Architektur aus Beton
Kirchen wie Gebirge: Gottfried Böhm wird 100

22.01.2020 | Stand 20.09.2023, 1:24 Uhr
Christoph Driessen

Wie ein Gebirge erhebt sich die Kirche "Maria, Königin des Friedens" in Velbert-Neviges in Nordrhein-Westfalen, davor steht ein Pilgerzenttrum. −F.: Horst Ossinger/dpa

Anfang der 60er Jahre entschied das Erzbistum Köln, im Wallfahrtsort Neviges bei Düsseldorf einen großen neuen Pilgerdom zu bauen. Erzbischof Josef Frings – legendär, weil er den Kölnern kurz nach dem Krieg das Klauen von Nahrung und Kohle erlaubt hatte – war schon fast blind und konnte die Entwürfe nur eingeschränkt wahrnehmen. Ein Modell allerdings faszinierte ihn: Er tastete es ab, und es fühlte sich an wie ein zerklüftetes, schroffes Gebirge.

Dieser Entwurf musste es sein! Der Kardinal setzte das durch. Heute pilgern deutlich weniger Gläubige nach Neviges als in den 60ern, aber umso mehr Architekten. Denn der Wallfahrtsdom des Gottfried Böhm, den bei seiner Einweihung viele als Zumutung empfanden, gilt heute als Offenbarung. Heute feiert Böhm seinen 100. Geburtstag.

Böhm, der in Offenbach geboren wurde und in Köln aufwuchs, ist der Sohn des Architekten Dominikus Böhm (1880–1955). Das Architekturforum und Museum Moderner Kunst Passau zeigten 2017/18 die Familienschau "Die Böhms". Böhms bedeutendster Profanbau ist das Rathaus von Bensberg bei Köln. Auch wieder ein Berg aus Beton, den Böhm brutal auf die Reste der mittelalterlichen Burganlage setzte. Böhm hat fast nur in Deutschland gebaut, aber er wurde international wahrgenommen. So erhielt er 1986 den Pritzkerpreis, der als weltweit wichtigste Architektenauszeichnung gilt. Als einzigem Deutschen außer ihm wurde dies bisher nur noch Frei Otto (1925–2015) zuteil.

Christoph Driessen

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