"Nie zuvor so stolz"
Kate Winslet: Lesbische Liebesszenen in "Ammonite"

02.11.2021 | Stand 21.09.2023, 6:21 Uhr
Barbara Munker

Leidenschaft in einer zugeschnürten Welt: Kate Winslet (r.) als Mary Anning und Saoirse Ronan als Charlotte Murchison. −Foto: Nitecka/Tobis Film/dpa

Der Titel des Kostümdramas "Ammonite" spielt auf die große Leidenschaft der Fossiliensammlerin Mary Anning an. Die Paläontologin lebte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Südengland in dem Küstenort Lyme Regis. Entlang der Steilküste entdeckte sie schon als Kind Versteinerungen, von Millionen Jahre alten Ammoniten (eine ausgestorbene Tierart, die im Meer lebte) bis zu seltenen Saurier-Skeletten.



Oscar-Preisträgerin Kate Winslet (46, "Der Vorleser) spielt die verschlossene, verhärmte Frau, die in der von Männern dominierten Wissenschaftswelt zu ihrer Lebzeit nicht die verdiente Anerkennung für ihre Fossilienfunde erhielt. Mit ihrer Sammelleidenschaft verdiente Anning den knappen Lebensunterhalt für sich und ihre kränkelnde Mutter (Gemma Jones). Sie präparierte die Fundstücke und verkaufte sie an Touristen, Kollegen und Museen. Erst Jahrzehnte später wurde ihre akribische Arbeit als Beitrag zum Nachweis für das Aussterben von Tierarten gewürdigt.

Allein diese Geschichte der verkannten Wissenschaftlerin im viktorianischen England wäre ein spannendes Porträt. Doch der britische Regisseur Francis Lee rankt um die historische Figur eine fiktive Romanze, die ein weiteres Tabu der damaligen Zeit aufgreift – Anning unterhält geheime Liebschaften mit Frauen.

In der frostigen Welt, in der Anning mit langen Röcken mühsam über Sand, Geröll und Felsen klettern muss, werden Gefühle nur mit minimalen Gesten ausgedrückt. Das ist anfangs auch der Fall, als die scheue Ehefrau des wohlhabenden Londoner Geologen Roderick Murchison in Annings Leben tritt. Das Ehepaar war im wirklichen Leben mit der Fossiliensammlerin bekannt.

In "Ammonite" lässt Murchison seine "melancholische" Gattin in dem Küstenort zur Erholung zurück, als er auf Forschungsreise geht. Er bittet Anning, gegen Bezahlung, sich um die zerbrechliche Charlotte zu kümmern. Für die schweigsame Sammlerin ist das zunächst eine Bürde, doch dann verwandelt sich die spröde Kühle zwischen den ungleichen Frauen in Leidenschaft.

Winslet und Saoirse Ronan (27, "Lady Bird", "Little Women") stehen zum ersten Mal gemeinsam vor der Kamera, doch in den intimen Liebesszenen wirken sie völlig vertraut. "Saoirse und ich haben die Szene selbst choreographiert", sagte Winslet. Sie hätten sich beide sehr sicher gefühlt. "Nie zuvor war ich so stolz auf eine Liebesszene."

Barbara Munker

•GB 2020, Regie: Francis Lee, mit Kate Winslet, Saoirse Ronan, Gemma Jones, 118 Minuten, frei ab 12 Jahren

•Den Trailer sehen Sie im digitalen Feuilleton auf pnp.de/kultur