St. Anna-Kapelle in Passau
Nachwuchskünstler im Kunstverein: In der Kunst ist alles möglich

27.01.2022 | Stand 19.09.2023, 6:05 Uhr
Gabriele Blachnik

"Escape and Rescue Plan" nennt Theresa Stemplinger diese rätselvolle Installation, die in der Gruppenausstellung "Fragile Seitenlage" zu sehen ist. −Foto: Blachnik

Was bekommt ein junger Mensch, der die Bildende Kunst zu seinem Beruf machen will, mit auf den Weg, während er sich an einer Akademie oder Schule ausbilden lässt? Inwieweit lässt er sich davon beeinflussen, oder auch davon, wie der bestehende Kunstbetrieb abläuft? Die aktuelle Ausstellung beim Kunstverein Passau ist geeignet, sich neben der unvoreingenommenen Kunstbetrachtung derartige Gedanken zu machen.

Sechs Absolventen der Akademien für Bildende Kunst in Nürnberg, München und Passau stellen aus, die anschließend ein Referendariat als Kunsterzieher am Gymnasium durchlaufen haben. Die einseitige Geschlechterverteilung der 27- bis 32-jährigen Künstler ist kein Zufall. In der Ausbildung überwiegen die Frauen, im späteren Künstlerleben kommen die Männer nach vorne, weiß Anna Katharina Mader, aufgewachsen in Simbach am Inn.

Können sich die Arbeiten gegenseitig in ihrer Wirkung stützen, oder aber auch beeinträchtigen? Diese Überlegungen hätten zum Ausstellungstitel "Fragile Seitenlage" geführt, der ebenso als Hinweis auf die instabilen globalen und gesellschaftlichen Zustände gelesen werden kann.

Die optimalen Raumbedingungen des Passauer Kunstvereins in der profanierten Anna-Kapelle hat die Ausstellungsgemeinschaft jedenfalls gut genutzt und sich auf wenige ausgewählte Arbeiten beschränkt.

Manche Werke lassen sich unter dem Begriff Konzeptkunst fassen. Dabei hat der Beweggrund eines Kunstwerks Vorrang gegenüber dessen Realisierung. Genau damit wird es für den Betrachter oft schwierig. So zeigt Carolin Kühlmann eine Fotografie von einer Berglandschaft, die per se eine beeindruckende Wirkung entfaltet. Dass sie damit "die Überforderung bei der Informationsverarbeitung durch Software, Hardware oder den Menschen selbst" untersuchen will, wie es im Begleittext heißt, erschließt sich dem Betrachter eher nicht.

Benjamin Stölzl hat Rundstäbe aus Hartkunststoff und Aluminiumrohre für gewundene Skulpturen verwendet. Aus Hasenleim und geschreddertem, buntem Kunststoff hat Sophia Sandler eine Standskulptur geschaffen, in der eine Videoprojektion steckt. Der Betrachter kann durch ein Guckloch Nestlinge sehen, die von einem Elternvogel gefüttert werden.

Installationen sind für den Betrachter häufig eine Herausforderung, was auch eine Arbeit von Theresia Stemplinger beweist. Große Aufmerksamkeit und viele Fragezeigen erzeugt ihre in Lila-Rosa gehaltene Anordnung aus Stoff, Stuhl, Beistellwagen, amorphen Objekten plus Wandbild, Video und Ton.

Elektronische Techniken werden in der Kunst gerne eingesetzt. Aus Filmaufnahmen und Lichteffekten ist eine Bilderreihe von Kathrin Vogl entstanden. Die leibhaftigen Personen, die dafür getanzt haben, tauchen in ihren Videostills nur noch verfremdet schemenhaft auf.

Schließlich bietet auch Anna Katharina Mader dem Besucher kein vertrautes Terrain, obwohl sie in der Jahrhunderte alten Technik des Holzschnitts gearbeitet hat. Sie begreift den Holzschnitt selbst, der ursprünglich zum Drucken dient, als Medium. In schwarz lasierte Schichtholzplatten hat sie ihre Motive geschnitten, die Platten dazu speziell zurechtgeschnitten und anschließend zu einer raumgreifenden Skulptur zusammengefügt. Dass sie dabei von japanischer Holzschnittkunst inspiriert wurde, zeigen auch die halb natürlich, halb abstrakten Motivgewebe, die an Bäume, Unterwasserpflanzen und Gestein erinnern.

Wer junge zeitgenössische Kunst besichtigt, der darf mit allem Möglichen rechnen, quer durch die Kunstgeschichte und hinein in die Zukunft.

Gabriele Blachnik

•Zu sehen bis 13. Februar in der St. Anna-Kapelle Passau, Heiliggeistgasse 4, Di. bis So. 13 – 18 Uhr