Campen für Olympia

Turnerin Fritzi Massakomis möchte 2028 zu den Spielen nach Los Angeles – die Eltern schlafen dafür auch im Wohnwagen

13.02.2021 | Stand 25.10.2023, 11:00 Uhr

Konzentriert auf ihre Ziele: In diesem Jahr will sich Fritzi Massakomis bei den Deutschen Jugendmeisterschaften an allen Geräten und im Mehrkampf in die Top 5 turnen – dafür trainiert die 13-jährige Simbacherin mehrmals in der Woche im GYM Tittmoning. −Foto: Christian Butzhammer

Simbach. Über Tittmoning nach Los Angeles: Die Simbacher Turnerin Fritzi Massakomis (13) möchte bei den Olympischen Spielen 2028 in Kalifornien an die Geräte gehen. Auf dem Weg dorthin hat die Realschülerin, die im GYM Tittmoning trainiert, den nächsten Schritt gemacht, seit Anfang des Jahres zählt sie zum Kader der Deutschen Juniorinnen-Nationalmannschaft. Und auf ihrem "Trip to LA" unterstützen ihre Eltern Daniela (48) und Rainer (59) die Sportlerin mit Herz und Hirn – und wurden dafür sogar zu Dauercampern am Leitgeringer See.

Um im Englischen zu bleiben: Turnen und Campen ist für Familie Massakomis eine echte "Win-Win-Situation", denn während die Tochter vier Stunden in der Trainingshalle Salti schlägt, Tsukahara turnt oder von Holm zu Holm fliegt, müssen sich die Eltern ja auch irgendwie die Zeit vertreiben. Und dies fast jeden Tag, denn Fritzi trainiert fünf bis sechsmal die Woche. In Tittmoning.

"Mein Sport verlangt Disziplin"

"Wir fahren eine Stunde hin – und eine Stunde zurück", lässt Mutter Daniela den Aufwand erahnen. Wegen Corona verschärfte sich im vergangenen Jahr die Lage für sie. "Im GYM gibt’s zwar einen Aufenthaltsraum, aber den durfte ich nicht nutzen." Und daher entschlossen sich die Eltern der talentierten Sportlerin, einen älteren Wohnwagen samt Vorraum mit Vorzelt, der auf dem Campingplatz am Leitgeringer See stand, in Form zu bringen und den Standplatz als Dauercamper zu mieten. "Es ist herrlich am See", sagt die Mutter und auch Fritzi hat es im vergangenen Sommer genossen, nach schweißtreibenden Einheiten auf dem Schwebebalken oder nach x Sprüngen noch in den See zu hüpfen. "Das ist ein Moorsee, ideal für die Gelenke", sagt Daniela Massakomis.

Und Fritzis Gelenke müssen in Form bleiben, denn mit ihrer Heim-Trainerin Natalie Pitzka übt sie – wie gesagt – fast jeden Tag. "Mein Sport verlangt Disziplin", sagt die 13-Jährige. Natürlich ist die Freude aufs Training nicht jeden Tag auf dem höchstem Level, aber für Fritzi gibt’s da kein Pardon. "Ich trainiere immer in jeder Einheit an allen vier Geräten. Keine Lust, das gibt’s nicht. Niemals, ich habe ja ein Ziel." Was sich vielleicht nach Schinderei und Tortur anhört, ist jedoch größtenteils die Freude an der Bewegung.

"Turnen macht mir einfach ganz großen Spaß", sagt die Niederbayerin, die bei den Deutschen Jugend-Meisterschaften 2020 die Bronzemedaille am Boden holte. Sich auf der 12 mal 12 Meter großen Wettkampffläche zu bewegen, gehört zu ihren Lieblingsübungen. "Dieses Gerät macht mir eigentlich am meisten Spaß, denn am Boden gibt’s akrobatische Elemente und ich kann mich rhythmisch zur Musik ausdrücken", schwärmt das junge Mädchen.

