Burgenfestspiele Niederbayern
Kritik zu Verdis "Macht des Schicksals" am Landestheater in Passau

In Passau hat das Landestheater Niederbayern seine Burgenfestspiele begonnen – Jubel für Verdis "Macht des Schicksals" unter freiem Himmel

20.09.2022 | Stand 20.09.2023, 22:47 Uhr

Der malerische Burghof der Veste Oberhaus in Passau wird einmal im Jahr Schauplatz der Burgenfestspiele Niederbayern. −Foto: Meisenberger

In diesem Ambiente gelten andere Maßstäbe, da wird manches eine Spur unwichtiger: Welche Theaterkulisse sollte auch ernsthaft konkurrieren mit der Kulisse der Veste Oberhaus in Passau? Wer den steilen Aufstieg hoch zur Burg vielleicht gar zu Fuß gemeistert hat, wer die Alphornbläser gesehen und gehört hat, die ihre Weisen über die Altstadt hinweg geschickt haben, wer mit Kuscheldecke und Getränk im Burghof Verdis "Forza" lauscht, der legt an diesem Abend unter Umständen aufs Regiekonzept gar nicht den Riesenwert.

Die Atmosphäre ist der Star beim Auftakt der Burgenfestspiele des Landestheaters Niederbayern am Samstagabend. Wobei der Stoff der Sommernachts-Oper im krassen Gegensatz zur azurblauen Leichtigkeit des Himmels steht: Leonora liebt Alvaro, der Vater will es verhindern, Alvaro tötet versehentlich den Vater, die Liebenden fliehen, landen getrennt voneinander im Kloster, doch Leonoras Bruder will blutige Rache. Man ahnt, das wird nicht gut ausgehen, und davon künden schon am Einlass die schwarz gewandeten und maskierten Rabengestalten, die grußlos kalten Tod in die Luft starren. Übrigens: Da draußen keine Übertitel möglich sind, empfiehlt es sich, das italienische Libretto und die deutsche Übersetzung schon zu Hause zu studieren. Sängerisch ist "La Forza del destino" (Die Macht des Schicksals) eine Wucht, gerade in den Hauptpartien. Sopranistin Yitian Luan ist die Passauer Edelbesetzung für Partien wie Lucrezia Borgia, Anna Bolena, Cio-Cio San und zuletzt Elisabetta in "Roberto Devereux". Als Leonora kostet sie mit unaufdringlicher Strahlkraft Verdis Emotionsamplitude voll aus. Ihre innigen Soli im Piano wie das "Freudig geh ich voran zu Gott", nur von Harfe begleitet, sind die heimlichen Höhepunkte der an rauschhafter Musik durchaus reichen Partitur.

Der intensive Tenor von Konstantinos Klironomos als Alvaro könnte noch mehr Geschmeidigkeit und Italianità vertragen, so wie sie Bariton Julian Younjin Kim als Don Carlo voluminös, sonor-bassig und herrlich sprachlebendig bietet. Peter Tilch glänzt als komödiantischer Mönch-Aktivposten Melitone, Reinhild Buchmayr als Kanonen-reitende und Soldaten anwerbende Sexbombe Preziosilla.

Erstaunlich gut gelingt das knifflige Zusammenspiel: Generalmusikdirektor Basil Colemans Dirigat und der Klang der Niederbayerischen Philharmonie werden aus dem Orchesterzelt auf die Bühne übertragen, der von Eleni Papakyriakou studierte Chor liefert mit Ausnahme der Bettlerszene Präzisionsarbeit.

Margit Gilchs erste Opernregie und Dieter Eisenmanns Ausstattung mit Duschwand-artiger Kulisse und Kostümen zwischen Oberschicht und Bundeswehr tun das, was die Burg als Schauplatz verlangt: Sie reihen sich zurückhaltend ins zweite Glied. Das Publikum dankt mit Jubel und Bravorufen.

Raimund Meisenberger

Wieder am 16. und 17. Juli, Karten: landestheater-niederbayern.de