Es sind schreckliche Bilder, die jeden Tag aufs Neue aus der Ukraine ankommen. Es herrscht Krieg im Osten Europas. Menschen sind auf der Flucht, müssen um ihr Leben bangen. Sie wissen nicht, was mit ihren Lieben geschieht, haben kaum Hab und Gut bei sich. Doch es formiert sich eine riesige Welle der Solidarität, auch im Landkreis Altötting, um den Ukrainern ein paar kleine Sorgen zu nehmen – und einer hat die Koordination jetzt in die Hand genommen: Raimund Said, der seit Jahrzehnten schon Menschen mit der Rumänienhilfe unterstützt. Am Freitag macht er sich auf an die rumänisch-ukrainische Grenze, um dort allerlei Hilfsgüter abzuliefern. Auch in Burghausen wird gesammelt.
Seit Sonntagmittag steht bei Raimund Said das Telefon nicht mehr still. Kurzerhand hat sich der 72-Jährige entschlossen, ukrainische Flüchtlinge mit dem Verein "Rumänienhilfe Emmerting" an der ukrainisch-rumänischen Grenze zu unterstützen. Noch am selben Tag hat es schon groß die Runde gemacht, erste Spenden sind eingegangen. Alle paar Minuten gibt es Anfragen. "Ich kann nicht mehr vom Telefon weggehen."
Gesammelt wird gezielter als bei regulären Transporten nach Rumänien. "Die Männer dürfen ja nicht aus der Ukraine, sie müssen das Land verteidigen. Deshalb brauchen wir vor allem Kleidung für Kinder und Frauen", sagt Raimund Said. Vor allem warme Kleidung. Die Temperaturen im Grenzgebiet liegen um den Nullpunkt, dicke Jacken, Decken und warme Schuhe sind da unabdingbar. Aber auch Hygieneartikel werden dringend benötigt. Platz im Anhänger gibt es aber auch für Windeln, Schlafsäcke, Klappbetten, Spielzeug und Isomatten. Bis 17 Uhr können Spender diese Artikel an der Baderstraße 4 in Emmerting abgeben. Danach ist zwischen 18 und 20 Uhr die Freiwillige Feuerwehr in Emmerting besetzt. Zu den Öffnungszeiten nimmt diese Sachen auch der Spielwelt-Schütz Familystore in Neuötting an.
Nahrungsmittel, sagt Said, will er nicht in seinen Transporter samt Anhänger laden. "Ich muss ja auf das Gewicht achten." Mit um die drei, dreieinhalb Tonnen rechnet er. Vielmehr bittet er in diesem Fall um Geldspenden, um dann vor Ort Lebensmittel einkaufen zu können. Angenehmer Nebeneffekt: So würde auch die Wirtschaft dort unterstützt.
In Abstimmung mit der Bayerischen Staatskanzlei, zu der Bezirksrätin Gisela Kriegl für Raimund Said den Kontakt hergestellt hatte, wird ein genauer Ort vereinbart, wo es ein Zeltlager von ukrainischen Flüchtlingen gibt. Wahrscheinlich ist es, dass Raimund Said die Region Maramures im Nordwesten anfährt. Die Strecke dorthin – etwa 1300 Kilometer und rund 15 Stunden – kennt er gut, fährt die Rumänienhilfe Emmerting sonst doch immer den Nachbarbereich Satu Mare an. "Seit gut 30 Jahren sind wir schon dort unterwegs, ich kenne da jeden Stein." Und trotzdem wird es nicht ganz ungefährlich werden, sagt er. "Ein bisschen ein mulmiges Gefühl habe ich schon." Am Ende würde aber der Drang, den Leuten helfen zu wollen, ganz stark überwiegen.
Und wer weiß: Vielleicht macht sich Raimund Said auch ein zweites Mal auf den Weg nach Rumänien. "Wenn so viele Hilfsgüter zusammenkommen, dass nicht alles in einen Transporter passt, dann fahre ich halt nochmal." Überlegen muss er da keine Sekunde.
Gesammelt wird für die Flüchtlinge in der Ukraine auch in Burghausen. Die Werbeagentur und Copy-Shop PUR in der Robert-Koch-Straße schließt sich der Aktion der ukrainisch-griechischen katholischen Pfarrei in München an. "Damit wollen wir das Engagement unserer Kollegin Veronika unterstützen, die selbst aus der Ukraine kommt", sagt Geschäftsführerin Nancy Meister. Hilfsgüter können bei ihr im Geschäft abgegeben werden und im Kaufland in Lindach, direkt neben der Information.
Gesammelt werden unter anderem medizinisches Verbrauchs- und Verbandsmaterial wie Pflaster, Binden und Bandagen, schmerzstillende und fiebersenkende Medikamente, neben allerlei Kleidung aber auch Batterien, Kerzen, Taschenlampen und Lebensmittel. Aufgrund mangelnder Kochmöglichkeiten muss es sich aber um schon fertig zubereitete Nahrung handeln, sagen die Organisatoren, sprich: Babynahrung, Konserven, Energieriegel, Suppenpakete, Trockenfrüchte oder Schokolade, zum Beispiel. Angenommen werden auch Geldspenden. Das hat Nancy Meister prompt wahrgenommen und mit ihrer Werbeagentur gleich 700 Euro überwiesen. "Die Leute brauchen dringend unsere Hilfe."
Spendenkonto der Rumänienhilfe Emmerting: IBAN: DE49 7116 0000 0007 3305 29; Apostolische Exarchie: DE29 7509 0300 0102 1032 57.
