Piding/Laufen
Nur "Mikrometer" am Knast vorbei

43-jähriger Bosnier mit Einreisesperre hat vier Afghanen im Auto – Gericht glaubt seine Geschichte nicht

21.02.2021 | Stand 19.09.2023, 7:14 Uhr
Hannes Höfer

Am Laufener Amtsgericht kam der mehrfach vorbestrafte Mann gerade noch mit einer Bewährung davon. −Foto: David Ebener/dpa

Der 43-jährige Bosnier selbst hätte ebenso wenig einreisen dürfen wie seine vier afghanischen Mitfahrer, denn gegen den Gastronomen gab es eine zweifache Ausweisung der Landeshauptstadt München. Die Insassen sind allesamt in Österreich im Asylverfahren. Am Abend des 12. Oktober 2020 war die Fahrt an der Kontrollstelle Piding Nord zu Ende. Seitdem saß der Gastronom in U-Haft. Am Laufener Amtsgericht kam der mehrfach vorbestrafte Mann gerade noch mit einer Bewährung davon.

Weil er die schwangere Schwester seiner Lebensgefährtin habe abholen wollen, habe er schriftlich bei der Bundespolizei um eine Durchreisegenehmigung gebeten, berichtete der Angeklagte. Eine Antwort aber habe er nicht erhalten. Über die internationale Mitfahrer-Plattform ‚Blablacar‘ soll dann die Anfrage eines englischsprechenden Mannes gekommen sein, vier Leute bis an die deutsch-französische Grenze mitzunehmen. Die vier Afghanen in dem geräumigen Chrysler will der Bosnier erst in Salzburg aufgenommen haben und sie auch nach Papieren gefragt haben. Doch die hatten lediglich eine österreichische Asylbewerberkarte dabei.

Videoaufnahmen während der Fahrt waren von einem Afghanen jedoch bereits zwei Stunden vor der Kontrollstelle erstellt werden, so dass die Einlassung des Angeklagten insoweit widerlegt waren. Die Afghanen hatte der Angeklagte also bereits nahe Wien in seinen Leihwagen mit Wiener Kennzeichen aufgenommen. "Solche Autos werden gerne für Schleuserfahrten genommen", sprach der aufgreifende Beamte aus Erfahrung. Beim Angeklagten gefunden hatte er eine Wester-Union-Überweisung über 200 Euro. Auf dem Handy des Bosniers war eine WhatsApp-Nachricht aus Pakistan mit dem Wunsch "Good Luck" und der Bitte, er möge sich nach der Ankunft melden.

"Ist ihnen klar, um was es hier geht?", fragte Richter Christian Daubner den Bosnier, "es geht um Haft oder Bewährung". Diesen Unterschied macht nicht selten ein vollumfängliches Geständnis aus. Er habe ihm die "Spielregeln" erklärt, sagte Rechtsanwalt Hans-Jörg Schwarzer dazu. Der ermittelnde Beamte der Bundespolizeiinspektion Freilassing hatte keinen Zweifel, dass die Afghanen im Großraum Wien aufgenommen worden waren. "Bei dem Aufgriff sind alle noch genau so gesessen wie auf dem zwei Stunden vorher aufgenommen Video", berichtete der 36-jährige Beamte. Der Angeklagte aber beteuerte: "Ich kenne Bayern und ich wusste, dass hier kontrolliert wird. Ich werde doch nicht für ein paar Euro so etwas riskieren."

Drei Einträge in österreichischer Strafliste

2001 war der gut Deutsch sprechende Mann aus Deutschland ausgewiesen worden, 2017 ein weiteres Mal. Dennoch brachte er es in der Bundesrepublik auf insgesamt sechs Straftaten. Zuletzt saß er wegen Diebstahls, Urkundenfälschung und Betrugs zwei Jahre und elf Monate hinter Gittern. In der österreichischen Strafliste finden sich drei Einträge.

"Auf der Fahrstrecke wäre ausreichend Zeit gewesen, die Dokumente zu kontrollieren", meinte Staatsanwalt Gerhard Seehars, der jedoch insgesamt die Geschichte des Angeklagten durch die Zeugen widerlegt sah. Aufgrund der "erheblichen Vorstrafen" beantragte Seehars eine Freiheitsstrafe von 20 Monaten, die er gerade noch zur Bewährung aussetzen mochte. Als Geldbuße sollte der Bosnier 1000 Euro bezahlen.

"Seine persönliche Einlassung lautet unschuldig. Deshalb ist er freizusprechen", sagte sein Verteidiger, fügte aber vorsorglich hinzu: "Sollte das Gericht anderer Auffassung sein, so sind die vier Monate U-Haft Denkzettel genug." Zu einer Bewährungsstrafe brauche es keine zusätzliche Geldauflage und auch sein Handy sei nicht wirklich ein Tatmittel gewesen. Der Bosnier bat vergeblich, sein Mobiltelefon mit den vielen privaten Daten und Bildern nicht einzuziehen. "Ich habe immer zugegeben, wenn ich etwas getan habe", erklärte er weinerlich in seinem Schlusswort, "ich wollte nie mehr straffällig werden". Ein Schleuser habe ihn einfach ausnutzen wollen.

"Von dem, was sie hier zum Besten geben, glaube ich ihnen kein Wort", ließ der Richter keinen Zweifel. Nach Bewährungsversagen und einer mehrjährigen Haftstrafe tauche er nun wieder auf. Wegen Einschleusens von Ausländern, unerlaubter Einreise und unerlaubtem Aufenthalt urteilte Daubner auf ein Jahr und acht Monate. "Sie sind um Millimeter, nein um Mikrometer, an einer unbedingten Freiheitsstrafe vorbeigeschrammt", betonte der Strafrichter und warnte den Bosnier: "Noch einmal und sie sitzen das ab." Die Bewährungszeit beträgt vier Jahre, die Ausweisung gilt aktuell bis zum 7. August 2027. Zudem hat der 43-Jährige 1000 Euro an die Staatskasse zu zahlen; die Kosten des Verfahrens trägt er sowieso.