Dom.-Rep. als Ballermann der Karibik? Von wegen!

15.04.2017 | Stand 15.04.2017, 13:04 Uhr

Weiße Sandstrände und Kokosnusspalmen: Millionen Touristen pro Jahr finden dieses Idyll in der Dominikanischen Republik. −Fotos: Klinghardt

Azurblaues Wasser und endlose Strände − damit lockt die Dominikanische Republik. Doch die Insel hat viel mehr zu bieten. Außerhalb der Hotelanlagen gibt es Spuren afrikanischer Kultur, tanzende Schamanen und Heilpflanzen mit ganz besonderen Kräften.

Die Dominikanische Republik ist das beliebteste Reiseziel der Deutschen in der Karibik. Wegen der Vielzahl an preiswerten All-inclusive-Unterkünften galt die Insel bald als "Ballermann der Karibik". Doch diesem Ruf wird sie nicht (mehr) gerecht. Faul am Strand liegen oder Cocktails am Pool schlürfen war gestern. Reisen ins Landesinnere boomen, auch weil die Regierung in den letzten Jahren massiv in die Infrastruktur investiert hat.

Dominikaner leben im Hier und JetztEiner, der die Dominikanische Republik wie seine Westentasche kennt, ist Norbert Edrich (63). Der gebürtige Rheinland-Pfälzer lebt seit 28 Jahren in der Karibik. Zwölf Jahre arbeitete er in Haiti in einem Hotel. Seit 16 Jahren ist Punta Cana seine Heimat. Edrich bietet Touren ins Landesinnere an. Er zeigt den Reisenden die "Dom.-Rep." außerhalb der Hotels, der "fantasy worlds", wie er sie nennt.
Auf der Fahrt nach Higüey, der Hauptstadt der östlichsten Provinz La Altagracia, erklärt er die wesentlichen Unterschiede zwischen der karibischen und der deutschen Mentalität: "Der Dominikaner ist ein lebenslustiger Mensch. Er arbeitet, um zu leben." Wer ihn verstehen möchte, der müsse umdenken. Der Traum vom großen Geld, vom beruflichen Aufstieg spiele für die meisten Menschen hier nur eine untergeordnete Rolle: "Der Dominikaner hat keine Karrierepläne, er möchte das Leben genießen", sagt Edrich.

Auch in Sachen Bürokratie und Ordnungssinn bestünden fundamentale Unterschiede zwischen Europäern und Dominikanern. Viele Insulaner kennen nicht einmal ihren Geburtstag, weil sie keine Geburtsurkunde haben.
In anderen Bereichen hingegen scheinen die Dominikaner pragmatischer zu sein als die Deutschen. Beim Essen zum Beispiel gehe es primär darum, satt zu werden, der Genuss stehe hintenan. Ein "Hat es dir geschmeckt?" höre man hier selten, sagt der 63-Jährige. Die landestypische Küche ist schlicht, bisweilen auch deftig. Reis mit Bohnen, Hähnchen und Pommes zählen zu den gängigen Speisen. Fritiertes zum Frühstück ist nichts Ungewöhnliches.
Damit niemand während der Tages-Tour Hunger oder Durst leiden muss, versorgt der Reiseführer seine Gäste mit Queso de Hoja – kleinen, salzigen Käsestückchen – und Galletas – nach Knoblauch schmeckenden, knusprigen Keksen. Gegen den Durst gibt es selbstgemischte Cuba Libre – natürlich mit dominikanischem Rum.

Besuch einer KakaoplantageAllmählich weichen die Häuserreihen von Punta Cana dem tropischen, immergrünen Regenwald. Die Landschaft wird hügelig – der Pico Duarte im Westen der Dominikanischen Republik ist mit 3098 Metern der höchste Berg der Karibik – vereinzelt stechen die roten Blätter des Flammenbaums aus dem grünen Meer hervor.
Der erste Programmpunkt führt Edrich und seine Tourgäste zur Kaffee- und Kakaoplantage von Don Ramon und seiner Frau Ada nahe Bonau, der Hauptstadt der Provinz Monseñor Nouel. Etwa 5000 Quadratmeter misst die Fläche ihrer Plantage, auf der auch Papayas, Passionsfrüchte, Orangen, Mangos, Avocados und Ingwer angebaut werden.
Die Haupteinnahmequelle des Plantagenbesitzers ist der Kakao. 72000 Tonnen davon werden in der Republik nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen jährlich produziert. Im weltweiten Vergleich mit den anderen Ländern, die Kakao produzieren, liegt das Land damit auf Platz zehn.