Ideale Bedingungen findet sie dafür im GYM Tittmoning, einer Trainingshalle, die 2017 der einstige Pharma-Unternehmer Andreas Greither im 6000-Seelen-Städtchen an der Salzach baute. Für etwa eine Million Euro. Für seine drei Töchter. "Wir sind sehr, sehr zufrieden mit dieser Trainingsstätte", sagt Daniela Massakomis. "Wenn es ein neues Gerät gibt, das besser für die Mädchen ist, wird es gekauft." Und daher entspricht nicht nur der Boden im GYM den Olympia-Standards. Diese Investitionen haben sich ausgezahlt, das GYM ist inzwischen die Hochburg der Turnerinnen in Bayern, der heimische TSV 1861 Tittmoning steht mit zwei Mannschaften in der 1. und 2. Bundesliga. Und da turnt Fritzi natürlich mit. In der Bundesliga. Oder wie es richtig heißt: in der Deutschen Turn-Liga.

Und weil Fritzi in der Beletage des deutschen Turnsports und der Nationalmannschaft mitmischt, gehört auch eine Vormittags-Einheit pro Woche zum Trainingspensum, das verlangt der Deutsche Olympische Sportbund. Und die Schule? "Die Realschule Simbach unterstützt Fritzi, wo sie nur kann", dankt Daniela Massakomis allen voran Schulleiter Alexander Leibelt und dessen Konrektor Harald Schuster. Fritzi geht in die 8. Klasse, wird aber für alle Trainingseinheiten oder Wettkämpfe freigestellt. "Das ist klasse", sagt die Mutter, "ohne die Hilfe der Schule könnte Fritzi ihren Sport nicht in dieser Form betreiben" – und auch nicht Erfolge feiern.

Überraschend: Sport ist nicht das Lieblingsfach der Spitzensportlerin, eher Englisch und Religion. "Der harte Hallenboden oder Sport mit einem Ball, das macht doch keinen Spaß", sagt Fritzi mit einem Lachen, die von einer Sportlehrerin sogar mal "veräppelt" wurde. Für Fritzi und ihre Mitschüler stand Turnen auf dem Programm "und die Lehrerin hat mit dann eine Zwei gegeben, aber war ja nur Spaß" – als bestünde überhaupt ein Zweifel daran, dass eine fünffache Bayerische Meisterin 2020 da nicht mit der Note 1 nach Hause geht.

Die Schule muss ihrer Ausnahme-Athletin in diesem Jahr nun vielleicht für weitere Bundes-Lehrgänge unterrichtsfrei geben. Im vergangenen Jahr ging’s für Fritzi sieben Mal zu einem Lehrgang nach Frankfurt an den dortigen Olympia-Stützpunkt Hessen. Für jeweils fünf Tage. Für 2021 steht zudem noch ein Trainingslager in Schweden im Kalender, das wegen Corona jedoch noch nicht genau terminiert ist. Apropos Pandemie: "Homeschooling kommt mir entgegen", sagt die Schülerin, die den Schulstoff natürlich nacharbeiten muss – ohne Fleiß auch in der Schule kein Preis.

Realschule Simbach unterstützt bestens

Wäre ein Sport-Internat – möglich in Stuttgart oder Chemnitz – da für die Innstädterin nicht die attraktivere Option, um Spitzensport und Schule noch besser unter einen Hut zu bekommen? "Nein", sagt die Mutter, "die Kinder brauchen in diesem Alter noch die emotionale Nähe zu ihrer Familie und ein Umfeld, das Geborgenheit bietet – und das geben wir ihr", sagt Mutter Daniela. Die Leistungssportlerin selbst drückt es anders aus: "Ich schlafe besser in meinem eigenen Bett."

Zu den Lehrgängen wird die 13-Jährige von ihrer Trainerin Natalie Pitzka begleitet, bei Wettkämpfen fern der Heimat auch von Daniela Massakomis. "Ist doch selbstverständlich." Im für Fritzi wichtigsten Wettkampf des Jahres, den Deutschen Jugendmeisterschaften, wird die junge Simbacherin Mitte Mai ihre Künste beim Sprung, am Stufenbarren, am Schwebebalken und auf dem Boden zeigen können, der Austragungsort steht wegen Corona indes noch nicht fest. Ihr Ziel dafür: "An allen Geräten und im Mehrkampf in die Top 5." Im Hause Massakomis freut man sich jedenfalls auf die nationalen Titelkämpfe – ebenso wie auf einige entspannte Stunden am Leitgeringer See. Beim Campen für Olympia.