6000 Besucher bei der Jazzwoche
Ein Schlusskonzert wie ein Sommergewitter in Burghausen

28.03.2022 | Stand 21.09.2023, 2:58 Uhr
Stefan Hensel

Alma Naidu aus München zählt zu großen deutschen Jazz-Hoffnungen. Mit ihrer Stimme verzauberte sie den Stadtsaal. −Foto: Stefan Hensel

Von gefühlsbetontem Gesang zu brachialer Klanggewalt mit zwei Schlagzeugen, zwei Bässen und drei Bläsern – wo sonst, als auf der Jazzwoche Burghausen, gibt es so eine Bandbreite an einem Nachmittag auf einer Bühne? Und wo sonst kann sich so eine Mischung zu einem perfekten Konzerterlebnis fügen?

Zum Abschluss der Jazzwoche 2022, die rund 6000 Gäste zählte, ist der Stadtsaal fast vollständig gefüllt, als die Schweizer Band Ikarus die Bühne betritt. Die Musiker lieben es, mit Tönen und Klängen zu spielen. Mit Anna Hirsch und Andreas Lareida stehen zwei Sänger auf der Bühne, jedoch singen sie kein einziges Wort, sie nutzen ihre Stimmen wie Instrumente, die mal nach Gitarren mit Echo-Effekt, mal nach afrikanischem Gesang und mal nach Science-Fiction-Soundtrack klingen.

Auch aus Bass, Piano und Schlagzeug holen die Bandmitglieder weit mehr als klassische Melodien, Harmonien und Beats: Eingängige Passagen werden immer kräftiger, entwickeln sich zu einem Groove, der in die Knochen geht, bevor die Töne immer abgehackter und perkussiver werden, um sich wieder in sphärischen Klängen aufzulösen.

Wenige Augenblicke braucht die Münchnerin Alma Naidu, um das Publikum mit ihrer Stimme zu verzaubern. In "Something ’bout the Rain" beginnt leise der Regen zu fallen, Naidu singt gefällig, gefühlsbetont, sanft – so sanft, dass es fast wehtut. Dann zieht der Sturm auf, der Text wird zu gewittrigen Klängen, die die junge Sängerin mit unglaublicher Stimmgewalt in den Saal schallen lässt, während die Band Vollgas gibt. Und mit einem Schlag ist das Gewitter vorbei. Kristallklar und leise erklingt die Zeile "There is something about the rain" und die Luft im Saal ist klar und frisch, wie nach einem Sommergewitter.

Stilbruch. Ein lautes Sample aus dem Off, chaotische Stimmen, verzerrte Töne; Shake Stew legen los mit brachialem Beat auf zwei Schlagzeugen und drei Bläsern. Dazu ein Bass-Groove, der durch Mark und Bein geht, gespielt von Bandleader Lukas Kranzelbinder auf einer nordafrikanischen Guembri. Es ist eine unbeschreibliche Energie, die die sieben Österreicher auf die Bühne bringen.

Stilistisch ist die Musik kaum einzuordnen, kurz gibt es ein klassisches Saxofonsolo mit Swing-Begleitung, dann eine Minimal-Music-Passage, die schließlich in ein psychedelisches E-Gitarrensolo übergeht. Nur eines bleibt immer gleich: Shake Stew grooven. Köpfe und Füße der Zuhörer wippen unentwegt mit, egal ob gerade die zwei Schlagzeuger ein minutenlanges Solo spielen, ausgefuchste Bläsersätze erklingen oder eine Melodie auf der verzerrten Kalimba. Diese Band macht einfach gute Laune.

Drei junge Formationen sind an diesem Nachmittag angetreten, um zu zeigen, wo die Reise des Jazz im deutschsprachigen Raum hingeht: Die Zukunft wird ungemein spannend, vielfältig und von höchster Qualität sein. Ein mehr als würdiger Abschluss für die 51. Burghauser Jazzwoche 2022.

Stefan Hensel