Ein Kelly in Niederbayern

Michael Patrick Kelly begeistert im Kulturzelt nicht nur eingefleischte Fans

15.07.2017 | Stand 22.09.2023, 0:54 Uhr
Kristina Pöschl

Singt Lieder mit Tiefe: Michael Patrick Kelly im Kulturzelt. − Foto: Kristina Pöschl

Deggendorf. Er füllte in den 90er Jahren mit der "Kelly Family" die größten Stadien Europas, komponierte die Hits der Band und verkaufte Millionen von Tonträgern. Am Donnerstagabend spielte Paddy Kelly, der sich jetzt Michael Patrick Kelly nennt, ein Konzert im Kulturzelt am Donaufest und stellte sein neues Solo-Album vor.
Der Auftritt in Deggendorf war für ihn fast ein Heimspiel, denn Michael Patrick Kelly lebt mittlerweile in Niederbayern. "Mein Körperbau hat sich etwas verändert, seit ich in Bayern lebe", meinte er mit Ruhrpott-Akzent beim Blick auf seinen Bauch, und auch vom guten Catering mit Semmelknödeln im Backstage-Bereich schwärmte er. Im Kulturzelt kamen ihm seine Fans so nahe wie selten. Ab 6 Uhr morgens warteten die ersten vor dem Zelt, um einen Platz in den vorderen Reihen zu ergattern.
Kelly zeigte sich nahbar, ließ zwei Kinder in Dirndl und Lederhose zu sich auf die Bühne kommen und machte bereitwillig Selfies. "Wie sagt man das auf Boarisch? Eine Mordsgaudi" wolle man an diesem Abend haben. Tatsächlich ist der routinierte Musiker und Sänger ein mitreißender Unterhalter auf der Bühne. Gleichzeitig haben seine Solo-Lieder Tiefe.
"iD" ist der Titel seines neuen Albums, das er in Deggendorf vorstellte. Mit dem Opener "Golden Age" und dem Titelsong "iD" riss er die Zuhörer mit, von Anfang an stand das komplette Zelt. "Who am I? Who are you?" reflektiert er in seinen Liedern über den eigenen Platz im Leben, der für den ehemaligen Teenie-Star nicht leicht zu finden war. Flotte Pop-Nummern wechselten sich ab mit berührenden Gänsehaut-Balladen. "The dark soul of Rock’n’Roll" hat Kelly auf der Erfolgswelle selbst kennen gelernt. Das Gegenprogramm waren sechs Jahre Kloster in den 2000er Jahren. "Nach sechs Jahren kam ich mir vor wie Michael J. Fox aus Zurück in die Zukunft", scherzte er über die rasante Entwicklung der sozialen Netzwerke.
Sein Gleichgewicht hat der Musiker gefunden. Achtsamkeit ist immer wieder Thema in seinen Liedern, er singt über Dankbarkeit für Freunde und Familie oder betet für Hoffnung und Frieden. Inspirierend war für ihn die Teilnahme an der quotenwirksamen Fernsehsendung "Sing meinen Song", daher baute Kelly in sein Programm auch zwei Stücke auf Deutsch von Silbermond und Mark Forster ein. Auch an die Zeit mit der "Kelly Family" erinnerte Michael Patrick mit ein paar wenigen Stücken. Ihr größter Hit "An angel", geschrieben von Paddy Kelly, durfte nicht fehlen. Er stellte solo eine komplett neue Version vor: Die Schnulze aus den 90er Jahren hat er zu einem modernen, fast nicht wiederzuerkennenden Pop-Song weiterentwickelt.
Michael Patrick Kelly weiß eben, wie man gute Musik schreibt. Seine Stücke sind radiotauglich, aber nicht flach, sondern komplex aufgebaut. Mit ihm auf der Bühne standen zwei Gitarristen, ein Bassist, ein Keyboarder und ein Schlagzeuger, allesamt Vollprofis. Kelly griff selbst zur Gitarre oder setzte sich ans Klavier. Vor allem aber überzeugte er durch seine volle, unverwechselbare Stimme. Viele eingefleischte Kelly-Fans waren im Publikum, sie klatschten mit, schwenkten beim Titel "Wave your flag" ihre Landesflaggen aus Bayern, Österreich, Tschechien oder Polen und sangen lautstark mit.
Vor den Zugaben – unter anderem dem Bob-Dylan-Cover "Jokerman" – sang Michael Patrick Kelly mit "Shake away" seinen bekanntesten Solo-Song. "Shake away the old chains in my life" heißt es darin. Sich von seinem alten Leben zu lösen ist ihm gelungen, er geht seinen eigenen Weg als leidenschaftlicher und überzeugender Solomusiker.