Der kleine Unterschied: Was ist katholisch, was evangelisch?

06.05.2014 | Stand 06.05.2014, 14:54 Uhr

Ein Bekenntnis ist schnell abgelegt − und sei es per Umhängeband. Kennen die christlichen Konfessionen noch ihre zentralen Glaubensunterschiede? − Foto: dpa

Worin besteht der Unterschied zwischen katholischem und evangelischem Glauben – Die Christen interessiert das offenbar immer weniger

Ein fein bestücktes Bufett mit allerhand Delikatessen und ebenso vielen Zumutungen. Man kostet einen Happen, schmeckt er, wird die Speise einverleibt – ist er zu scharf, zu bitter oder auch nur ein wenig gewöhnungsbedürftig, greift man auf gefälligere Kost zurück. "Religion ist ein Angebot. Ich nehme mir, was mir gefällt", sagte eine junge Katholikin auf dem Weltjugendtag in Köln. Ist das katholisch? Noch in der Elterngeneration der jungen Frau hätte die klare Antwort wohl "nein" gelautet.

Fragt man auf der Straße Katholiken nach den wesentlichen Inhalten ihres Glaubens, etwa in Abgrenzung zum evangelischen Bekenntnis, so kann man Halleluja singen, wenn die Hausgebrauchs-Theologie darüber hinaus geht, dass die einen mit dem Weihrauchkessel wedeln und Engel auf den Hochaltären sitzen, wohingegen die anderen sich in nackten Kirchen intellektuelle Predigten zu Gemüte führen.

Wer Einheit will, muss die Differenzen kennen"Der Weg der Ökumene, den das Zweite Vatikanische Konzil eröffnet hat, ist unumkehrbar. Er ist eine Aufgabe, die der Herr uns gestellt hat. Wir müssen daher alles uns Mögliche tun, um die Einheit der Christen in der Wahrheit und in der Liebe zu fördern", hatte Papst Johannes Paul II. 2001 in einem Brief an die deutschen Kardinäle geschrieben. Doch Einheit zu schaffen dürfte schwer werden, wenn man sich über die Differenzen nicht im Klaren ist. Vielleicht wäre es hilfreich im Sinne der Ökumene, sich den kleinen Unterschied der Konfessionen wieder einmal bewusst zu machen.

Abendmahl: Obwohl beide großen Konfessionen davon ausgehen, dass Christus in der Feier des letzten Abendmahls gegenwärtig ist, besteht ein gravierender Unterschied darin, dass für Katholiken Brot und Wein substanziell in den Leib und in das Blut Christi gewandelt werden − was in kirchenkritischen Kreisen des Öfteren zu dem Vorwurf geführt hat, die Eucharistie sei "katholischer Kannibalismus". Fasst man die Wandlung hingegen symbolisch auf, ist es auch kein Problem, die nicht verbrauchten Hostien zurück in die Vorratskammer statt in den Tabernakel zu legen. Wer ohne triftigen Grund die sonntägliche Eucharistiefeier versäumt, macht sich nach Auffassung der katholischen Kirche schuldig vor Gott und der Gemeinde.

Pfarrer: Geistlicher wird man als Katholik ausschließlich durch die Weihe eines Bischofs, der wiederum von einem Bischof geweiht wurde. Es besteht eine "Weihekette" bis zu den Aposteln und zu Jesus zurück. Der Priester ist damit zu einem Dienst bevollmächtigt, der sich fundamental von Dienst und Aufgaben der übrigen Gläubigen unterscheidet. Akzeptiert man dies, so wird verständlich, dass den vorreformatorischen Kirchen mitunter etwas schwer fällt, die protestantischen Geistlichen voll anzuerkennen: Hier ist das Hirtenamt keine Weihe, sondern eine Funktion, die von der Gemeinde übertragen werden kann.

Papst: Nach katholischer Überzeugung ist der Papst der Nachfolger des Heiligen Petrus und damit letztlich von Jesus. Darum hat er laut Kirchenrecht die "oberst, volle, unmittelbare und allgemeine ordentliche Gewalt in der Kirche, die er stets frei ausüben kann". Diese Gewalt wird dem Papst weder von Kardinälen oder Bischöfen übertragen, er bezieht sie nach Überzeugung der katholischen Kirche unmittelbar aus göttlichem Recht. Dieser Anspruch wird von den evangelischen Christen nicht akzeptiert.

