Die Lage in Deutschland
Hunderte Einsätze wegen Sturm - Drei Autofahrer sterben

17.02.2022 | Stand 17.02.2022, 22:03 Uhr

Eine Verkehrsschild liegt auf einem umgestürzten Baum im Oberharz. Das aktuelle Sturmtief hat im Harz zu zahlreichen Verkehrsbehinderungen durch umgestürzte Bäume geführt. Nach einer Wetterberuhigung folgt am Freitag der nächste Sturm. −Foto: Matthias Bein/dpa-Zentralbild/dpa

Der Sturm "Ylenia" hat am Donnerstag in Deutschland Bäume umstürzen lassen, zu gesperrten Straßen geführt, den Zug- und Flugverkehr durcheinandergewirbelt - und sogar Todesopfer gefordert.



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Zwei Autofahrer wurden von umstürzenden Bäumen erschlagen. Ein dritter Autofahrer starb, als sein Anhänger im Sturm auf die Gegenfahrbahn geriet und es dabei zu einem Unfall kam. Die Einsatzkräfte können nur kurz durchatmen - der nächste heftige Sturm ist bereits im Anmarsch.

"Es zieht noch ein Orkan auf", sagte eine Meteorologin des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Hamburg am Donnerstag. "Zeynep" könnte in Teilen noch stärkere Orkanböen bringen. Der Schwerpunkt dieser neuen Sturmlage ab Freitagnachmittag bis Samstagmorgen liege im Norden und in der Mitte Deutschlands, hieß es am Donnerstagabend im DWD-Warnlagebericht.

In Sachsen-Anhalt in der Gemeinde Südharz starb ein 55-Jähriger am Donnerstag auf einer Landstraße. Ein Baum sei durch den starken Wind auf den Wagen des Mannes gefallen, teilte die Polizei mit. Daraufhin habe sich der fahrende Wagen am Morgen überschlagen. Auf einer Landstraße in Niedersachsen zwischen Bad Bevensen und Seedorf starb ein 37 Jahre alter Mann. Auch hier stürzte ein Baum auf das Auto. Ein weiterer Autofahrer starb - ebenfalls in Niedersachsen - bei einem Unfall in Belm im Landkreis Osnabrück: Sein Anhänger geriet im Sturm auf die Gegenfahrbahn, so dass es zum Zusammenstoß mit einem Lkw kam.

Aufräumarbeiten bei der Bahn

Nach zahlreichen Schäden durch den Sturm und vielen Zugausfällen am Donnerstagvormittag begann die Deutsche Bahn mit Aufräumarbeiten. "Für eine Schadensaufnahme ist es noch zu früh. Die Schäden sind aber erheblich", sagte Bahn-Sprecher Achim Stauß. "Im Moment sind Reparaturtrupps der Bahn mit Hochdruck unterwegs, um Strecken freizuräumen, mit der Kettensäge Bäume zu schneiden oder auch Oberleitungen zu reparieren, was bei diesen Wetterbedingungen nicht ganz einfach ist."

Wegen des andauernden Sturms sei mit weiteren Störungen zu rechnen. Probleme werde es auch durch die zweite erwartete Sturmfront geben, sagte Stauß. "Ich fürchte, unsere Reisenden müssen noch über einen längeren Zeitraum mit Einschränkungen leben." Reisende sollten sich vor ihren Fahrten genau informieren. Wenn möglich sollten Reisen verschoben werden. Fahrkarten seien länger gültig.

Die Bahn stellte den Fernverkehr von ICEs und ICs in Nord- und Nordostdeutschland zwischenzeitlich komplett ein. Das betraf nach Mitteilungen der Bahn seit der Nacht Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg. Auch im Regionalverkehr kam es zu Zugausfällen und Verspätungen in vielen Bundesländern. Mit Stand Donnerstagabend informierte die Bahn auf ihrer Website, dass zwischen Berlin und Hamburg wieder einzelne ICE-Züge fahren.

