Einer legendären spanischen Familie auf der Spur

31.08.2012 | Stand 31.08.2012, 14:00 Uhr

Vetternwirtschaft, Machtmissbrauch, Intrigen − das gab es alles schon im Mittelalter. Ein gutes Beispiel dafür ist die berüchtigste Familie der italienischen Renaissance, die Borgias. Was kaum jemand weiß: Die berühmten Borgias haben ihren Ursprung in der spanischen Provinz Valencia.

Im weitläufigen Hafenbecken von Valencia dümpeln Katamarane und Yachten im Wind. Um den prestigeträchtigen America’s Cup nach Valencia zu holen, hat die Stadt sehr viel Geld in den Umbau der alten Hafenanlage zur Marina Real Juan Carlos I. gesteckt. Seither hat Valencia schon zweimal das Segel-Spektakel beherbergt. Direkt am Hafen verläuft auch die Formel-1-Rennstrecke.

Historisches Valencia wird lebendigGeradezu futuristisch wirkt die "Stadt der Wissenschaft und Künste". Sieben Bauwerke mit kühnen Formen ließ die Stadt seit Ende der 90er Jahre in den Turia-Gärten in einem ausgetrockneten Flussbett errichten, darunter ein Opernhaus, ein Wissenschaftsmuseum und den größten Unterwasserzoo Europas, Oceanográfico. Das ist die eine, moderne Seite von Valencia. In der Altstadt mit ihren Jugendstilbauten wird dagegen das historische Valencia lebendig.

Geprägt haben die Stadt unter anderem zwei berühmte Mitglieder der Borgias: Alonso de Borja (so lautet die spanische Schreibweise des Namens), der spätere Papst Calixtus III., und sein Neffe Rodrigo, der spätere Papst Alexander VI. Noch als Bischof von Valencia ordnete Rodrigo de Borja im Jahr 1472 an, das gotische Gewölbe der Kathedrale von Valencia mit Freskomalereien auszugestalten, wie sie in Rom üblich waren. Im 17. Jahrhundert verschwanden die prächtigen Renaissance-Malereien hinter einem Barockgewölbe. "Die Fresken wurden bei Renovierungsarbeiten im Juni 2003 eher zufällig wiederentdeckt und anschließend sorgfältig restauriert. Man hatte geglaubt, sie seien zerstört", erzählt Petra Jan Mullekam, eine Holländerin, die seit 15 Jahren in Valencia lebt und als Reiseführerin arbeitet.

Heute gehören die farbenfrohen Engelsdarstellungen auf lapislazuli-farbenem Hintergrund zu den größten Sehenswürdigkeiten des Gotteshauses − wie auch der "Santo Caliz" aus Achat, der als heiliger Kelch des Letzten Abendmahls oder sogar als der sagenhafte heilige Gral gilt.

An den Seitenwänden der Borja-Kapelle der Kathedrale hängen zwei Gemälde des spanischen Malers Goya. Sie zeigen Szenen aus dem Leben von St. Francisco Borgia. Der Urenkel von Papst Alexander VI. war als dritter Herzog von Gandia für seine Sittenstrenge und seinen Glauben bekannt. Nach dem Tod seiner Gattin Leonora de Castro verzichtete er auf seine Würden und trat in den Jesuitenorden ein. Diesen Moment thematisierte Goya in dem Gemälde "Francisco Borgia nimmt Abschied von den Seinen". Das Bild "Francisco Borgia am Sterbebett" zeigt ihn, wie er einem Sterbenden Beistand leistet. Francisco stieg in der Hierarchie des Jesuitenordens bis zum dritten General auf und wurde in Anerkennung seiner Verdienste von Papst Clemens X. heiliggesprochen.

Korrupte Päpste mit MätressenFranciscos Vorfahren waren da von ganz anderem Kaliber. Aus Katalanien war die Familie de Borja einst in die Stadt Játiva bei Valencia gekommen. Mit großem Geschick und dank glücklicher Umstände stieg Alonso de Borja in der Kirchenhierarchie bis zum Kardinal auf. Am 9. April 1455 wurde er zum Papst gewählt und schon bald begann er ein System der Begünstigung zu installieren, von dem vor allem seine Verwandten profitierten. Übertroffen wurde er dabei noch von seinem Lieblingsneffen Rodrigo de Borja, den er schon bald zum Kardinal gemacht hatte. Der legendäre Machtstratege kam im Jahr 1492, über 25 Jahre nach dem Tod seines Onkels, zu seinem Pontifikat. Als Papst Alexander VI. steht er noch heute für ein korruptes und verweltlichtes Papsttum. Schon als Kardinal hatte er Mätressen und zeugte eine Reihe von Nachkommen. Am bekanntesten wurden sein Sohn Cesare, von Machiavelli als "skrupelloser Machtpolitiker" beschrieben, und seine Tochter Lukrezia, die ihr Vater aus politischem Kalkül insgesamt dreimal verheiratete.

