Doku auf Apple TV+
"Fireball": Werner Herzog ist Meteoriten auf der Spur

10.11.2020 | Stand 19.09.2023, 5:35 Uhr
Sascha Rettig

Seine Neugier führt Regisseur Werner Herzog einmal mehr in unterschiedlichste Gegenden der Erde: zu Kratern, Fundorten und Forschungseinrichtungen von der Antarktis bis zum Observatorium des Vatikans. −Foto: Apple TV+

Was für eine Reise. Eine Ewigkeit ist dieser Meteorit durch das All geflogen, Millionen über Millionen Jahre, nur um schließlich als Überbleibsel eines Planeten, der längst nicht mehr existiert, auf einer Hundehütte in Mexiko zu landen, gefunden zu werden und letztendlich in einem Plastikbehälter in einer Forschungseinrichtung in Arizona zu verschwinden.



Wenn sich Werner Herzog des Themas Meteoriten und Kometen annimmt, ist klar, dass es sich beim Resultat nicht um eine trocken wissenschaftliche Abhandlung handelt, wie das in anderen Händen vielleicht der Fall gewesen wäre. In "Fireball: Besuch aus fernen Welten", eine Doku im typischen Herzog-Stil, spürt er auch einige kuriose, obskure, wilde Erkenntnisse entlang des Weges auf, der ihn in ungebrochener Neugier einmal mehr in unterschiedlichste Gegenden der Erde führt: zu Kratern, Fundorten und Forschungseinrichtungen von der Antarktis bis zum Observatorium des Vatikans. Schon der Auftakt erstaunt: "Das ist Science-Fiction", sagt er aus dem Off – tatsächlich aber sind die Handy-Aufnahmen dieses grellen, gigantischen Lichtballs am sibirischen Himmel von 2013 echt.

Ko-Regisseur des Projekts ist wie zuvor bereits bei Herzogs "Into the Inferno" Clive Oppenheimer, ein britischer Vulkanologe von der Cambridge Universität, der die Gespräche mit enthusiastischen Wissenschaftlern und Experten vor der Kamera führt. Einmal nur unterbricht ihn Herzog dabei und meldet sich während eines Interviews hinter der Kamera zu Wort. Nachdem die Wissenschaftlerin erklärte, dass wir alle Sternenstaub seien, widerspricht er. "Ich bin kein Sternenstaub, ich bin Bayer", ruft der Filmemacher, der ansonsten mit seinem bajuwarisch gefärbten Englisch zum Erzähler von "Fireball" wird – und so wie in seinen früheren Doku-Projekten von "Grizzly Man" bis "Begegnungen am Ende der Welt" seinen eigenen Blick auf die Thematik wirft: verschroben poetisch und mit einer Schwäche für das Mysteriöse, das große Ungewisse da draußen. Dabei zielt er einmal mehr darauf ab, ein größeres Bild zu entwerfen. Schließlich verbindet er Wissenschaft, Geschichte und Kultur.

Er berichtet von Einflüssen der Meteoriten bei den Maya genauso wie vom Schwarzen Stein, vermutlich einem Meteoriten, in der Kaaba von Mekka. Immer wieder erlaubt sich Herzog zudem Abschweifungen wie etwa in Chicxulub in Mexiko. Wo vor 66 Millionen Jahren ein gewaltiger Meteorit mit der zerstörerischen Kraft von Tausenden von Millionen Hiroshima-Atombomben für eine Apokalypse und einen Riesenkrater gesorgt hat, streift die Kamera nun zu einem melancholischen, mexikanischen Schlager durch die Straßen eines heruntergekommenen Badeortes.

Sicher, es ist einmal mehr ein sehr spezielles Thema, dem sich Herzog widmet. Und manchmal gibt es durchaus Momente, in denen es für weniger partikelbegeisterte Zuschauer droht, etwas zu speziell zu werden. Doch die Faszination, mit der er seine weltweit aufgespürten Meteoriten-Geschichten in "Fireball" teilt, überwiegt – und die ist ansteckend. "Das ist Wissenschaft von ihrer besten Seite", kommentiert Herzog die letzten Szenen in der Antarktis, wo ein Wissenschaftler nach dem Fund eines Steins in der majestätischen, weißen, endlosen Wüste in ekstatischer Freude durch den Schnee springt – und man kann ihm in diesem überschwänglichen Augenblick nur zustimmen.

Die Dokumentation "Fireball: Besuch aus fernen Welten" läuft ab 13. November bei Apple TV+