Nachfolge für 9-Euro-Ticket
ÖPNV: Verkehrsunternehmen schlagen bundesweites 69-Euro-Ticket vor

15.07.2022 | Stand 15.07.2022, 13:33 Uhr

Die Diskussion um ein Anschlussticket an den 9-Euro-Schein nimmt Fahrt auf. −Foto: dpa

In der Debatte um die Zukunft des Neun-Euro-Tickets hat sich der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) mit der Forderung nach einer Anschlusslösung für monatlich 69 Euro zu Wort gemeldet. Es sollte weiter eine einheitliche Flatrate für den ÖPNV geben, hieß es.





VDV-Geschäftsführer Oliver Wolff forderte in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom Freitag eine zügige Klärung. „Das muss schnell entschieden werden, wir können nicht bis zum Herbst warten“, sagte er. Sein Verband schätzt die Kosten für das von ihm vorgeschlagene 69-Euro-Ticket auf etwa zwei Milliarden Euro im Jahr. Zur Finanzierung brachte Wolff in der „FAZ“ die Idee eines weiteren staatlichen Sondervermögens wie für die Bundeswehr ins Spiel.

In Deutschland gibt es derzeit für drei Monate das pauschale Neun-Euro-Ticket für alle Fahrten im Nah- und Regionalverkehr. Es ist Bestandteil des ersten Entlastungspakets der Regierung in Reaktion auf den Ukraine-Krieg. Es läuft Ende August aus. Zur Kompensation von Einnahmeausfällen im Fahrkartenverkauf überweist der Bund den Bundesländern für diesen Zeitraum 2,5 Milliarden Euro.

31 Millionen nutzten im Juni 9-Euro-Ticket

Aufgrund der Resonanz der Bürgerinnen und Bürger gilt das Neun-Euro-Ticket als Erfolg. Im Juni nutzten bundesweit nach Angaben des VDV 31 Millionen Menschen den günstigen Tarif. Darunter befanden sich zehn Millionen Abonnentinnen und Abonnenten normaler Tickets, die den vergünstigte Preis automatisch erhalten.

Bereits seit Wochen läuft daher eine Debatte über eine mögliche Verlängerung des Angebots oder eine ebenfalls verbilligte Nachfolgeregelung. Dazu gibt es unterschiedliche Vorschläge. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen warb kürzlich für ein 29-Euro-Ticket, um durch steigende Preise belastete Haushalte zu entlasten und die geplante Verkehrswende weg vom Autoverkehr zu befördern.

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Es gibt andere ähnliche Ideen, etwa die eines 365-Euro-Jahresticket von Linken und Sozialverband Deutschland. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) brachte ein 75-Euro-Ticket ins Spiel, das einen Monat für bestimmte länderübergreifende Tarifgroßräume gilt. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sprach sich jüngst wiederholt für ein dauerhaftes bundesweit gültiges Nahverkehrsticket aus, das die bisherigen regionalen Tarifzonen ablöst. Ob der Bund den Länder dafür dauerhaft Geld zuschießen könnte, ließ der Verkehrsminister aber offen.

Grünen-Bundeschefin Chefin Ricarda Lang signalisierte Unterstützung für eine Nachfolgeregelung wie das nun vom VDV vorgeschlagene 69-Euro-Ticket. „Über das Modell werden wir in der Koalition beraten, klar ist aber: Es braucht eine Anschlussregelung, die wie vom Bundesverkehrsminister vorgeschlagen möglichst bundeseinheitlich gilt und dabei günstig ist, also auch sozial“, sagte sie der „FAZ“. Dabei müsse die Regierung aber gleichzeitig zwei Ziele erreichen: Sie wolle günstige Tickets anbieten und zugleich in die Infrastruktur investieren.

Preis für Anschlussticket „zweitrangig“

SPD-Vizebundestagsfraktionschef Detlef Müller forderte Bundesverkehrsminister Wissing und die Länderverkehrsminister auf, bis Herbst einen Vorschlag zur dauerhaften Finanzierung eines „preiswerten“ Monatsfahrscheins vorzulegen. „Ob das Anschlussticket dann 39, 49 oder 69 Euro kostet, ist zweitrangig“, sagte der dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Es muss aber in einem Rahmen sein, der psychologisch wirkt und sich für Menschen lohnt, ihr Auto stehen zu lassen.“ Vorteil des Neun-Euro-Tickets sei darüber hinaus dessen „Einfachheit“.

Müller forderte eine Verständigung auf ein dauerhaftes Modell bis zu einer im Herbst geplanten Verkehrsministerkonferenz. Er plädiere für eine geteilte Finanzierung von Bund und Ländern nach dem Vorbild der Coronahilfen. Eine Klärung der langfristigen „nachhaltigen Finanzierung“ sei ihm dabei wichtiger als die Frage, ob das Angebot im November oder Januar starte. Ein preiswertes Ticket dürfe keinesfalls Ausbau und Betrieb des Nahverkehrs beeinträchtigen.

− afp