Freiheit auf vier Rädern

16.07.2020 | Stand 25.10.2023, 11:36 Uhr

Lieben es, gemeinsam auf Reisen zu gehen: Bernd Mittelhammer und sein Sohn Jakob aus Osterhofen werden auch diesen Sommer mit ihrem Wohnmobil in den Campingurlaub fahren. "Es ist ein Gefühl von purer Freiheit", sagt der erfahrene Camper. −Foto: Mittelhammer

Vor gut zehn Jahren hat sich Bernd Mittelhammer aus Osterhofen (Lkr. Deggendorf) sein Wohnmobil gekauft. Mit diesem ist er schon nach Kroatien, Österreich und Italien gefahren. Auch heuer im Juni war Mittelhammer auf Kurzurlaub mit seinem Sohn Jakob, dieses Mal im Bayerischen Wald. Immer mit dabei ist sein Radl, erzählt er. Corona-bedingt weniger Camper habe er nicht wahrgenommen. "Es war ordentlich was los, nur die sanitären Anlagen waren damals noch geschlossen." Für die großen Ferien habe er aktuell, wie er sagt, noch kein konkretes Ziel. "Vielleicht Österreich." Eins ist aber sicher: Er wird auf jeden Fall mit seinem Wohnmobil wegfahren. "Es ist einfach schön, man ist von nichts und niemandem abhängig und kann die Natur genießen. Es ist einfach ein Gefühl von purer Freiheit", schwärmt er.
Nur noch zehn Prozent Buchungskapazitäten auf Vermietportal übrigIhm tun es in diesem Jahr viele Urlauber gleich. Doch nicht immer wird sofort ein eigenes Fahrzeug gekauft. Stattdessen mieten viele Menschen heuer ein Wohnmobil. "Wir erleben gerade einen enormen Schub", bestätigt Stefan Diehl, Pressesprecher der Knaus-Tabbert GmbH in Jandelsbrunn (Lkr. Freyung-Grafenau). Der Freizeitfahrzeughersteller stellt schon seit einigen Jahren einen regelrechten Boom bei der Nachfrage nach mobilen Eigenheimen fest. Doch seit ein paar Wochen ist diese sogar nochmals gestiegen. Den Grund sieht Diehl in der Corona-Krise: "Caravaning ist gerade die sicherste Urlaubsform. Man kann immer genügend Abstand halten und hat seine eigene Küche und Bett an Bord."

Mit fünf Fahrzeug-Marken bietet Knaus-Tabbert Reisemobile, Caravans und Caravaning Utility Vehicles aller Art. Vor allem Camping-Neulinge nutzen zunächst aber das firmeneigene Vermietportal "Rent and Travel", um so die Urlaubsform kennenzulernen. "Es gibt gerade einen ziemlichen Boom bei unserer Vermietmarke. Wir können feststellen, dass 50 Prozent der Anfragen, die wir bekommen, von Neueinsteigern sind. Wir erreichen im Moment Menschen, die bislang nicht über das Thema Wohnmobil und Camping nachgedacht haben", berichtet Diehl.

An 170 Standorten in ganz Deutschland sowie Schweden und Italien können die Kunden ihre gemieteten Reisemobile und Wohnwagen abholen. Insgesamt 1900 Fahrzeuge umfasst der Bestand an mietbaren Fahrzeugen. Allein für die Monate Juli und August sind laut Diehl nur noch zehn Prozent an Buchungskapazitäten davon übrig. Camping bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass man einen günstigen Urlaub verbringt. Ab 110 Euro pro Nacht kann ein Wohnmobil, ab 60 Euro ein Wohnwagen bei "Rent and Travel" in der Hauptsaison gemietet werden. Dazu kommen Sprit und die Miete auf dem Campingplatz.

Erst anlaufen muss das Geschäft auf dem Kur- und Feriencampingplatz Holmerhof Dreiquellenbad in Singham bei Bad Griesbach (Lkr. Passau), wie Juniorchefin und Hotelfachkauffrau Annalena Köck berichtet. Dennoch sei sie guter Dinge. Seit Ende Mai können Camper hier wieder Urlaub machen, das Außenbecken hat allerdings erst seit 8. Juni und die Sauna seit 22. Juni wieder geöffnet. "Wir sind momentan etwa zur Hälfte belegt", sagt Annalena Köck. Im Vergleich zu den Zahlen vom Vorjahr nimmt sie heuer einen Buchungsrückgang von schätzungsweise 30 Prozent wahr. Die Klientel auf dem Holmerhof sind hauptsächlich Camper mit Wohnwagen.