Der Samen der Kakaofrucht ist von einer trüben, geleeartigen Masse umgeben, die zur Erfrischung gelutscht werden kann. Die Früchte schmecken nicht nur besonders gut, sie seien zudem sehr gesund, erklärt Don Ramon. Ebenso schwört er auf die heilende Kraft der Guanabana, die Frucht der Stachelannone. Sie könne sogar Krebs heilen, sei 10000 Mal stärker als jede Chemotherapie, ist der Plantagenbesitzer überzeugt.
Ein Schamane im ZuckerrohrfeldÜber holprige Straßen geht es in die Zuckerrohrfelder. Dort zeigt Norbert Edrich seinen Gästen etwas typisch Karibisches: den Schamanen Edward. Sein Auftritt, bei dem er sich in Trance versetzt, um sich "mit den Heiligen und dem lieben Gott zu verbinden", ist für den Deutschen "Afrika pur".
Der Bus hält in einer kleinen Siedlung. Freunde des Schamanen bringen die Besucher in einen kleinen, etwas heruntergekommenen Raum. Die Wände und die Fensterläden sind blau und rot gestrichen und mit übergroßen Darstellungen von Heiligenfiguren, Fabelwesen und Marienbildern verziert. Bunte Fahnen schmücken die Decke, unter einem blutrot angemalten Stierschädel steht der Schamane.
Um sich in Stimmung zu bringen, gibt es Schnaps. Die Musiker an den Kongas, Schamane Edward und sein einäugiger Assistent nehmen große Schlucke aus der Plastikflasche, die mit selbstgebranntem Zuckerrohrschnaps gefüllt ist. Der Schnaps besteht bis zu 90 Prozent aus reinem Alkohol, ein Gastgeschenk des Reiseführers.
Plötzlich wird es laut. Wie besessen schlagen die Männer auf ihre Kongas, Rasseln geben den Takt vor und der Schamane Edward beginnt, seine Beziehung zu den Heiligen aufzubauen. Er zündet Kerzen und ein Weihrauchfass an. Um zu beweisen, dass er in Trance gegen körperliche Schmerzen immun ist, taucht er seine Hand in die Flammen einer Feuerschale, steigt barfuß in einen Eimer voller zerbrochener Glasscherben und lässt sich abwechselnd von den Touristen eine Machete in den Bauch stoßen. Edward verzieht keine Miene, die Besucher sind beeindruckt.
Obwohl der Katholizismus in der Dominikanischen Republik Staatsreligion ist und nach Angaben des Auswärtigen Amtes rund 75 Prozent der Einwohner Katholiken sind, existiert ein religiöser Pluralismus. "Jedes dritte Haus folgt seiner eigenen Kirche", sagt Edrich. Viele Neuzugänge verbuchen zur Zeit die Christianos, eine strenge christliche Sekte, die in Mittel- und Südamerika sehr aggressiv missioniert.
Der Traum vom BaseballprofiWer die Dominikanische Republik und ihre Menschen näher kennenlernen will, der muss gar nicht lange auf Tour gehen. Schon der Besuch eines Sportplatzes liefert spannende Einblicke in die Alltagskultur. Hier erfährt man, dass die Dominikanische Republik den Vereinigten Staaten nicht nur geographisch, sondern auch sportlich nahesteht. Baseball, Basketball und Boxen sind in der Karibik ähnlich beliebt wie in den USA.

