Ein Dorf in den Tiefen des Moldaustausees

30. Jahrestag des Falles des Eisernen Vorhangs: Lichttechnik lässt "Untermoldau" für ein paar Minuten auftauchen

24.09.2019 | Stand 24.09.2019, 4:00 Uhr

Fulminante Folklore: Libin-S sorgte für Stimmung beim Tanzauftritt auf der Bühne. −Fotos: Steiml

Untermoldau/ Dolni Vltavice (CZ). Was für eine wunderbare, was für eine außergewöhnliche Veranstaltung, was für ein Andrang! Als der Verein "Dolni Vltavice zije – Untermoldau lebt" die einst im Moldaustausee versunkene Ortschaft Untermoldau dank moderner Lichttechnik für einen Abend wieder hat auftauchen lässt, war dies ein Ereignis mit rund 5000 Besuchern, es war ein schöner Beitrag zum 30. Jahrestag des Falls des Eisernen Vorhanges, der zuvor jegliches Zusammenleben im Dreiländereck verhindert hatte, und es war eine Erinnerung und Mahnung zugleich an die nächsten Generationen, Frieden und Freiheit nie wieder aufs Spiel zu setzen.

Organisatoren freuen sichüber rund 5000 BesucherMan spürte als Besucher, dass der Großteil der Teilnehmer an diesem Ereignis wusste, an welchem geschichtsträchtigen Ort man sich befand. Untermoldau hatte eine turbulente Historie erlebt. Hier hatte es in früheren Jahrhunderten keine Grenzen gegeben, hatte die Bevölkerung gut nachbarschaftlich zusammengelebt an der Schnittstelle von Bayern, Böhmen und dem Mühlviertel. 1268 war Untermoldau gegründet worden, damals noch unter dem Namen Hirschau, später dann wurde es mundartlich zu Wulda. Auch das Wappen zeigt mit der grünen Wiese auf Schlägener Seite, der Moldau in der Mitte und der fünfblättrigen Rose der Rosenberger, dass Böhmerwäldler und Österreicher sich hier sehr nah waren an jenem uralten Handelsweg von Linz nach Prag. 1505 waren Wulda oder Untermoldau die Marktrechte verliehen worden. Grenze spürbar wurde nach dem Ersten Weltkrieg und dann erst recht nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Eiserne Vorhang Verbindungen unterbrach, Ost und West trennte.

Als dann ein schon 1902 ins Auge gefasstes, damals aber fallengelassenes Projekt im Jahr 1959 in Tschechien realisiert wurde, schlug die schwärzeste Stunde für das schmucke Dorf an der Moldau. Der Lipno-Stausee wurde gebaut. Im über 40 Kilometer langen Stauwasser verschwanden etliche Orte. Auhmühle, Fleißheim, Mayerbach, große Teile von Heuraffel…und eben auch Untermoldau. Nur drei Häuser seien übriggeblieben, berichtet Bruno Nodes aus Waldkirchen, der 1944 im zur Pfarrgemeinde Untermoldau gehörenden Waltersgrün geboren und als kleiner Bub mit der Familie aus der Heimat vertrieben worden ist. Er, aber auch Heinz Pollak oder Franz Nodes und viele andere, die den Böhmerwald im Herzen tragen, wussten der PNP gegenüber am Ufer einiges zu berichten über jene Zeit, als Schule und Marktplatz, Rathaus und Handwerksbetriebe, die Reste der abgerissenen Kirche und geschleifte Häuser im Seewasser versanken. Wehmut schwang mit, dort am südlichen Ende des Lipno beim Blick über das dunkle Wasser.

