Landshut
Fotos: Wie aus einer Jahrhunderte alten Bruchbude ein Schmuckstück wird

29.08.2018 | Stand 20.09.2023, 5:50 Uhr
Alexander Schmid

Der Architekt Magnus Wager hat die Restaurierung des Jahrhunderte alten Anwesens geplant. −Foto: Schmid

Ein Haus aus dem Jahr 1496, das kurz vor dem Einsturz stand, wird in Landshut aufwändig restauriert. Ein Unterfangen, das in Sachen Denkmalschutz nicht nur in Landshut Maßstäbe setzt.

An der Front des Hauses fehlt die Wand. Dort flattert stattdessen an einem Gerüst eine blaue Plane im Wind. "Das macht aber nix", sagt Magnus Wager, als ob es eine Kleinigkeit wäre. Er steigt über Werkzeugkisten, Behelfsstiegen aus genagelten Holzklötzen, schlängelt sich durch Stützen und in jedem Zimmer weiß er eine Geschichte zu erzählen. Das alte Blockhaus aus dem Jahr 1496, neben der Straße zur Burg hoch, kennt der 43-Jährige mittlerweile wie seine Westentasche. "Die Jahrhunderte alten Balken stammen wohl aus der Alpenregion", sagt er. "Das Material wurde früher wahrscheinlich mit Flößen hierher gebracht."

Das Haus, das zu den Zeiten der Herzöge Handwerker der Burg beherbergte, stand kurz vor dem Einsturz. Jetzt soll es ein Vorzeigeprojekt werden. Noch im Herbst wollen Wager und seine Kollegen mit ihrem Architekturbüro "Wager, Gärtner, Knoch" einziehen. Ein Unterfangen, das in Sachen Denkmalschutz in Landshut Maßstäbe setzt.

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Der Aufwand erscheint auf den ersten Blick unverhältnismäßig, einfach gewaltig. "So groß ist der eigentlich gar nicht", sagt Wager. Als Laie kann man das nur schwer glauben. Ein Teil des Hauses war an einer Ecke um 70 Zentimeter abgesunken, "der Giebel neigte sich über einen Meter nach vorne." Mit Muskelkraft und Drehspindeln wurde das historische Gebäude aufgerichtet. Der Giebel ist jetzt – fast – wieder gerade und das, was noch kommt, für Wager und seine Handwerker auch "kein Problem" mehr. "Der Zustand des Hauses "war eigentlich schon der Super-GAU", sagt er und lächelt. Noch schlimmer kann es nicht kommen.

"Ist das nicht verrückt?"

Er hebt im Obergeschoss einen morschen Balken an. "Das hier war mal eine Wandschwelle, ein Teil des Fundaments. Die lag Jahrhunderte so im Boden. Man sieht noch die Abdrücke. Ist das nicht verrückt?", sagt er und geht zur nächsten "Attraktion", die auf den ersten Blick als solche nicht zu erkennen ist. "Hier haben die früher einfach mal so einen Teil aus der tragenden Struktur geschnitten und einen Räucherofen eingesetzt. Deshalb sind die alten Balken auch so schwarz." Die gemauerten Reste könne man noch sehen. Für Statiker ist das eher ein Albtraum aus morschen Balken und zerbröselten Backsteinen, für Wager ist es ein Stück Geschichte, das es zu erhalten gilt. In seiner Vision von dem Haus, wenn es einmal fertig ist, hat alles schon seinen Platz bekommen. Jeder Stein, jeder Balken. Sogar über einen möglichst authentischen Ersatz des Füllmaterials zwischen den Holzblöcken hat er sich Gedanken gemacht. "Das bestand im Original ja aus Lehm und Moos. Das ist einfach toll, weil es jede Bewegung des Hauses mitmacht." Wirklich alles, was noch da ist, soll erhalten bleiben. Alte Balken werden nur dann ersetzt, wenn "sie verpilzt oder morsch sind." Dann muss eben eine andere Lösung her, tragende Elemente, die ihre Funktion übernehmen. Irgendwie gibt es für Wager immer einen Weg. "Man muss sich eben nur etwas einfallen lassen."

Mit dem Minibagger ins Zimmer

Was noch irgendwie zu gebrauchen ist, wird genutzt und, wenn es sein muss, mit neuen Elementen ergänzt. Gemacht wird, was am einfachsten umzusetzen ist. Selbst wenn "wir mit einem Mini-Bagger ins Wohnzimmer fahren müssen, um neun Meter tief durch den gestampften Erdboden in die Tiefe zu bohren, um auf eine tragende Schicht im Burgberg zu kommen." Dass es in den nächsten Monaten, wie so oft bei solchen Projekten, noch unliebsame Überraschungen geben wird, das glaubt er nicht. Zu gut ist alles von seinen Kollegen und ihm durchdacht.
"Am Anfang saß ich stundenlang auf einem Klappstuhl in dem Haus und habe skizziert, wie man das anpackt." Zweieinhalb Jahre lang dauerte allein die Planungsphase.

Vielleicht kommt seine Liebe zu dem historischen Landshuter Blockhaus, das einst außerhalb der Stadtmauer stand, ja daher, dass der 43-Jährige vor dem Studium eine Schreinerlehre im Bayerischen Wald gemacht hat. Wenn er von dem Projekt erzählt, glänzen jedenfalls seine Augen, die Worte sprudeln dann nur aus ihm hervor.
Dass das Haus "Am Graben 23" keinen einzigen rechten Winkel haben wird, wenn es einmal fertig sein wird, das stört die Bauherren, also Wager und seine Frau Stephanie Küffner, überhaupt nicht. "So ist das Leben", sagt der Architekt. Manchmal eben ganz schön schräg. Aber auch schön. So wie das Haus Am Graben 23.