Es gebe viele Kinder und Jugendliche, die davon träumen, einmal bei einem großen Baseballclub in der amerikanischen Profi-Liga MLB (Major League Baseball) unter Vertrag zu stehen, erzählt Manuel Castro. Der 43-Jährige muss es wissen. Bis er 21 Jahre alt war, spielte Castro in der Dominican Summer League bei den Chicago White Socks. Heute ist er Trainer einer Kinder- und Jugendmannschaft. Er steht am Rand eines Baseballfeldes und gibt den Kindern laut Anweisungen. Der Rasen des Spielfeldes ist verdorrt – kein Wunder, die Sonne brennt vom Himmel, die Temperaturen liegen bei etwa 35 Grad Celsius. Schatten gibt es für die Kinder kaum.

In Castros Verein spielen 55 Mitglieder, aufgeteilt in vier Mannschaften. Auch sein achtjähriger Sohn Adrian spielt mit. Adrians großes Vorbild ist Derek Jeter von den New York Yankees. Dass es einem seiner Schützlinge irgendwann einmal gelingt, seinen Lebensunterhalt als professioneller Baseballspieler in den Vereinigten Staaten zu verdienen, hält der Trainer für möglich. Zwei seiner Schüler haben bereits – dank ihres Talents – Stipendien für amerikanische Universitäten erhalten. Rund 80 Prozent der Studiengebühren würden ihnen damit erlassen. Von denen, die den Aufstieg geschafft haben, gebe es viele, sagt Castro. Etwa jeder fünfte Profibaseballspieler in Amerika komme aus der Dominikanischen Republik.

Dass die amerikanischen Vereine durch ihre vor Ort aufgebauten Baseballschulen versuchen, junge Talente möglichst früh zu entdecken, zu fördern und mit teils astronomischen Gehältern in die USA zu locken, hält der 43-Jährige für unbedenklich. Im Gegenteil: Castro ist der Auffassung, dass sein Land sogar davon profitiere, und nennt als Beispiel Robinson Canó. Canó stammt aus San Pedro de Macorís, der drittgrößten Stadt der Dominikanischen Republik. Zurzeit steht er bei den Seattle Mariners unter Vertrag und verdient etwa 250 Millionen Euro in acht Jahren. Ein Teil von diesem Geld komme jedoch seiner Heimatstadt zugute, berichtet Castro, denn Canó investiere dort kräftig in die Infrastruktur, baue beispielsweise Krankenhäuser. Baseball als Sprungbrett in ein besseres Leben – für viele Dominikaner ist dieser Traum bereits in Erfüllung gegangen – das motiviert auch Adrian.

INFORMATIONEN

Die Dominikanische Republik liegt zusammen mit Haiti auf der karibischen Insel Hispaniola. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes leben in der Dom.-Rep. derzeit etwa zehn Millionen Menschen. Sie werden als Dominikaner bezeichnet. Hauptstadt ist Santo Domingo im Süden. Obwohl die Landessprache Spanisch ist, ist die Verständigung auf Englisch in weiten Teilen des Landes möglich. Mancherorts wird sogar Deutsch gesprochen. Für die Einreise ist ein gültiger Reisepass notwendig. Deutsche Staatsangehörige können sich bis zu 90 Tage im Land ohne Visum aufhalten. Was die Topografie betrifft, ist die Dominikanische Republik weitgehend gebirgig. Relativ flach sind lediglich der Osten und ein Längstal im Norden. Tropisches Klima und hohe Luftfeuchtigkeit prägen den Norden, im Süden des Landes ist es etwas trockener. Die Wassertemperaturen im Atlantik im Norden liegen zwischen 24 und 29 Grad, im karibischen Meer im Süden zwischen 26 und 31 Grad.

ANREISENEine Direktverbindung in die Dominikanische Republik nach Punta Cana (PUJ) besteht vom Düsseldorfer Flughafen (DUS) mit Air Berlin.

ÜBERNACHTENZu den luxuriösen Unterkünften zählen "The Royal Suites Turquesa" von Palladium in Bávaro an der Ostküste. www.palladiumhotelgroup.com

www.godominicanrepublic.com/de

Redakteur Korbinian Klinghardt reiste auf Einladung der Palladium Hotel Group und Air Berlin in die Dominikanische Republik.