Sakramente: Mit Sakramenten gehen Protestanten verhältnismäßig sparsam um. Anerkannt wird nur, was Jesus Christus durch ein ausdrückliches Stiftungs- bzw. Verheißungswort selber eingesetzt hat, und was zudem mit einem sichtbaren Zeichen verbunden ist. Das erste Kriterium wird nach evangelischem Verständnis für Ehe, Salbung, Firmung und Weihe nicht erfüllt. Zwar zählte Martin Luther die Beichte durch die Einsetzung Jesu (Joh. 20,22f) zunächst zu den Sakramenten, weil damit aber kein sichtbares Zeichen verbunden war, schied er sie später aus. Damit bleiben als Sakramente nur die Taufe und das Abendmahl, wohingegen Katholiken zudem Firmung, Beichte, Ehe, Weihe (Diakon-, Priester- und Bischofsweihe) und Krankensalbung anerkennen.

Heilige: Auch wenn in der Alltagssprache oftmals nicht so genau unterschieden wird: In der katholischen Kirche werden Heilige verehrt, nicht aber angebetet − das steht allein Gott zu. In der Kirchengeschichte wurden zunächst Märtyrer um ihre Fürsprache bei Gott angerufen, später auch Christen, die Menschen, die sich in ihrem Glaubensleben besonders ausgezeichnet haben. Kein Katholik ist allerdings verpflichtet, Heilige zu verehren. Nach Martin Luther sind die entsprechenden Personen Vorbilder im Glauben, "nützliche Bücher der Christenheit", eine Heiligenverehrung findet im evangelischen Glauben im Allgemeinen aber nicht statt.

Doch sind die Unterschiede vielleicht geringer als gemeinhin angenommen. Auch Protestanten erkennen im Glaubensbekenntnis "die Gemeinschaft der Heiligen" an, und im Jahr 2000 hat eine Arbeitsgruppe der Deutschen Bischofskonferenz und der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands eine ökumenische Schrift unter dem Titel "Communio Sanctorum. Die Kirche als Gemeinschaft der Heiligen" (CS), herausgegeben, in der es heißt: "Die römisch-katholische Kirche und die evangelisch-lutherische Kirche stimmen darin überein, dass man die Heiligen ehren soll" (CS 230), im Internet abrufbar unter www.velkd.de/pub/Communio-Sanctorum.pdf.

Maria: Eine besondere Rolle unter den Heiligen kommt Maria zu. Die evangelische Kirche lehnt die Mariendogmen der katholischen Kirche ab, wonach die Mutter Jesu vom ersten Augenblick ihres Lebens an ohne Erbsünde ("unbefleckt empfangen") war und mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde. Doch auch hier scheinen sich die Fronten langsam aufzuweichen. In "Communio Sanctorum" heißt es: "So darf gefragt werden, ob es zur Einheit im Glauben notwendig ist, dass reformatorische Theologie sich diese Mariendogmen zu eigen macht, wenn sie andererseits bereit ist anzuerkennen, dass es sich bei ihnen um Sätze handelt, die grundsätzlich im Einklang mit der Offenbarung stehen" (CS 265).

Leben nach dem Tod?Glaub ich nicht!Während die "Hirten" sich über die mögliche Einheit der Christen den Kopf zerbrechen und für beide Seiten gangbare Wege suchen, zeigen ihre "Schäfchen" derzeit eine Einigkeit der ganz anderen anderen Art − eine Einigkeit in der religiösen Beliebigkeit: Nach eine Infratest-Umfrage im Auftrag des "Spiegel" glauben 66 Prozent der Deutschen an Gott − nach den letzten gesicherten Zahlen von 2003 waren das jeweils rund 26 Millionen Katholiken und Protestanten. Seltsamerweise sind aber nicht einmal zwei Drittel der Katholiken überzeugt, dass es ein Leben nach dem Tod gibt − eigentlich ein recht grundlegender Glaubenssatz ihrer Religion. Bei den Evangelischen sind gar nur 49 Prozent vom ewigen Leben überzeugt. Auch waren 27 Prozent aller Gläubigen der Ansicht, Gott sei nicht allmächtig.

Doch damit nicht genug der Konfusion: 65 Prozent der Gläubigen stimmten spontan der Aussage zu: "Gott kennt und schützt mich persönlich". Ohne darin einen Widerspruch zu erkennen, nickte die Hälfte davon auch zu dem Satz: "Gott hat die Welt erschaffen, aber er nimmt keinen direkten Einfluss auf das Leben hier." Ja, was denn nun? Offensichtlich wählen sich die deutschen Christen vom Glaubens-Bufett nicht nur aus, was ihnen gefällt − sie wissen nicht einmal, was ihnen gefällt.