Nach Lauterbach-Inventur
Drohender Impfstoff-Mangel: Ärztepräsident fassungslos - Kritik an Spahn

15.12.2021 | Stand 21.09.2023, 22:02 Uhr

−Symbolbild: Friso Gentsch/dpa

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hat sich fassungslos über den absehbaren Mangel an Corona-Impfstoff für gezeigt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) übt deutliche Kritik an Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).



"Wenn man das hört, bleibt einem der Mund offen stehen", sagte Reinhardt am Mittwoch im Deutschlandfunk. Es sei völlig unvorstellbar, dass die Logistik in einem Land wie Deutschland nicht funktioniere. "Ich bin etwas sprachlos angesichts der Nachricht."

Inventur deckte Mangel auf

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte am Dienstag mitgeteilt, dass eine Inventur einen Mangel an Corona-Impfstoff für das erste Quartal 2022 ergeben habe. Reinhardt erklärte, nach einer Sichtung der Bestände und der Bestelldaten sei offensichtlich erkannt worden, dass der Impfstoff in den ersten Monaten des nächsten Jahres knapp werde, wenn man die Auffrischungsimpfungen plangemäß fortsetzen wolle.

Reinhardt räumte ein, dass sich die Empfehlungen zu den Impfabständen zuletzt mehrfach verkürzt hätten, sodass mehr Impfstoff in kürzerer Zeit gebraucht werde. Trotzdem sei es völlig unverständlich, dass man nach so vielen Monaten der Pandemie nicht in der Lage gewesen sei, genügend Impfstoff auf Halde zu legen. Man könne sich eigentlich nicht vorstellen, dass der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) davon nichts gewusst habe. Spahn hatte allerdings bereits angekündigt, mit Biontech/Pfizer in Verhandlungen über eine Vergrößerung der Liefermenge zu sein.

Heil: Mangel an Corona-Impfstoff "schwer irritierend"

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) übte deutliche Kritik an der Beschaffung von Corona-Impfstoff unter dem früheren Gesundheitsminister Spahn . Die Nachricht des neuen Ressortchefs Lauterbach, dass für das nächste Jahr zu wenig Impfstoff zur Verfügung stehe, sei "schwer irritierend", sagte Heil am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin". Da habe die Vorgängeradministration im Bundesgesundheitsministerium offensichtlich "nicht klar Schiff gemacht". Das müsse nun die neue Bundesregierung leisten.

"Wir sind jetzt mit allen Kanälen, mit allen Mitteln dran, genug Impfstoff zu beschaffen", versicherte Heil. "Das müssen wir gemeinsam versuchen, in den Griff zu bekommen." Das mache Lauterbach als Minister nicht nur kommunikativ, sondern auch organisatorisch viel besser. Er verwies darauf, dass die neue Regierung einen Krisenstab zur Organisation der Impfkampagne und ein Expertengremium zur Beratung eingesetzt habe. "Da sind jetzt endlich Strukturen geschaffen worden, damit wir Deutschland sicher durch diesen schwierigen Winter, durch die vierte Welle bringen."

Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, sprach von einem fatalen Signal an alle, die mit vollem Einsatz die Pandemie bekämpften. "Wir haben in Deutschland gerade Rekord-Tempo beim Impfen in den Praxen erreicht, da kommt diese Nachricht", sagte Gassen "Bild" (Mittwoch). "Es ist niemandem zu erklären, dass im Land der Impfstoffentwicklung zu wenig Impfstoff gekauft wurde."

Ärztepräsident: Wegfall von Testpflicht bei Geboosterten "Fehlentscheidung"

Als "Fehlentscheidung" bezeichnete der Ärztepräsident Reinhardt den Beschluss der Gesundheitsminister, Menschen mit einer Auffrischungsimpfung die Testpflicht zu erlassen. Dies sei auch wegen der Ausbreitung der Omikron-Variante falsch. Außerdem gebe es Impfdurchbrüche auch bei Menschen mit drei Impfungen. Diese zeigten aber oft gar keine Symptome. Wenn man Infektionsketten unterbrechen wolle, sei ein Verzicht auf Tests bei dieser Gruppe keine gute Idee. Außerdem könne er nicht erkennen, dass die Testkapazitäten schon ausgereizt seien.

− dpa