Ingolstadt
Game of Thrones: "Die Serie bietet für jeden was"

15.04.2019 | Stand 20.09.2023, 5:33 Uhr

Ein großer Fan der "Game-of-Thrones"-Reihe: Historiker Julius Häusler. Auf dem Bild hält er eine Figur, die den Unsympathen Tywin Lennister darstellt - gefunden bei der Zinnfigurenausstellung im Neuen Schloss. −Foto: Hammer

In der Nacht auf Montag ist die finale Staffel der Kult-Serie "Game of Thrones" im deutschen Fernsehen auf dem Pay-TV-Sender Sky gestartet.

Die Erfolgsserie, die auch von den Kritikern geschätzt wird, basiert auf der Romanreihe "A Song of Ice and Fire" (deutsch "Das Lied von Eis und Feuer") von George R. R. Martin, der auch an der Serie mitarbeitet. Es geht um den erbitterten Machtkampf mehrerer Königshäuser um den Eisernen Thron im Süden des fiktiven Kontinents Westeros, während von Norden her eine noch gefährlichere, schier unbesiegbare Macht anmarschiert und sich anschickt, die gesamte Zivilisation zu zerstören. Ein Interview des Donaukurier mit dem Historiker Julius Häusler über die Faszination der Serie, die Parallelen zum echten Mittelalter und wie "Game of Thrones" ausgehen wird.

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Herr Häusler, das Rote Kreuz in Australien hat die ersten sieben Staffeln von "Game of Thrones" nach der Anzahl der dort begangenen Kriegsverbrechen analysiert. Insgesamt kam es auf 103 Verstöße gegen international gültige Kriegsgesetze - vom Einsatz von Drachen bis zur Rekrutierung von Kindersoldaten. Was sagen Sie als Historiker: Kann man auf "Game of Thrones" Völkerrecht anwenden?
Julius Häusler: Nein, weil das Völkerrecht definitiv eine neumodische Errungenschaft ist. Das gab es im Mittelalter nicht, und da "Game of Thrones" in einer pseudomittelalterlichen Welt spielt, kann man das da nicht anwenden - auch wenn das natürlich ein witziger Fun Fact ist.

Sie haben im Stadtmuseum schon einmal einen Vortrag gehalten, in dem Sie die Frage gestellt haben, wie viel Mittelalter in der Serie steckt. Bevor wir das klären: Was macht denn aus Ihrer Sicht den Reiz dieser Serie aus?
Häusler: Oh, das ist schwierig - weil das für jeden was anderes ist. Für mich persönlich liegt der Reiz in genau dem, was ich im Vortrag zum Forschungsgegenstand erhoben habe. Dass "Game of Thrones" einerseits Fantasy mit allem, was dazugehört, ist - Drachen, Zombies und was das Herz noch so begehrt -, auf der anderen Seite ist es tatsächlich eine sehr gute Entfaltung einer pseudomittelalterlichen Gesellschaft. Und man kann daran eben wunderbar die Zusammenhänge und die Strukturen einer mittelalterlichen Gesellschaft nachempfinden und miterleben und erhält tiefgreifende Einblicke in die psychosozialen Zwänge, denen die Charaktere unterworfen sind.

Ich kenne die unterschiedlichsten Menschen, die diese Serie schauen. Auch was ihr Alter betrifft: Zwischen 20 und Mitte 40 ist alles dabei. Was für Besucher waren denn bei Ihrem Vortrag im Stadtmuseum?
Häusler: Das war sehr weitreichend - von Studenten bis zu Menschen in den 40ern oder 50ern. Das liegt natürlich in der Serie begründet, die bietet für jeden was. Wir haben Kinder und Jugendliche, die eine Entwicklung hinlegen wie in einer Coming-of-Age-Geschichte. Wir haben Eltern, die sich um ihre Kinder sorgen. Es gibt junge Erwachsene, die ihren Platz finden und versuchen, sich gegen die bestehende Ordnung aufzulehnen und etwas Neues zu schaffen. Und es es gibt Senioren und alte Menschen, die versuchen, ihre Welt, die sie mitgestaltet und aufgebaut haben, zu bewahren - in einer fast schon krankhaften Selbstsucht.

