Nach einer wahren Begebenheit
Mama ist ein Junkie: "Platzspitzbaby" im Kino + Trailer

17.11.2021 | Stand 25.10.2023, 11:50 Uhr

Flüchtet sich in eine Traumwelt: Mia (Luna Mwezi) mit ihrem imaginären Freund Buddy (Delio Malär). −Foto: Alpenrepublik GmbH

Es war ein trauriges, heute unvorstellbares Szenario: Mitten in Zürich, einer der reichsten Städte Europas, spritzten sich Abhängige unter den Augen von Passanten Heroin. In einem kleinen Park nahe des Hauptbahnhofs, dem Platzspitz, und später auf dem Gelände eines stillgelegten Bahnhofs, trafen sich in der Schweizer Bankenstadt bis zur Auflösung der offenen Drogenszene 1995 Tausende Abhängige, kauften und konsumierten Drogen.

Anders als die deutsche Filmografie "Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", die das Elend jugendlicher Schwerstsüchtiger zeigt, schildert "Platzspitzbaby", ebenfalls angelehnt an eine wahre Geschichte, das tragische Schicksal aus Sicht eines Kindes einer drogensüchtigen Mutter.



In authentischen, rohen Bildern erzählt Regisseur Pierre Monnard in seinem knapp zweistündigen Coming-Of-Age-Drama von Ex-Junkie Sandrine (Sarah Spale), die mit ihrer Tochter Mia – Neuentdeckung Luna Mwezi brilliert mit ihrer eindringlichen Darstellung – in einem verschlafenen Provinznest neu anfangen will. Doch die junge Frau wird rückfällig und vernachlässigt ihre Tochter.
Im nüchternen Zustand versucht Sandrine, Mias Zuneigung mit einer wilden Piratenromantik zu gewinnen. Die Elfjährige entflieht der Realität in eine Fantasiewelt. Völlig verzweifelt kauft sie Rubellose, um gemeinsam mit ihrer Mutter auf einer Insel, fernab von Drogen, ihr Glück zu finden. Doch so sehr sie auch rubbelt, sie bleibt in ihrer Misere gefangen.
Mutter und Tochter verheddern sich zunehmend in einer destruktiven Beziehung, tauschen ihre Rollen. Die schutzbedürftige Mia kümmert sich um den Haushalt der verwahrlosten Wohnung, tröstet unter Tränen ihre Mutter und besorgt sogar Stoff für sie. Derweil sind die Behörden komplett überfordert, der abwesende Vater ist hilflos. Ein Teufelskreis, der schwer mitanzusehen ist.
Der bewegende Spielfilm avancierte zu einem der erfolgreichsten Schweizer Filme des vergangenen Jahres. Die detailverliebte Ausstattung sorgt für ein authentisches Setting. Wichtige Nebenfiguren werden zwar plakativ dargestellt, insbesondere die grimmigen Drogenabhängigen wirken wie Zombies, doch das einfühlsame Drama macht das Leid hinter der alles verschlingenden Sucht deutlich spürbar.

Schweiz 2020, Regie: Pierre Monnard, Luna Mwezi, Sarah Spale, Anouk Petri, 100 Minuten, frei ab 12 Jahren