PNP-Spendenaktion
Dürre in Kenia frisst die Hoffnung der Menschen

28.11.2021 | Stand 21.09.2023, 4:46 Uhr
Philipp Hedemann

Die ehemalige britische Kolonie am Horn von Afrika leidet unter der größten Dürre seit Jahrzehnten. Betroffen sind vor allem die großen Ebenen im Norden und Osten des Landes wie der Regierungsbezirk Garissa, in dem die PNP aktuell recherchiert hat. −Grafik: AFP/Tahetl, Foto: Pixabay

In den letzten Jahrzehnten hat Kenia im Kampf gegen Hunger und Armut große Erfolge erzielt. Doch der Klimawandel führt dazu, dass das ostafrikanische Land immer häufiger von verheerenden Dürren heimgesucht wird.

Erst sterben die Rinder, dann die Ziegen und Schafe, dann die Kamele und dann..." Ahmed Abdi will den Satz nicht zu Ende denken und nicht zu Ende sprechen. Sein ganzes Leben lang hat der 73-Jährige im Osten Kenias Tiere gehütet. Der alte Mann kann sich noch gut daran erinnern, dass Kenia eine britische Kolonie war, dass es immer wieder Dürren gab und Tiere verendeten. Aber dass so viele Tiere in so kurzer Zeit starben – das hat es nie gegeben, sagt der Alte.

Seit Jahren hat es im Norden und Osten Kenias nicht ausreichend geregnet. Mittlerweile hat die Dürre so katastrophale Ausmaße angenommen, dass nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen schon bald rund 2,5 Millionen Menschen im ostafrikanischen Land nicht genug zu essen haben könnten. Ahmed Abdi und seine Familie gehören zu diesen zweieinhalb Millionen Menschen.

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Monate ohne einen Tropfen Regen hat es in Kenia schon immer gegeben. Vor allem die nomadischen Viehhirten im Norden und Osten des Landes wurden davon stets besonders heftig getroffen, ihre Herden wurden immer wieder stark dezimiert. "Aber als ich jung war, gab es zwischen den Dürren auch immer gute Jahre mit viel Regen. Da haben sich unsere Herden erholt. Die Tiere waren gesund und haben sich gut vermehrt. Aber jetzt folgt eine Dürre auf die nächste. Wie sollen wir das auf Dauer überleben?", fragt Ahmed Abdi, der bereits 185 seiner 200 Rinder verloren hat.

Tatsächlich wird der Osten Afrikas in immer kürzer werdenden Abständen von Dürren heimgesucht. Die Nomaden im Osten und Norden des Landes müssen zu Fuß oder mit einfachen Eselkarren immer längere Strecken zurücklegen, um Wasser für ihre Familien und ihre Tiere zu finden. Wissenschaftler führen dies unter anderem auf den menschengemachten Klimawandel zurück. Zuletzt war das Horn von Afrika in den Jahren 2011 und 2006 von katastrophalen Dürren betroffen. Vor allem im Bürgerkriegsland Somalia, das rund 120 Kilometer östlich von Ahmed Abdis Dorf an Kenia angrenzt, verhungerten und verdursteten damals ungezählte Kinder, Frauen, Männer und Tiere.

Zwischen Mega-Slums und Fünf-Sterne-Hotels

Dabei ist Kenia eines der politisch stabilsten und wirtschaftlich erfolgreichsten Länder Ostafrikas. Hochhäuser in der schnell wachsenden Fünf-Millionen-Metropole Nairobi; Bauern, die von ihren im Ausland lebenden Kindern Geld geschickt bekommen; der oft schneebedeckte 5199 Meter hohe Mount Kenya; die stinkenden, engen Gassen des riesigen Slums Kibera in der Hauptstadt Nairobi; Fünf-Sterne-Hotels an den feinsandigen Traumstränden am Indischen Ozean; die Big Five im Masai-Mara-Nationalpark – das 55-Millionen-Einwohner-Land, das ungefähr so groß wie Deutschland, Österreich, Schweiz und die Tschechische Republik zusammen ist, hat viele Gesichter.

In den letzten zehn Jahren legte die Wirtschaft jedes Jahr durchschnittlich um fünf Prozent zu, seit 2014 gilt Kenia nach den Standards der Weltbank als Land mit niedrigem mittlerem Einkommen. Trotz der positiven Entwicklung sind Not und Armut in dem Vielvölkerstaat, in dem mehr als 40 verschiedene Volksgruppen mehr als 50 Sprachen sprechen und sich rund 85 Prozent der Bevölkerung zum Christentum und rund elf Prozent zum Islam bekennen, nach wie vor weit verbreitet.

Heuschreckenplagen biblischen Ausmaßes, anhaltende und wiederkehrende Dürren und die Folgen der Corona-Pandemie haben die Probleme zuletzt drastisch verschärft. Die Hälfte aller Kinder in Kenia wächst in Armut auf, mehr als jedes vierte Kind unter fünf Jahren ist mangelernährt, jedes Jahr sterben rund 65.000 Kinder vor Erreichen des fünften Lebensjahres, rund 50.000 von ihnen werden kein Jahr alt. Rund die Hälfte aller jungen Erwachsenen hat als Kind körperliche, emotionale oder sexuelle Gewalt erfahren, vor allem in Nairobi und den Touristenstädten an der Küste zwingt die Armut Mädchen und Jungs in die Prostitution.

Schwache Infrastruktur im Norden und Osten Kenias

Rund ein Viertel aller Mädchen wird verheiratet, bevor es volljährig ist, viele von ihnen wurden zuvor an den Genitalien verstümmelt, weil sie so einen höheren Brautpreis erzielen. Mehr als 17 Millionen Kinder waren im Jahr 2020 von monatelangen coronabedingten Schulschließungen betroffen, viele von ihnen haben die Schule ganz abgebrochen.

Bewaffnete Kämpfe zwischen verfeindeten Ethnien und Terror-Anschläge der radikalislamischen Al-Shabaab-Miliz aus Somalia führen jedes Jahr zu Toten, Verletzten und Vertriebenen. Dass Kenia lange Landgrenzen mit den Bürgerkriegsländern Äthiopien, Somalia und Südsudan hat, verstärkt den Druck auf die ohnehin schwache Infrastruktur. In Dadaab, rund 100 Kilometer südöstlich des Dorfes, in dem Ahmed Abdi um seine verendeten Tiere trauert, befindet sich in einer trostlosen Ebene Dadaab. Lange war es das größte Flüchtlingslager der Welt. Bis zu 500.000 aus Somalia geflohene Menschen lebten hier zeitweise. Zwar möchte Kenia das Lager seit Jahren schließen, doch die Dürre könnte nun weitere Menschen aus dem für Hilfsorganisationen nahezu unzugänglichen Kriegsland über die Grenzen fliehen lassen.

Kenia bemüht sich, Not und Armut zu bekämpfen, damit in dem jungen Land – rund 40 Prozent der Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt – die Kinder hoffnungsvoll in die Zukunft blicken können. Doch ganz auf sich gestellt wäre Kenia in der derzeitigen Lage überfordert. Im Kampf gegen Hunger und Armut ist es auf Unterstützung von Hilfsorganisationen wie Unicef angewiesen. Sie, liebe Leser, können mit Ihrer Spende Kindern in Kenia helfen. Einige dieser Kinder und Jugendlichen und ihre Familien werden wir Ihnen stellvertretend für die Millionen von der Dürre betroffenen Menschen in der Adventszeit vorstellen.