Und was wollten die Besucher des Vortrags von Ihnen wissen?
Häusler: Die waren hauptsächlich daran interessiert, ob es weitere Analogien mit historischen Figuren gibt. Es ist für die Menschen sehr viel nachvollziehbarer und reizvoller, Geschichte anhand von Persönlichkeiten zu veranschaulichen. Darin liegt auch ein Reiz von "Game of Thrones", weil da Geschichten und Schicksale erzählt werden.

Viele sagen, dass die englischen Rosenkriege George R. R. Martin als Vorlage für seine Bücher und damit die Serie gedient haben. Haben Sie weitere historische Vorbilder ausgemacht?
Häusler: Es gibt einige Parallelen, die man ziehen kann. Ich hab auch schon gehört, dass Götz von Berlichingen, den ja Goethe in seinem Drama verwendet hat, ein Vorbild für die Figur Jamie Lennister war, der ja auch mit einer metallenen Hand geschlagen ist. Rob Stark hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Edward IV. - aber die Parallelen enden, wenn Stark die Bühne verlässt. Der stirbt ja sehr brutal - Edward IV. hatte das Glück, in seinem Bett zu sterben. Aber ich habe mich nicht so sehr darauf konzentriert, historische Parallelen zu finden, weil ich der Meinung bin, dass es mir beim Schauen und Verstehen der Serie eigentlich nichts nutzt.

Glauben Sie, dass eine solche Serie Interesse an Geschichte wecken kann?
Häusler: Auf jeden Fall.

Wie sind Sie selbst zum "Game-of-Thrones"-Fan geworden?
Häusler: Ich bin an die Universität gekommen, hatte mich davor vor allem mit dem Herrn der Ringe beschäftigt und die Harry-Potter-Welle voll miterlebt, hatte aber von "Game of Thrones" noch nichts gehört. Dann traf ich im ersten Semester einen Kommilitonen, der fragte: "Was, du kennst ,Game of Thrones' nicht? Das musst du dir unbedingt ansehen. " Dann bin ich nach Hause gegangen und habe mir die erste Staffel angesehen. Zehn Stunden später bin ich wieder zu mir gekommen - und war "Game-of-Thrones"-Fan.

Welche ist Ihre Lieblingsfigur und wieso?
Häusler: Natürlich Tyrion Lennister. Hauptsächlich, weil er so viele positive Eigenschaften in sich vereint. Ich glaube, ich befinde mich da in einem Konsens mit einem Großteil der Fangemeinde. Tyrion ist intelligent, gerissen, witzig, charmant. Gleichzeitig sensibel, einfühlsam. Er ist niemals grausam und versucht, das Beste aus seinen Situationen zu machen.

Was machen Sie ab Montag, wenn die Serie im deutschen Fernsehen gezeigt wird?
Häusler: Dann werde ich natürlich auf dem Sofa sitzen und mir die Serie anschauen.

Und, was sich jeder Fan fragt: Wie geht die Serie aus?
Häusler: Da kann ich natürlich nur spekulieren. Ich habe aber großes Vertrauen in George R. R. Martin, dass er ein Klischee-Ende vermeidet. Ich erwarte gar nicht, dass am Ende jemand auf dem Eisernen Thron sitzt. Ich habe eher die Vermutung dass dieser Eiserne Thron in irgendeiner Form zerstört oder ideell dekonstruiert wird und etwas Neuem Platz macht. Das ist ja ein Topos der Serie: dass Altes aufgelöst wird, um Neuem Platz zu machen. Aber um die Fangemeinde zu beruhigen: Ich bin auch fast sicher, dass die Charaktere, die wir mögen, also vor allem Daenerys Targaryen, Jon Snow und Tyrion Lennister, in irgendeiner Form obenauf herauskommen werden.

Das Gespräch führte Thorsten Stark.



ZUR PERSON

Julius Häusler, 30 und verheiratet, ist gebürtiger Augsburger und hat an der Ludwig-Maximilians-Universität München Lehramt in Deutsch, Geschichte und Sozialkunde fürs Gymnasium studiert. Seit einem Jahr ist er Referendar, gleichzeitig absolviert er ein Promotionsstudium für Alte Geschichte an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.