Schulen am Freitag wieder offen

Nachdem am Donnerstag in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Rheinland-Pfalz, Hessen oder Niedersachsen teilweise die Schule ausfiel, Fehltage nicht erfasst wurden oder Distanzunterricht abgehalten wurde, wollten einige Länder am Freitag wieder öffnen. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) sagte, der Unterricht solle dann an allen Schulen wieder stattfinden.

In der Nacht zum Donnerstag waren verbreitet schwere Sturmböen und orkanartige Böen aufgetreten. Die Feuerwehren und Polizeileitstellen berichteten am Morgen vielerorts von zahlreichen Einsätzen, größere Schäden blieben vorerst aber aus. Das Sturmtief hat bei Tausenden Haushalten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Bayern, Sachsen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen vorübergehend den Strom ausfallen lassen.

Auf stürmischer Fahrt über die Elbe zerschlug am Donnerstagmorgen eine große Welle die Frontscheiben einer Hamburger Hafenfähre. Drei Fahrgäste seien leicht verletzt worden, teilte die Polizei mit.

Ein 15 Meter hoher Antennenmast stürzte in Berlin im Sturm auf die Ringbahn. Die Feuerwehr rückte mit einem Kran aus, um die Strecke freizuräumen, wie ein Sprecher sagte. Die Berliner Feuerwehr rief sowohl in der Nacht als auch am Donnerstagvormittag den Ausnahmezustand aus, was unter anderem bedeutet, dass Freiwillige Feuerwehren zum Dienst gerufen werden.

An Flughäfen war Geduld gefragt

Einschränkungen wurden derweil auch für den Flugverkehr gemeldet. Passagiere am Berlin-Brandenburger Flughafen BER brauchten am Donnerstagvormittag Geduld. Wegen starker Windböen war die Flugzeugabfertigung stark eingeschränkt, es kam zu Verspätungen, wie ein Sprecher der Betreibergesellschaft sagte. Am größten deutschen Flughafen in Frankfurt waren nach Betreiberangaben Verbindungen mit Berlin, München und Hamburg betroffen. Am Flughafen Hamburg fielen rund ein Dutzend Flüge aus.

Das Sturmtief zwingt auch Schiffsreisende zur Geduld. Weil die Elbe derzeit für große Schiffe gesperrt ist, darf etwa das Kreuzfahrtschiff "Aidaprima" nicht wie geplant den Hamburger Hafen anlaufen, wie eine Sprecherin der Hafenbehörde HPA sagte. Auch der Fährverkehr wurde vielerorts vorübergehend eingestellt, etwa in Lübeck oder Rostock.

Auch in Tschechien, Großbritannien und Polen verursachte das Sturmtief Stromausfälle und Verkehrsbehinderungen. Mehr als 300.000 Haushalte waren am Donnerstag in Tschechien wegen beschädigter Leitungen ohne Elektrizität. Im Norden Englands waren Tausende Haushalte zeitweise von der Stromversorgung abgeschnitten. In Krakau kippte bei starkem Wind ein Kran auf einer Baustelle um und verletzte vier Bauarbeiter. Zwei der Männer seien im Krankenhaus ihren Verletzungen erlegen, teilte die Polizei mit.

Nur kurze Verschnaufpause

Seit Donnerstagnachmittag sollte der Wind von Tief "Ylenia" laut DWD zwar langsam nachlassen. Die Verschnaufpause dürfte jedoch nur kurz sein. Bereits für Freitagmittag wird das nächste Orkantief - "Zeynep" genannt - von den Britischen Inseln kommend erwartet.

Vor allem an den Küsten dürfte es von Freitag auf Samstag ruppig werden, wie DWD-Meteorologin Franka Nawrath der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg sagte. "Wir warnen vor extremen Orkanböen bis 135 Stundenkilometern an der Nordseeküste."

Auch an der Ostseeküste werden am Freitagabend demzufolge extreme Orkanböen mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 135 Stundenkilometern erwartet. In den übrigen Regionen des Nordens könne mit orkanartigen Böen oder auch Orkanböen gerechnet werden. Mit welcher Wucht das Orkantief den Norden treffen wird, sei aber noch immer nicht zu 100 Prozent berechenbar.

− dpa