Halb weiße Unschuld, halb dunkle Nightlife-Entertainerin. Ihren Auftritt in der Pockinger Stadthalle gestaltete die dänische Sängerin Gitte Haenning zweigeteilt. Die erste Hälfte des Programms "Was ihr wollt" gehörte ihrer Vergangenheit als Schlagersängerin. Lieder wie "Lampenfieber", "Die Frau, die dich liebt" oder das wunderbar ironische "So schön kann doch kein Mann sein" präsentierte sie teils rockig, teils poppig modern in erfrischenden Arrangements. In ein weißes Ballonkleid gehüllt, überzeugte sie stimmlich voll. Dennoch litt der Auftritt unter einer innerlichen Anspan-nung. Der berühmte Funke zum Publikum wollte nicht recht überspringen. Im nicht voll besetzten Saal spendeten die vorwiegend weiblichen Zuhörer eher höflichen, als begeisterten Applaus. Damit reagierten sie auf die permanent nesteltende Unsicherheit, die Haenning mit spärlichen Gesten nur unzureichend überspielen konnte. Es fehlte schlicht an Kontakt, denn Haenning las die meisten Texte vom Blatt ab, das vor ihr auf dem Notenpult lag. Mit dem Outfit spielte sie auf ihr Wunschbild Clown an. Die darin enthaltene Leichtigkeit und "sanfte Melancholie" aber – die Intendant Peter Baumgardt in seiner eingehenden Begrüßung beschwor – ließ sie ein wenig vermissen.
Das änderte sich im zweiten Teil komplett. Als Haenning im schwarzen Kleid Swingstandards und Jazzsongs wie "How High The Moon" und "All Of Me" kraftvoll, mitreißend auf englisch sang, wirkte sie wie befreit. Ohne Blatt wurde sie auf einmal authentisch, packend und strahlte das aus, was sie zuvor mit ihrem feministisch ange-hauchten Hit "Ich will alles" noch bemüht reklamierte. Getragen wurde Haenning dabei von ihrer Band mit vier exzellenten Musikern. Diese bewegten sich von Pop über Jazz bis Reggae und tanzbaren Folkmelodien wie Fische im Wasser quer durch Stile und Genres in bester Spiellaune und sprühender Solistik. Das entschädigte für jede anfängliche Schwäche. Klasse!