Gänsehautmomentein dunkler NachtErst recht, als langsam im Finstern Untermoldau wieder auftauchte. Da spielte eindrucksvoll das Trebroner Kur-Symphonieorchester und in der Dämmerung klang die Musik weit hinaus über den See. Dann erklingen Alphörner und das ist der Auftakt für "Art4Promotion", jene Künstlergruppe, die mit Licht und visuellen Effekten langsam die Häuser, die Kirche, die Gassen von Wulda, wie früher Untermoldau im Volksmund auch genannt wurde, auftauchen. Technische Probleme gibt es zwar, als die Laser flimmern und zucken und auf der Reisenleinwand am Ufer beeindruckende Fotos von den letzten Tagen des Ortes zu sehen sind. Dennoch: Gänsehautatmosphäre in der kühlen dunklen Nacht und vielen Zuschauern wird warm ums Herz.

Darunter sind auch ehemalige Untermoldauer und deren Nachkommen, deren alljährliches Heimattreffen extra auf diesen Termin verlegt wurde. In Aigen-Schlägel hatte es ihr Treffen gegeben, mit Messe in der Kirche, mit Gang zur Gedenkstätte in Grünwald und von Österreich ging es dann per Bus zur Grenze und per Fähre hinüber ins Böhmische, in die alte Heimat. Ihnen taten es auch jene Interessenten aus der Bevölkerung gleich, die dabei sein wollten, die aber nicht mit dem Auto über Philippsreut und den ganzen Stausee entlang fahren wollten, sondern den Busservice vom viel näher gelegenen Aigen aus nutzten.

Den hatte der ausrichtende Verein um die rührige Vorsitzende Ema Kondyskova organisiert, der sich als Partner den Verein der heimattreuen Böhmerwäldler auf bayerischer und die Gemeinde Aigen-Schlägl aus dem österreichischen Mühlviertel ins Boot geholt hatte. Eine gute grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die auch mit Fördergelder honoriert wurde, und zwar über Interreg V – Europäischer Fonds für regionale Entwicklung Freistaat Bayern-Tschechische Republik, Ziel ETZ und Österreich-Tschechische Republik.

Gut, dass auch das Wetter mitgespielt hat an jenem Tag, an dem Untermoldau aus seiner Versunkenheit wieder aufgetaucht war und an dem es auch viel Programm gegeben hat. Da kamen die rund 30 Mitwirkende vom Musikverein Aigen-Schlägel herüber und spielten auf der Fähre und am Festplatz auf. Ema Kondyskova und die Vertreter des Organisationskomitees begrüßten die Ehrengäste, die Grußworte hielten (siehe Bericht unten).

Eindrucksvoll waren die Segnung des Ortes durch Dr. Martin Felhofer, dem Abt des Klosters Schlägl, und von Dr. Martin Pastrnak, dem Provinzial der Kreuzritter mit dem roten Stern in Wien.

Geweiht wurde auch die neue Broschüre, die über die Geschichte des untergegangenen Ortes herausgegeben wurde. Auch der Vortrag über die Geschichte durch Frantisek Zahora interessierte, bestens bebildert von Petr Hudicak vom Seidl-Museum Krummau (Cesky Krumlov). Für gute Musik sorgten der Musikverein aus Aigen-Schlägel und die Gruppe Jajanek aus Bayern sowie Libin-S mit ihrer böhmischen Folklore und den Tanzvorführungen. Bereichert wurde der Nachmittag durch Ballonstarts, Märchen für die Kinder, Dampferfahrten auf dem Lipno und auch Wissenswertem über das nahe Kraftwerk, das es am unteren Auslauf des Sees seit 30 Jahren gibt.

859 Menschen wurdenvon hier vertriebenUntermoldau konnte nur für einige Minuten emporsteigen aus dem Seewasser. Aber die Erinnerung an die untergegangenen 119 Häuser von Untermoldau, Sarau und Geisleiten sowie der Vertreibung ihrer 859 Einwohner wurde damit aufgefrischt und mit diesem Tag wurde beeindruckend gezeigt, dass in der Dreiländerregion sich die Menschen längst wieder zusammengefunden haben nach einem dunklen Kapitel Geschichte, das vorbei, aber nicht vergessen ist. Die Schirmherrschaft dazu hatten mit Mgr. Ivana Straska die Hauptfrau der Region Südböhmen und mit Dr. Jur. Ivana Cervenkova die Botschafterin von Tschechien in Österreich übernommen.