Erklärung
Kardinal Wetter entschuldigt sich nach Missbrauchsgutachten

25.01.2022 | Stand 25.01.2022, 15:00 Uhr

Der emeritierte Münchner Kardinal Friedrich Wetter (93, l.) hat eine persönliche Verantwortung für Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche übernommen. −Foto: dpa

Der frühere Erzbischof von München und Freising, Kardinal Friedrich Wetter, hat sich für seine "falsche Entscheidung" in einem prominenten Missbrauchsfall entschuldigt.



Der betreffende Pfarrer hätte nicht mehr in der Seelsorge eingesetzt werden dürfen, hieß es in einer Erklärung, die das Erzbistum am Dienstag in Wetters Auftrag veröffentlichte. "Es tut mir von Herzen leid", sagte er. "Hätte ich anders entschieden, hätte es zu diesen Missbräuchen nicht kommen können." In anderen Fällen bestreitet er ein ihm vorgeworfenes Fehlverhalten allerdings vehement.

"In 6 Fällen liegt kein Missbrauch vor", schreibt Wetter beispielsweise - oder: "Ein Name war mir völlig unbekannt." Er kommt zu dem Schluss: Die Fakten der 21 Fälle belegten "keinesfalls pauschal ein "Fehlverhalten in 21 Fällen"".

Versetzung des wegen sexuellen Missbrauchs verurteilten Pfarrers fällt in seine Amtszeit

Wetter ist der Vorgänger von Kardinal Reinhard Marx im Münchner Bischofsamt und war von 1982 bis 2008 Erzbischof der Diözese. In seine Amtszeit fällt die Versetzung eines wegen sexuellen Missbrauchs rechtskräftig verurteilten Priesters in eine andere Gemeinde in Garching an der Alz - wo er erneut Jungen missbraucht haben soll. Für diesen Fall gilt die Entschuldigung, die er nun formulierte.

Ein vom Erzbistum unter seinem Nachfolger Marx in Auftrag gegebenes Gutachten, das in der vergangenen Woche vorgestellt wurde, wirft Wetter Fehlverhalten in 21 Fällen vor. Er habe die Fälle zwar nicht bestritten, ein Fehlverhalten seinerseits aber, sagte der Jurist Martin Pusch bei der Präsentation des Gutachtens.

Darin zitierten die Anwälte auch eine Stellungnahme Wetters: Vor 2010 sei nicht bekannt gewesen, welcher Schaden den Opfern durch den Missbrauch zugefügt werde, hieß es darin. In der Odenwaldschule sei sexueller Missbrauch als pädagogisches Mittel angewandt worden.

Geburtsstadt prüft mögliche Auswirkungen auf Ehrungen

Seit Bekanntwerden des Gutachtens prüft die Stadt Landau in der Pfalz, in der Wetter 1928 geboren wurde, mögliche Auswirkungen auf Ehrungen. "Die belastenden Aussagen lassen vermuten, dass Konsequenzen folgen müssen", wurde Landaus Oberbürgermeister Thomas Hirsch am Freitag in einer Mitteilung der Stadt zitiert. Wetter ist Ehrenbürger seiner Geburtsstadt, zudem ist der Kirchenvorplatz nach ihm benannt.

Ähnlich wie der Anwaltskanzlei gegenüber äußert Wetter sich nun auch in seiner neuen Stellungnahme vom Dienstag: "Diese Entscheidung lag Jahre vor dem Jahr 2010, in dem mir die fatalen und zerstörerischen Folgen faktisch erst wirklich bewusst wurden, die durch Missbrauch Kindern und Jugendlichen zugefügt werden", sagt er über seinen Umgang mit eben jenem berühmt gewordenen Fall H.

"Eine ernsthafte und eingehende Auseinandersetzung hatte es bis dahin bei mir nicht gegeben. Eine Folge davon war, dass ich mit den Tätern nicht mit der gebotenen Strenge umgegangen bin." Sein "Problembewusstsein" sei "nicht genügend ausgebildet" gewesen, sagte Wetter - und damit sei er damals nicht allein gewesen. "Dass dies damals bei vielen in der Gesellschaft, nicht nur in der Kirche, so war, macht mein unangemessenes und objektiv falsches Verhalten von damals zwar für mich verständlicher, kann es aber nicht rechtfertigen." Er sei ein "Kind meiner Zeit".

Marx wird formales Fehlverhalten in zwei Fällen vorgeworfen

Auch dem aktuellen Erzbischof, Kardinal Reinhard Marx, der am Donnerstag ausführlich zu den Ergebnissen des Gutachtens Stellung nehmen will, wird formales Fehlverhalten in zwei Fällen vorgeworfen. Von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern sprechen die Gutachter, sie gehen aber von einem deutlich größeren Dunkelfeld aus.

Schlagzeilen hatte nach der Vorstellung des Gutachtens bislang vor allem die Rolle Joseph Ratzingers gemacht, des heute emeritierten Papstes Benedikt XVI. Ihm werfen die Gutachter Fehlverhalten in vier Fällen vor - und dass er die Unwahrheit gesagt haben soll. Das hat Benedikt inzwischen eingeräumt - und von einem "Versehen" gesprochen.