Bad Reichenhall
"Es ist unsere Verantwortung"

Oberbürgermeister Lung am Volkstrauertag in Bad Reichenhall: Frieden erhalten

14.11.2021 | Stand 25.10.2023, 11:40 Uhr

Erwiesen den Toten und Opfern zweier Weltkriege, von Gewalt und Terror ihre Ehre (von links): Landrat Bernhard Kern, Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung, DSKB-Präsident Helmut Ketzko, Standortältester der Hochstaufen-Kaserne Oberst Peter Eichelsdörfer und Kommandeur der Reichenhaller Gebirgsjäger Dennis Jahn.

Fast bis zur letzten Sekunde haben die Verantwortlichen diskutiert, ob es die Mahnfeier zum Volkstrauertag angesichts des Infektionsgeschehens zu verantworten ist, gestand Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung am Sonntag bei seiner Rede am Kriegerdenkmal am Unteren Lindenplatz ein.

Doch "die Erinnerung an die Opfer von Krieg, Gewaltherrschaft und Terrorismus" ist, wie es Lung nannte, "Ausdruck unseres gemeinsamen Bedürfnisses, innezuhalten und in der Rückschau auf die Gewalterfahrungen der Geschichte den Grundstein zu legen für den Frieden in der Gegenwart und in der Zukunft".

Das Gedenken galt allen, die durch Gewalt und Unterdrückung um ihr Leben gebracht geworden sind, besonders in den zwei Weltkriegen des vergangenen Jahrhunderts, aber auch der Soldaten, die in den Auslandseinsätzen der Bundeswehr gefallen sind. "Tod und Verwundung sind wieder ein Thema geworden, von der Öffentlichkeit jedoch nur mäßig beachtet", merkte der Oberbürgermeister kritisch an.

"Glorifizierung des Krieges darf es nicht geben"

Umso mehr dankte er allen, die gekommen waren, und besonders jenen, die die Mahnfeier organisiert haben: dem Deutschen Soldaten- und Kameradschaftsbund (DSKB), namentlich Helmut Ketzko sowie Vereine, Verbände und ihre Fahnenabordnungen, allen voran die Gebirgsschützen sowie Stadtkapelle und Liederkranz, die Ehrenzug und Feier musikalisch würdevoll begleiteten.

In seiner Rede erinnerte Lung an den Ursprung des Volkstrauertags nach dem Ersten Weltkrieg, der später gelegentlich auch für politische Zweckentfremdung herhalten musste. Dem erteilte er eine Absage: "Nach allem, was wir in der deutschen Geschichte leidvoll erfahren haben, kann der Volkstrauertag aber heute gerade kein Heldengedenken mehr sein – eine Glorifizierung des Krieges darf es insoweit nicht geben", betonte Lung in Einigkeit mit dem Aufruf der Soldatenverbände.

"Menschliches Leben leidet im Krieg besonders"

Wie am Samstag berichtet, hatten DSKB-Kreisvorsitzender Johann Berger und Bayern-Präsident Helmut Ketzko zum Gedenken auf "in Achtung und Ehrfurcht der über 120 Millionen Menschen, die in den beiden großen Weltkriegen für die sinnlosen Auseinandersetzungen mit ihrem Leben und ihrer Gesundheit bezahlen mussten" aufgerufen und erklärt: "Wenn wir wieder begreifen, was der Volkstrauertag von uns will, nämlich nicht das Epos des Heldentums in den Vordergrund zu stellen, und welche Ziele er wirklich verfolgt, dann behält er seinen Sinn und wirkt in die Zukunft."

Der Volkstrauertag dürfe aber auch nicht beliebig werden, knüpfte Lung daran an. "Im Zentrum ist und bleibt die Erkenntnis, dass der Wert des menschlichen Lebens im Krieg besonders leidet."

Man spürt die Ratlosigkeit, die Verzweiflung

Der Oberbürgermeister erinnerte an den Appell von Papst Pius XII. am 24. August des Jahres 1939 per Radiobotschaft an die Weltöffentlichkeit: "Nichts ist mit dem Frieden verloren. Aber alles kann mit dem Krieg verloren sein." Man spüre regelrecht die Ratlosigkeit und Verzweiflung darüber, dass die bitteren Folgen eines Krieges im Vorhinein überhaupt nicht bedacht werden, so Lung, nämlich: Millionen von Menschen mussten in den folgenden Jahren des Kriegs weltweit ihr Leben lassen. Am 25. April des Jahres 1945 erreichten die Schrecken des Kriegs endgültig auch die Stadt Bad Reichenhall.

"Dies wurde zu einer der schlimmsten Erfahrungen in der Geschichte unserer Stadt und markierte einen bewusstseinsprägenden Moment, von dem ältere Reichenhaller auch heute noch angsterfüllt berichten: 215 Menschen kamen bei einem Bombenangriff ums Leben, etwa 1000 Menschen in unserer Stadt wurden mit einem Schlag obdachlos, das Kammerbotenviertel hier nebenan glich einer Ruinenstätte. Der Tod und das so sinnlose Sterben waren auf einmal mitten unter uns."

Einig im Vorsatz: "Nie wieder Krieg"

Aber es habe auch immer Zeichen der Hoffnung gegeben, nannte er als Beispiel die Muttergottes, die nach dem Luftangriff unversehrt aus den Trümmern des zerstörten Schulhauses geborgen werden konnte. Und appellierte abschließend: "Lassen Sie uns daran denken, wann immer Konflikte zu lösen sind. Es ist auch unsere Verantwortung, den Frieden in unserer Welt zu erhalten."

Der Mahnfeierstunde am Unteren Lindenplatz vorausgegangen war ein Gedenkgottesdienst. Dabei hatte auch der katholische Stadtpfarrer Markus Moderegger in seiner Predigt dem Jubel und Nationalstolz vor den beiden Weltkriegen das "Entsetzen angesichts der Toten, der Zerstörung, der massenweisen und systematischen Vernichtung von Menschen" nach den Kriegen gegenüber gestellt. Es sei schließlich "Gott sei Dank" in Nachdenklichkeit, Besinnung und gute Vorsätze umgeschlagen. "Nie wieder Krieg" sei ja zur festen Beteuerung und zur Hoffnung der Völker geworden.

Aber, so mahnte auch der Pfarrer, und seinen Worten schloss sich die evangelische Pfarrerin Claudia Buchner gegenüber der Heimatzeitung an: "Ein wirklicher Friede ist niemals sicher. Er muss vielmehr immer neu gewonnen werden."