Ein weiterer Sohn von Alexander VI., Pedro Luis, erbaute Ende des 15. Jahrhunderts einen Palast in Valencia, heute als Palacio de Benicarlo bekannt. In dem gotischen Gebäude an der Plaza de San Lorenzo residiert heute das Landesparlament. Auch der Bau der Universität von Valencia geht auf einen päpstlichen Erlass von Alexander VI. im Jahr 1500 zurück.

Spuren der Familie Borgia finden sich nicht nur in der Hauptstadt der Provinz Valencia, sondern auch in umliegenden Orten. Geburtsort der beiden späteren Päpste ist die etwa 60 Kilometer südlich von Valencia gelegene Stadt Játiva. Sie wird überragt von der Burg, die einen fantastischen Ausblick nach allen Seiten erlaubt. Sie diente früher als Gefängnis. In der gut erhaltenen Altstadt können die Touristen viele Gebäude und Stadtpaläste aus dem 13. und 14. Jahrhundert bewundern. In der Kirche des heiligen Pedro wurde der spätere Papst Alexander VI. im Jahr 1431 getauft. Auch das Geburtshaus des Papstes ist erhalten. Vor der Basilika, in der einige Mitglieder der Borgia-Familie beerdigt sind, stehen Skulpturen, die die Päpste Calixtus III. und Alexander VI. zeigen.

65 Kilometer südlich von Valencia liegt Gandia. Zum Stadtgebiet gehört auch der Hafen von El Grao in vier Kilometern Entfernung. Wegen der schönen Strände verbringen viele Spanier gerne das Wochenende oder den Urlaub in Gandia. Die Borgias kamen 1485 nach Gandia, als der damalige Kardinal Rodrigo de Borja König Ferdinand II. von Aragon das Herzogtum Gandia abkaufte und seinem erstgeborenen Sohn Pedro Luis gab. Danach lebten die Borgias im prächtigen Palau Ducal dels Borja, dem Stammsitz der Borgias. Dort wurde am 28. Oktober 1510 Francisco de Borja geboren. 1887 kauften die Jesuiten den Palast. Seit 1964 ist er ein Nationaldenkmal und Besucher können die prächtigen Räume besichtigen.

INFO Anreise: Lufthansa fliegt einmal wöchentlich ab München direkt nach Valencia.

Sehenswürdigkeiten: Informationen über die Kathedrale und die Wiederherstellung der Fresken unter www.catedraldevalencia.es.

 Hotels: Das Westin Valencia ist ein zentral in der Altstadt gelegenes, luxuriöses Fünf-Sterne-Hotel mit ruhigem Innenhof und Designer-Suiten,  0034/96/3625900, www.westinvalencia.com. Das Las Arenas Balneario Resort in Valencia mit fünf Sternen verfügt über direkten Zugang zum Strand von Valencia, Swimmingpools und Spa,  0034/96/3120600, www.hotel-lasarenas.com. Zentral in der Altstadt von Gandia liegt das Hotel Borgia,  0034/96/ 2878109, www.dchoteles.net.

 Essen: Große Auswahl an Tapas und spanischen Weinen bieten Emiliano und Alejandro Garcia Llinares im Casamontana in Valencia. Das Restaurant ist 176 Jahre alt, früher gab’s Wein aus Fässern, heute lagern ausgesuchte Flaschen,  0034/96/3672314, www.emilianobodega.com. Im Restaurante La Pepica mit schönem Ausblick auf den Strand von Valencia haben schon Ernest Hemingway und andere Berühmtheiten Paella und Fisch gespeist,  0034/96/3710366, www.lapepica.com. Bernd H. Knöller stammt aus dem Schwarzwald, lebt seit 19 Jahren in Valencia und betreibt das Sternelokal Riff mit mediterranen Gerichten,  0034/ 96/3335353, www.restaurante-riff.com. In Gandia: Ausgezeichnete Fisch-, Fleisch- und Nudelgerichte sowie Tapas im Restaurante Almar mit hübschem Innenhof,  0034/96/2865435, www.restaurantealmar.com. In Játiva: Inhaber José Manuel Montaner serviert im Pebrenegre die typischen valencianischen Reisgerichte,  0034/96/2280723, www.pebrenegre.com.

Auskünfte: Spanisches Fremdenverkehrsamt München,  089/5307460; www.spain.info. Tourismusbüro Valencia:  0034/ 963606353, www.turisvalencia.es.

Sabine Heinritz, Redakteurin der Passauer Neuen Presse, folgte auf Einladung des Spanischen Fremdenverkehrsamts München den Spuren der Borgias in der Provinz Valencia.