Waging am See.
"Muss erst etwas passieren?"

Christian Schuhbeck kämpft für Verbesserung der Verkehrssituation im Gewerbegebiet Scharling

13.02.2021 | Stand 20.09.2023, 5:45 Uhr

Das Gewerbegebiet Scharling aus der Vogelperspektive. −F: G. Unterhauser, www. luftbild-traunstein. de

Christian Schuhbeck ist frustriert. "Ehrlich gesagt, hab’ ich mir schon langsam gedacht, tu dich ned obi. Da möchte man etwas bewegen und nix passiert. Und wenn, dann Retourkutschen." Seit zweieinhalb Jahren setzt sich der Waginger für eine Verbesserung der Verkehrssituation im Gewerbegebiet Scharling ein. "Die Gewerbestraße ist eine Stichstraße für die, die hier wohnen und arbeiten", sagt der Kfz-Meister mit eigenem Betrieb. Die Realität sieht jedoch anders aus: Überbreite landwirtschaftliche Maschinen, Lkw, Busse und Autolenker, die statt auf der Staatsstraße 2105 über den Kirchhallinger Berg zu fahren, die 3,20 bis 3,40 Meter schmale Straße als Abkürzung nehmen. Diese ist zwischen bzw. nach dem Kreisverkehr und der Einmündung Mühlwiesenweg und St 2105 auf 3,5 Tonnen beschränkt – land- und forstwirtschaftlicher Verkehr ausgenommen – und zudem als Radweg ausgewiesen.

Weil seine Bemühungen vor Ort nicht fruchteten, hat der Familienvater beim Landtag eine Petition eingereicht. Die wurde abgelehnt, da die Forderung nach einem Geh-/Radweg von der Gemeinde derzeit ohnehin geprüft werde. Schuhbecks Schreiben enthielt mehrere Lösungsvorschläge. Die Straße verbreitern und einen Geh-/Radweg errichten, die Straße zur Staatsstraße 2105 hin komplett sperren oder als "Anlieger frei" auszuweisen "und auch öfter mal kontrollieren zu lassen". Wobei Schuhbeck klar ist, dass man nicht sagen könne, "liebe Polizei, stoppt’s mal welche, denn dann ist natürlich nichts. Aber sehen tu’ ich täglich genug." Die letzten zwei Jahre habe er bereits des Öfteren dem Ordnungsamt sowie Wagings Bürgermeister die Sachlage geschildert und Bilder von Verstößen gemacht, "damit man sieht, dass teilweise zehn bis 15 Lkw am Tag durchfahren. Leider nicht nur Lieferanten, sondern auch welche, die nur den Kirchhallinger Berg abkürzen wollen. Da die Straße nicht breit genug ist, haben Fußgänger, Radfahrer sowie Autofahrer keinen Platz, wenn Lkw-Fahrer die für sie eigentlich gesperrte Straße nutzen."

Volle Kipper, Häcksler und Pressen

Problem sei, so Christian Schuhbeck, dass land- und forstwirtschaftlicher Verkehr freigegeben ist, und somit aber nicht nur die anliegenden Bauern diesen Weg nutzten, sondern auch die Lohnunternehmer, zum Beispiel Lieferanten für Biogasanlagen, sowie Landwirte, die von weit außerhalb kämen, um den Kirchhallinger Berg zu umfahren. "Von den 20 Bauern, die hier durchbrettern, ist es gerade mal einer, der in der Nähe Flächen bewirtschaftet." Und bei den Autos ist sowieso jedes zweite, dritte fremd".

Christian Schuhbeck hat schon öfter "brenzlige Situationen" zwischen den Verkehrsteilnehmern erlebt. Insbesondere die "schwächeren" Fußgänger sowie Radfahrer würden sich in Gefahr begeben. "An schönen Tagen befahren an die 200 Radler die Straße. Da handelt es sich nicht um das eine oder andere zufällige Zusammentreffen mit Lastwagen, vollen Kippern, Häckslern und Pressen." Für Schuhbeck erschwerend hinzu kommt auch die schmale Ein- und Ausfahrt zur Staatsstraße 2105. "Es gibt immer wieder Auffahrunfälle, weil Autos, Traktoren und Lkw nicht raus- oder reinkommen, da die Fahrbahnbreite maximal ein Fahrzeug zulässt. Zudem fangen andere an, von hinten die Sperrlinie zu überfahren", wie er beobachtet hat.

