Fridolfing
Eine Brücke auf wackeligen Beinen

Bürgerinitiative "Vernunft statt Salzachbrücke" hält Videokonferenz ab – Viele Argumente gegen Bau

28.11.2020 | Stand 20.09.2023, 5:45 Uhr

Die Salzachbrücke zwischen Tittmoning und Ostermiething: Wenn es nach den Vertretern der Länder Oberösterreich und Bayern geht, soll das Bauewerk eine "große Schwester" bekommen – favorisiert wird der Standort Kelchham bei Fridolfing. Für den Verein "Vernunft statt Salzachbrücke" ist das völlig ausgeschlossen. −Foto: Scharinger

Eine vor knapp einer Woche veröffentlichte Absichtserklärung zwischen Oberösterreich und Bayern hat für ordentlich Gesprächsstoff gesorgt (wir berichteten). Gegenstand des sogenannten "Letter of Intent": Eine neue Salzachbrücke, die auf dem Gemeindegebiet Fridolfing gebaut werden soll. Von den neuesten Entwicklungen irritiert beriefen Vertreter der Bürgerinitiative "Vernunft statt Salzachbrücke" (VSS) eine Videokonferenz ein. Und die Mitglieder um Vorsitzenden Sepp Frech bleiben dabei: Ein Brückenbau an dieser Stelle sei aus vielerlei Gründen unsinnig und würde nicht nur rechtlich auf sehr wackeligen Beinen stehen.

Spätestens nach den Ergebnissen der Probebohrungen 2010 habe sich gezeigt, dass ein Bauwerk an dieser Stelle aus technischen, rechtlichen und finanziellen Gründen nicht möglich sei, meinte Vorstandsmitglied Ilse Englmaier in der digitalen Sitzung.
"Wegen des Europäischen Schutzgebietes müsste die Brücke auf einen Kilometer Länge und zehn Metern Höhe aufgeständert werden. Wegen der bis zu 70 Meter dicken Seetonschicht müssten die Pfeiler tiefengegründet, also auf festem Untergrund in großer Tiefe gebaut werden. Das wäre extrem aufwendig und würde die Kosten in schwindelnde Höhe treiben", fasste Vorsitzender Frech zusammen.

Die letzten Kostenschätzungen der mit dem Projekt beauftragten Bauingenieure hätten sich auf 43 Millionen Euro allein für das Brückenbauwerk belaufen, aber das sei 2010 gewesen und außerdem kämen noch etliche Nebenkosten hinzu. Inzwischen könne man wohl von 60 bis 70 Millionen Euro für den Bau der Brücke ausgehen, schätzte Frech. Auf die Frage nach den Planungskosten antwortete er, dass bisher 1,1 Millionen Euro in die Planungen geflossen seien. Die Probebohrung bei Kelchham habe allein circa 250000 Euro gekostet – aber immerhin habe man das eindeutige Ergebnis erhalten, dass sich der Untergrund für das Bauvorhaben nicht eignet.
Ilse Englmaier ergänzte, dass der österreichische Umweltsenat in seinem Urteilsspruch zur UVS-Pflicht des Landes Oberösterreich dem Brückenbauwerk bereits eine hohe Einsturzgefahr wegen der mangelnden Standsicherheit prognostiziert habe. Im Übrigen sei der Brückenbau auch aus rechtlichen Gründen wegen der massiven Schädigung des Schutzgebietes nicht genehmigungsfähig. Darauf habe die Bürgerinitiative "Vernunft statt Salzachbrücke" schon immer hingewiesen und das habe auch die Regierung von Oberbayern 2011 in einem Schreiben an den österreichischen Umweltsenat bestätigt. Und Englmaier hatte noch ein Ass im Ärmel: "Ich habe gute Neuigkeiten: Inzwischen hat das Land Oberösterreich die Lücke im Europaschutzgebiet Salzachauen geschlossen, die bei Riedersbach widerrechtlich für den Brückenbau offengehalten wurde, so dass nun an beiden Ufern Europäische Schutzgebiete bestehen, die nicht bebaut werden dürfen", freute sie sich.
Sepp Frech erinnerte an die Gründung der Bürgerinitiative im März 2009, in deren Folge die Anzahl der Mitglieder schnell auf über 500 wuchs. "Die Mehrheit der Bevölkerung im Rupertiwinkel lehnt den Brückenbau ab. Den Leuten ist längst klar, dass eine neue Brücke keine Vorteile für die Region bringt, sondern nur noch mehr Durchgangs-Schwerlastverkehr anziehen wird. Schon aufgrund des Standorts der geplanten Brücke ist die Versuchung für Mautflüchtlinge groß, die B304 anzufahren, die in ihrer Ost-West-Ausrichtung genau zwischen der A94 im Norden und der A8 im Süden liegt. Und es fahren dann auch noch mehr Lkw auf der B20, um die Staus nach Salzburg zu umgehen", erläuterte Frech. "Außerdem sehe ich eine Gefahr für die kleinen Geschäfte und Handwerksbetriebe. Sie werden möglicherweise verdrängt, weil sich durch die neue Verbindung die Konkurrenz mit größeren Unternehmen nahezu verdoppeln würde. Wer könnte das wollen?"
Zum Schluss der Videokonferenz waren sich alle Teilnehmer einig: Jeder, der vor allem die technischen, rechtlichen und finanziellen Gründe, die gegen den Bau einer Salzachbrücke bei Kelchham sprechen, ignoriert und weiterhin Gelder für diese Planung ausgeben will, mache sich der bewussten Verschwendung von Steuergeldern schuldig.

− enz