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Klimaforscher Latif kritisiert Weltklimakonferenz: „Keine Durchbrüche“

05.11.2022 | Stand 22.09.2023, 3:44 Uhr

Mojib Latif, Klimaforscher und Meteorologe. −Foto: Ulrich Perrey/dpa

Klimaforscher Mojib Latif hat sich resigniert über den Nutzen der am Sonntag in Scharm el Scheich beginnenden 27. Weltklimakonferenz geäußert: „Da werden keine Durchbrüche erzielt“.

Die Aktivistin Greta Thunberg wirft dem Weltklimagipfel COP27 „Greenwashing“ vor, also Täuschung, und fährt nicht hin. Hat sie recht?
Mojib Latif: Zumindest sind die Konferenzen nicht zielführend, da hat sie recht. Ich fahre auch nicht nach Ägypten, weil ich keinen Sinn darin sehe. Das ist nun die 27. Weltklimakonferenz und was ist das Ergebnis bis jetzt: Dass der weltweite CO2-Ausstoß explodiert ist. Es wird immer so getan, als ob bei diesen Konferenzen Großes passiert. Ich aber bin ein Mann der Zahlen und kann das anhand der Emissionen nicht erkennen.

Was erwarten Sie von der Konferenz?
Latif: Ich wüsste nicht was! Da werden keine Durchbrüche erzielt, die ihren Namen wirklich verdienten. Was da passiert, basiert ausschließlich auf Freiwilligkeit. Das galt auch für die umjubelte Pariser Konferenz 2015, bei der alle Staaten auf den Tisch legten, was sie freiwillig bereit waren, zu tun. Und das wurde in Windeseile von den Ländern ratifiziert. Doch wenn man zusammenzählt, was sie versprochen hatten, dann reicht das hinten und vorne nicht. Dann landet man eher bei drei Grad Erderwärmung, jedenfalls nicht bei deutlich unter zwei Grad oder gar 1,5 Grad, wie es in dem Abkommen heißt. Seitdem geht es darum, diese sogenannte „Ambitionslücke“ zu schließen – mit geringem Erfolg. So werden dieses Jahr die Emissionen vermutlich wieder anwachsen und wir werden einen neuen historischen Rekord beim CO2-Ausstoß erleben. Deshalb kann ich Greta Thunberg unheimlich gut verstehen. Was da gemacht wird, ist in erster Linie, Papiere mit wenig Substanz zu produzieren, die dann als großer Fortschritt gefeiert werden.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Entwicklung beim Klimaschutz: Stagnation, Rückschritt oder geht es zumindest ein bisschen voran?
Latif: Ja, ein bisschen was geht schon voran. Und zwar in dem Sinne – ein schwacher Trost – dass die Emissionsanstiege nicht mehr so steil sind, wie es mal war. Die Zuwächse flachen etwas ab. Aber das reicht natürlich überhaupt nicht. Selbst, wenn wir keinen Anstieg mehr hätten, auf dem heutigen Niveau der CO2-Emissionen blieben, würde der Gehalt des Treibhausgases in der Atmosphäre weiter steigen. Das ist wie mit den Staatsschulden: Wenn Sie nächstes Jahr genauso viel Schulden wie dieses aufnehmen, wächst der Schuldenberg dennoch an. Wir müssen den Ausstoß schnell und drastisch senken, wenn wir den Zielen des Pariser Klimaabkommens näherkommen wollen.

Wenn es in einer Überschrift zur COP27-Konferenz heißt „Schaffen wir noch das 1,5 Grad-Ziel?“: Ist das überhaupt noch im Bereiche des Möglichen?
Latif: Das 1,5 Grad-Ziel können Sie abhaken. Ich sehe im Moment, ehrlich gesagt, auch nicht die zwei Grad. Es gab kürzlich einen Bericht der UN, in dem es hieß, 2,5 Grad, das könne man noch schaffen, wenn alle gemachten Versprechungen wirklich eingehalten werden, woran ich aber nicht glaube. Ich gehe davon aus, dass wir das Pariser Klimaabkommen nicht einhalten werden. Seit 2015 sind schon einige Jahre vergangen und danach ist der CO2-Ausstoß sogar noch weiter gestiegen, und nur einmal gesunken, im Corona-Jahr 2020.

Ist der Klimaschutz ein großer Verlierer der durch den Ukraine-Krieg zugespitzten Krisenlage in der Welt?
Latif: Ja und Nein. Kurzfristig ist das in der Tat der Fall. Deutschland ist dafür ein gutes Beispiel. Denn hier kommen jetzt auch wieder vermehrt dreckige Kohlekraftwerke zum Einsatz und es wird über Fracking diskutiert. Wir gehen also rückwärts. Langfristig aber, das ist zumindest meine Hoffnung, könnten sich immer mehr Länder darum bemühen, unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu werden, weil sie mit denen erpressbar sind. Es könnte jedenfalls langfristig aus dieser momentanen Lage heraus einen Schub geben für den vermehrten Einsatz der Erneuerbaren.