"Insgesamt haben wir 195 touristische Stellplätze und 24 Kurzzeitstellplätze, auf denen die Urlauber mit ihren Wohnmobilen bis zu drei Nächte stehen bleiben dürfen." Zusätzlich gibt es auf dem Gelände noch zehn Bungalows, die Urlauber mieten können. Mit dem Zelt würden die wenigsten Camper anreisen. Unter den Urlaubern verzeichnet die Junior-Chefin viele "Neucamper". Das leitet sie von dem derzeit boomenden Wohnmobilgeschäft ab, einen Aufwärtstrend diesbezüglich bemerke sie allerdings schon seit zwei Jahren. Die Camper auf dem Holmerhof kommen aus bayerischer Sicht aus den nördlichen Regionen der Bundesrepublik, beispielsweise aus dem Ruhrgebiet.

Stephan Semmelmayr, Geschäftsführer von Chiemgau Tourismus, sprach schon vor Pfingsten von einer sehr guten Auslastung der Campingplätze in der Region. "Wir sind so gut gebucht wie jedes Jahr." Auch er bestätigt einen Run auf die Campingplätze. So sei zum Beispiel der große Campingplatz am Waginger See (Lkr. Traunstein) bereits bis September ausgebucht.

Im Bayerischen Wald beim Knaus Campingpark Lackenhäuser in Neureichenau (Lkr. Freyung-Grafenau) hingegen sind noch einige der insgesamt 200 touristischen Stellplätze frei "Wir haben noch Luft nach oben. Lediglich unsere 34 Ferienhäuser sind schon ausgebucht", sagt Susan Blaul, stellvertretende Camping-Managerin. Neben diesen gibt es auf dem Areal unter anderem noch drei Tipis und Rasenflächen für Zelte. Gerade im Juni seien viele Stornierungen eingegangen, Wetter- und Corona-bedingt. Das Geschäft müsse erst anlaufen: "Momentan müssen wir noch abwarten. Wir haben gerade viele Urlauber aus den Niederlanden, Dänemark und Norddeutschland. In Bayern haben wir ja noch keine Ferien." Ob es heuer viele Erstcamper gibt, das könne sie nicht beurteilen. Dennoch: Viele Camper seien zum ersten Mal auf dem Campingplatz zu Besuch. "Wir haben viele Urlauber gefragt. Viele haben geantwortet, dass sie jetzt eigentlich in Griechenland, Spanien oder Italien wären." Die "alten Hasen" hingegen seien eher zurückhaltender mit den Buchungen. "Ich glaube, viele hatten durch die Medienberichte Angst vor einem zu vollen Campingplatz", sagt Susan Blaul.

Urlaub am See oder in den Bergen, zum Wandern, Radeln oder Baden – im Salzkammergut beispielsweise stehen Campingfreunden alle Möglichkeiten offen. Vom Fuschlsee, Wolfgangsee und Mondsee in das Almtal, vom Tal der Vöckla bis zum Dachstein und dem Grimming erstreckt sich die vielseitige Region.

"Ausgezeichnete Buchungslage" imSalzkammergut "Unsere Region ist extrem beliebt für Camping", sagt Hans Wieser von Wolfgangsee Tourismus in Österreich. Seit Ende des Lockdowns erlebten Campingplätze dort verstärkte Anfragen. "Wir haben elf Campingplätze. Generell muss gesagt werden, dass die Buchungslage ausgezeichnet ist, Restkapazitäten finden sich immer noch", sagt Wieser. Vor allem Urlauber, die heuer zum ersten Mal mit dem Wohnmobil unterwegs sind, interessierten sich gerade verstärkt für einen Campingurlaub in der Region. "Diese zeichnet sich vor allem durch eine traumhafte Landschaft, die optimale Verbindung von Berg und See und die exzellente Wasserqualität des Wolfgangsees aus", betont Wieser. 35 Prozent aller Campingurlauber in der Region kämen dabei aus Deutschland.

