Altötting
Der Nachtwächter

24.03.2017 | Stand 20.09.2023, 5:59 Uhr

Runde um Runde geht Andreas Ramersberger. Für ihn ist der Kapellplatz ein Kraftort. Zweimal die Woche wacht er nächtens über den Pilgerort. − Fotos: Stummer

Sein Reich ist übersichtlich. Ein Stuhl, ein Tisch, ein Monitor. Schwarz-weiße Bilder flackern auf dem Bildschirm und geben aus verschiedenen Blickwinkeln den nächtlichen Kapellplatz wieder. Marienfiguren, Heiligenbilder und Rosenkränze umrahmen die einfache Szenerie. Es ist kurz nach 23 Uhr und den Platz draußen umgibt eine tiefe Stille. Während Andreas Ramersberger von seiner Arbeit erzählt, wandert sein Blick immer wieder zu diesen flirrenden Aufnahmen am Bildschirm. Das Verharren im Büro lässt den 58-Jährigen unruhig werden. Er will wieder raus in die Nacht, in der Ruhe des Kapellplatz seine Runden drehen. Mal forsch voran schreitend, mal dahinschlendernd. Die Runden halten ihn wach. Sein Blick sucht dabei konzentriert die Umgebung ab. Ramersberger ist seit knapp 25 Jahren um die Sicherheit des Pilgerortes bemüht. Zweimal die Woche durchwacht er hier die Nächte. Es ist ihm ein Anliegen – aus dem Glauben heraus und aus der spürbaren Begeisterung für diesen Ort. "Der Kapellplatz ist für mich ein Kraftort", sagt er.

Eine unauffällige Tür direkt im Kapellumgang führt in Ramersberger etwa zwei Quadratmeter kleines Büro. Nichts weist von außen darauf hin, dass hier das Reich der Nachtwächter ist. "Und das ist auch so gewollt", sagt er. Dem Mann mit dem ungestümen Haar ist eine Vorsicht zu eigen, die ihm in den vergangenen Jahren oft geholfen hat, brenzlige Situationen mit stoischer Ruhe auszuhalten. Sein ganzes Wachen ist der Umgebung gewidmet und auf diese Art und Weise hat er so manch Verbrechen aufgedeckt. Wie an jenem Abend als er aus seiner Kammer heraus beobachtete, wie ein damals noch am Platz stehender Automat aufgebrochen wurde. Oder jener Abend, an dem er verhinderte, dass ein Mann Lampen am Platz mit einer Eisenstange zerstört. Verwünschungen ist er ausgesetzt, auch Drohungen – und gefährlich ist es auch schon geworden.

Wenn Andreas Ramersberger von seiner Arbeit erzählt, könnte man fast meinen, sein Einsatzort seien die Straßen von Berlin und nicht der Kapellplatz im Herzen des Wallfahrtsortes. Dann, wenn er weitererzählt, wie der erboste Nachtschwärmer, der eben noch die Lampen zerstören wollte, die Eisenstange wie einen Speer nach ihm warf. "Genau hier war das", sagt Ramersberger und zeigt auf eine zerstörte Votivtafel auf Kniehöhe. Ganz knapp nur sei die Stange an ihm vorbeigeflogen, erzählt er weiter.

Aber auch Amüsantes und Romantisches hat er mitbekommen. So war er schon Zeuge bei einer Verlobung und wahrscheinlich das einzige Publikum eines Nachtschwärmers, der um 1.30 Uhr barfuß nur in Unterhosen über den Kapellplatz marschierte und den Regen auf sich niederprasseln ließ.

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