"Muss erst etwas passieren?", fragt sich der Waginger. Wie der Kampf David gegen Goliath, Mensch gegen Maschine, ausgehe, habe man doch im Herbst gesehen, als eine Radlerin in der Bahnhofstraße vor ein Traktorgespann stürzte. "Der Fahrer ist eine dreiviertel Stunde vorher bei uns vorbei, hinter zwei Radlern", so Schuhbeck, "den hab’ ich zufälligerweise fotografiert". "Der Unfall war medizinisch bedingt, die Frau hatte gesundheitliche Probleme", sagt Laufens Polizeichef Erwin Wimmer, "den Traktorfahrer trifft keine Schuld". Man könne dieses Beispiel nicht heranziehen, "das würde ja heißen, Birnen mit Äpfeln zu vergleichen". Mit der Situation an der Staatsstraße 2105 sei man aber in der Tat "nicht glücklich". Der Verkehrssachbearbeiter der Inspektion habe sich bereits mehrfach mit der Thematik befasst, so Wimmer. Aufgrund der von Schuhbeck eingereichten Petition musste Jörg Tiedke eine Stellungnahme nach München abgeben. "Die Abzweigung zuzumachen, ist ursprünglich auch so vom Staatlichen Bauamt diskutiert worden", erklärt Tiedke gegenüber der Redaktion. Das sei aber nicht erfolgt, weil der Markt Waging nicht mitgezogen habe. Vom Bauamt angeregt, gebe es aber zumindest an dieser neuralgischen Stelle keinen Hinweis auf das Gewerbegebiet. Dass Anlieferer und Landwirte den Weg über den Kirchhallinger Berg "abkürzen" wollen, sei gängiges Problem, so Tiedke. Und mit Anwohnern sei es öfter so: "Interessanterweise sollen alle anderen nicht fahren, sie aber schon." Dass er wegen der Petition eine Stellungnahme abgeben musste, war für den Verkehrssachbearbeiter übrigens eine Premiere. "Dass das so einfach geht, eine einzureichen, hätte ich nicht gedacht."

"Es werden einem nur Steine in den Weg gelegt"

"Nachdem sämtliche Vorstöße bei Bürgermeister und Ordnungsamt nichts genutzt haben, war das für mich der letzte Weg", sagt Christian Schuhbeck. "Ich hab’ mich in den letzten Jahren so geärgert, es ging einfach nicht mehr anders." Sauer aufgestoßen ist ihm auch die Aufforderung im Oktober, die von ihm abgelegten Findlinge entlang der Gewerbestraße zu entfernen. Ihm sei es nur darum gegangen, die Sicherheit zu verbessern. Die Steine selbst habe er auch nicht als "besonders ästhetisch" empfunden. Die Grünstreifen daneben habe er immer selbst gepflegt, um die Mitarbeiter im Bauhof zu entlasten. "Interessant ist doch, dass ich bereits vor anderthalb Jahren aufgefordert worden bin, die Steine wegzunehmen oder die Sachlage mit dem Bauhof zu besprechen. Und dort habe es geheißen, "bloß stehenlassen, sonst fahren noch mehr ungebremst durch, es wird gefährlicher, ihr habt’s den Dreck auf der Straße und wir müssen alle zwei Wochen das Bankett reparieren." Und nun sollte das nicht mehr gelten?, so Schuhbeck, der die Findlinge natürlich wegräumte, sich aber dennoch wundert, dass die am Kreisverkehr stehenbleiben durften. "Es werden einem wirklich nur Steine in den Weg gelegt", sagt er ironisch. Auch eine Unterschriftenaktion ließ sich der Waginger einfallen. "In 14 Tagen waren das um die 70 bis 80, auch von den Nachbarn im Gewerbegebiet, eine Firma schrieb selbst an die Gemeinde, dass der Zustand so nicht haltbar sei."

"Wir werden nicht auf Zuruf reagieren", sagt Wagings Bürgermeister Matthias Baderhuber, "und wenn 100 Leute auf der Liste stehen. Wir hören auf die Fachleute." Im August habe es eine Verkehrsbesichtigung gegeben, die Petition sei im Nachhinein eingereicht worden. "Wir werden uns mit dem Thema beschäftigen. Aber was den landwirtschaftlichen Verkehr betrifft, gibt es eine klare Empfehlung des Staatlichen Bauamtes." Dazu dessen Vertreter Martin Bambach: "In der Tat. Wir waren anfangs anderer Meinung, aber der frühere Bürgermeister Daxenberger hat mich überzeugt, dass es sinnvoller ist, den landwirtschaftlichen Verkehr vorm Kirchhallinger Berg von der Staatsstraße wegzubringen. Die Abzweigung nicht zuzumachen."