierten, als hätten sie ihr ganzes Leben lang schon gemeinsam gespielt, und auch die beiden Herren fügten sich perfekt in dieses Miteinander. Es war ein Genuss, diese Harmonie im Vortrag mit Augen und Ohren zu verfolgen. Die Vier sind exzellente Solisten, aber erst im Team erreichen sie eine Ausdrucksstärke und ein Niveau, das sie an die Spitze gebracht hat – völlig zurecht.

Für die Musiker gab am Ende Blumen und – wie immer in Burghausen – reichen Applaus, fürs Publikum im Gegenzug noch ein kurzes Stück aus einer Bach-Fuge.

Rainer Wetzl



Nächster Termin bei den Meisterkonzerten Burghausen: Am Mittwoch, 16. März, beschließt das Trio Horszowski die Reihe.