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Missbrauchsgutachten: Passauer Bischof Oster verteidigt Benedikt

30.01.2022 | Stand 22.09.2023, 3:00 Uhr

Es ist ein sehr persönlicher Text, den Bischof Stefan Oster als Privatmann verfasst und auf seinem Blog im Internet veröffentlicht hat. −Archivbild: PNP

Der Passauer Bischof Stefan Oster verteidigt den emeritierten Papst Benedikt XVI. im Zusammenhang mit dem Münchner Missbrauchsgutachten.



Mehr Berichte zum Leben des emeritierten Papstes Benedikt XVI lesen Sie auch auf unserer Sonderseite.

"Und er ist in meinen Augen auch für die Kirche von Passau immer noch einer ihrer größten Söhne - und wird es bleiben." Das ist der letzte Satz eines umfangreichen Textes, den der Passauer Bischof Stefan Oster am Sonntag auf seinen Blog im Internet gestellt hat.

Es ist ein sehr persönlicher Text, den der Bischof als Privatmann verfasst hat. Es gibt dazu keine Mitteilung des Bistums. In dem Text bricht Oster eine Lanze für den emeritierten Papst Benedikt XVI. Es handelt sich dabei um eine Gegenposition zu den aktuellen Äußerungen in zahlreichen Medien bezüglich der Rolle Benedikts in dem Gutachten über sexuellen Missbrauch in der Erzdiözese München Freising.

Entscheidende Fehler der Mitarbeiter

Der Bischof zeigt sich mehr als verwundert über eine "medial so großgemachte Geschichte mit der angeblichen Lüge eines 94-jährigen Mannes". Oster weist darauf hin, dass schon in der umfassenden Biografie Benedikts aus der Feder von Peter Seewald festgestellt werde, dass Erzbischof Joseph Ratzinger in der entscheidenden Sitzung im Jahr 1980 dabei gewesen sei, als es um die Aufnahme des Missbrauchstäters H. aus der Diözese Essen in München ging. Der Erzbischof habe dem Ansinnen zugestimmt, dass sich H. in München einer Therapie unterziehen könne. Das heiße aber, so Oster, "dass Benedikts Beteiligung an dem verhängnisvollen Vorgang damit längst öffentlich dokumentiert war, noch ehe Dr. Ulrich Wastl diese Beteiligung der Weltöffentlichkeit als Neuheit präsentiert hat. Und ebenso war schon bekannt, dass es in dieser Sitzung nicht um einen Einsatz von H. in der Seelsorge ging, sondern um dessen Aufenthalt zur Therapie in München."

Könne nicht erkennen, dass Benedikt habe vertuschen wollen

In der 82-seitigen von Benedikt unterschriebenen Einlassung zum WSW-Gutachten sei zu lesen gewesen, dass er genau bei dieser angesprochenen Sitzung nicht dabei gewesen sei. Für Oster "ein fataler Fehler, denn so konnte die WSW-Kanzlei Benedikt in einer für alle entscheidenden Angelegenheit der Unwahrheit überführen". Benedikts knappe öffentliche Korrektur dazu mit der Rede von einem "Versehen" bei der "redaktionellen Bearbeitung" mache deutlich, dass sich der emeritierte Papst offenbar auf Mitarbeiter verlassen habe, die ausgerechnet im entscheidenden Punkt einen entscheidenden Fehler begangen hätten. Man habe in diesen Einlassungen den emeritierten Papst gegen alle nur irgend möglichen Anschuldigungen mit juristischen Mitteln möglichst untadelig aussehen lassen wollen. Für Oster ist klar, dass ein solches Vorgehen angesichts der heutigen Lernerfahrungen in Sachen Missbrauch nicht mehr greife. "Zu sehr waren und sind wir alle auch Teil eines Systems - und Erzbischof Ratzinger war es damals auch. Und in diesem System gab es allzu lange tatsächlich fast kein Interesse am konkreten Schicksal von Menschen, die vom Missbrauch betroffen sind und kaum Kenntnis über ihre Geschichten." Letzteres, so betont Oster gelte auch für die Ordensgemeinschaften.

Die anderen drei Fälle, die Ratzinger als Fehlverhalten angelastet würden, zeugten "von einem damals üblichen Umgang mit diesen Fragen und den beteiligten Personen". "Üblich" heiße nicht, dass man es heute gut finden könne. Oster betont, er könne nicht erkennen, dass Benedikt habe vertuschen wollen. "Freilich ist damit immer noch nicht berücksichtigt, welche Folgen manches Versäumnis dennoch für die Opfer hatte." Er sei gespannt auf die von Benedikt angekündigte weitere Einlassung zum Gutachten.

"Meine Wertschätzung bleibt unverändert"

Die Skandalisierung über die "vermeintliche Lüge" falle jetzt medial voll auf Benedikt zurück und solle sein gesamtes Lebenswerk diskreditieren. Der Bischof fragt: "Wenn Sie und ich einen Menschen auch persönlich gern haben - und sehen, dass ein Fehler passiert ist, für den er Verantwortung hat (ob er ihm persönlich anzulasten ist, lasse ich offen, siehe oben), würden wir dann öffentlich den Stab über ihn brechen? So wie es weite Teile der inner- und außerkirchlichen Öffentlichkeit jetzt tun? Bis hin zu der aus meiner Sicht ungehörigen Forderung, ihm nun sogar Ehrenbürgerwürden abzuerkennen?" Oster fragt nach den Motiven: ob man die Kirche als Ganzes treffen oder innerkirchlich für "eine ganz andere Kirche" sorgen wolle.

Er fragt weiter, ob man einem Menschen wirklich gerecht werde, wenn man im Geist einer erregten Öffentlichkeit und einer darin dominanten Moralauffassung ein so schnelles moralisches Gesamturteil über sein Leben spreche. Für den Bischof steht außerdem im Raum, ob das Ganze nicht einfach nur ein weiteres Beispiel im unaufhaltsamen Spiel inzwischen üblich gewordener medialer Empörungskultur sei, dem übermorgen schon das nächste folge. Oster: "Ich sehe den oder die Fehler, ich sehe den alten Mann und ich sehe seine Lebensleistung (auch in der innerkirchlichen Bekämpfung von sexuellem Missbrauch!) – und meine sachlich begründete Wertschätzung für ihn bleibt dadurch unverändert."