"Die Nachfrage ist gleich stark wie in den letzten Jahren. Die Reisezeit hat sich aufgrund der Corona-Beschränkungen jedoch von normalerweise Anfang Mai auf Mitte Juni bis Ende September verkürzt", sagt Christina Wieser vom Verband Ferienregion Dachstein. In der Region gibt es insgesamt zwei Campingplätze und mehrere Parkplätze, die gut als Stellplätze für Camper genutzt werden können. Grundsätzlich sei die Buchungslage sehr gut, jedoch gebe es immer wieder vereinzelt Kapazitäten.

In den Anfragen könne man derzeit aber noch nicht erkennen, dass "Neulinge" im Camping-Bereich vermehrt unterwegs sind. "Es ist jedoch durchaus vorstellbar, dass aufgrund der Corona-Pandemie verstärkt Gäste mit Wohnmobilen unterwegs sind", sagt die Tourismus-Expertin.

Einen Trend zu mehr Neucampern sieht auch Sergio Comino momentan nicht. So ein Wohnmobil kaufe man sich schließlich nicht spontan, und auch mietbare Mobile seien begrenzt vorhanden, sagt er. Sergio Comino ist Direktor auf dem Campingplatz "Jesolo International Club Camping" an der italienischen Adria gelegen, genauer: in der Stadt Jesolo. Auf dem Campingplatz können bis zu 2000 Urlauber gleichzeitig untergebracht werden, sagt Comino. Dabei können diese zwischen 130 Mobilheimen und 370 Wohnmobilstellplätzen wählen – reine Zeltplätze gibt es nicht.

"Normalerweise sind wir im Dezember bereits für Juli und August ausgebucht", sagt Comino. Vor allem Familien mit Kindern würden das All-Inclusive-Angebot auf dem Campingplatz nutzen. "Wir haben sehr viele Stammgäste, die weit im Voraus buchen." 91 Prozent der Urlauber kämen dabei aus der Bundesrepublik. Da in Deutschland die Ferienzeiten gestaffelt sind, trennt Comino die Gäste in Nord und Süd. "Im Moment haben wir viele Urlauber aus Norddeutschland, im August kommen dann viele aus Bayern und Baden-Württemberg." Sergio Comino hat seinen Campingplatz Corona-bedingt erst seit dem 1. Juli wieder aufgesperrt. Momentan hielten sich deshalb die Buchungen in Grenzen. Gerade Italien habe durch die Pandemie sehr gelitten. "Bei vielen Leuten sind die Bilder aus den Medien noch präsent, zum Pandemie-Höhepunkt im März haben wir sehr viele Stornierungen bekommen. Aktuell sind wir zu 40 Prozent ausgebucht. Das wird sich, denke ich, aber langsam steigern, so dass wir im August dann ausgebucht sind", sagt er.

Die Hochsaison hat sich Corona-bedingt um ein, bis zwei Monate verschobenNicht nur zeitlich ist heuer alles anders auf dem Campingplatz. So hat Sergio Comino das Animationsangebot komplett gestrichen, so beispielsweise die Juniorbetreuung – aus Infektionsschutzgründen. "Wir wollen einfach jede Menschenansammlung verhindern. Das hat oberste Priorität für uns. In diesem Jahr ist eben alles anders." Zusperren wird der Campingplatz heuer erst im Oktober, im Normalfall wäre es September.

Zu den eingefleischten Camping-Fans zählt Renate Sailer aus Grafenau (Lkr. Freyung-Grafenau). Sie und ihr Mann fahren schon seit 16 Jahren mit ihrem Wohnwagen regelmäßig und das ganze Jahr über zum Campen. Erst kürzlich sind sie zurückgekommen von einem Kurzurlaub in Kroatien. "Wir haben uns gut erholt, wir waren auf einem Campingplatz in Novigrad. Eigentlich war heuer alles wie immer – nur, dass viel weniger Camper da waren, als sonst", erzählt sie.

Eine Maskenpflicht habe es nicht gegeben auf dem Areal, alle hätten aber darauf geachtet, genügend Abstand zu anderen einzuhalten. Gerade in diesen Zeiten ist das Wohnmobil oder der Wohnwagen eine gute Möglichkeit, entspannt Urlaub zu machen, findet Renate Sailer. "Man hat sein Haus halt dabei. Unser Sohn hat inzwischen auch einen eigenen Wohnwagen. Die ganze Familie liebt diese Art von Urlaub."