Der Hektik trotzen – Advent in Göteborg

18.12.2021 | Stand 25.10.2023, 10:42 Uhr

Herzlich willkommen in Göteborg: Noch bis zum Valentinstag liefert dieses Herz einen beliebten Rahmen für Fotos am Gustaf Adolfs Torg. Vom Paddan-Boot aus singt ein Chor an einem der Adventssamstage auf dem Kanal traditionelle Weihnachtslieder. −Fotos: Grond

Lichterglanz, Eisvergnügen und viel Musik locken in dieser Zeit in den Westen Schwedens. Weihnachtsstimmung pur verbreitet sich

auf den romantisch verschneiten Weihnachtsmärkten mit Kunsthandwerk und köstlichem "Glögg".

Die ganze Stadt scheint zu klingen. Natürlich ist das unvermeidliche "Last Christmas" dabei, und auch die "Jingle Bells" läuten. Aber leise, dezent verjazzt ziehen die modernen Winter- und Weihnachtslieder durch die Hotel-Lobby, die von einem großen Christbaum dominiert wird. "Let It Snow" noch im Ohr, tritt man vor die Tür des seit 1859 gleich neben dem Hauptbahnhof in die Belle Epoque einladenden Hotels Eggers – und schon ist die Bitte erfüllt: Es schneit in großen Flocken auf das schon seit Wochen weiß funkelnde Zentrum Göteborgs. Auch rund um den Drottningtorget, den Königinnenplatz, begleiten einen Weihnachtslieder.
Überraschenderweise ärgert die Klangwolke nicht, sondern unterstreicht die fröhlich-entspannte Stimmung dieser "gemütlichen Hauptstadt Schwedens", wie sich Göteborg selbst in Abgrenzung zur offiziellen Hauptstadt Stockholm nennt. Hier scheint niemand zu hetzen, auch schwer bepackte Menschen in dicken Wintermänteln wirken nicht beschwert, Kinder wuseln überall herum und sind offensichtlich willkommen, und immer wieder begrüßen sich Menschen mit einer in Coronazeiten ungewohnt gewordenen Herzlichkeit.



Die Menschen suchen zunächst das Gute


Dabei hat die Pandemie auch den Schweden einiges abverlangt. Seit der zweiten Adventswoche sind die "Empfehlungen" wieder dringlicher geworden. An die bekannten AHA-Regeln wird überall erinnert. Doch auch wenn die Inzidenzzahlen in Schweden derzeit so niedrig sind wie nirgends sonst in Europa, konnten die Göteborger ihr seit vier Jahrhunderten bestehendes Stadtrecht in diesem Jahr nicht so ausgiebig feiern, wie sie es gerne getan hätten. Die offiziellen Feiern sollen nun 2023 nachgeholt werden. Die Menschen hier an der Westküste haben den Ruf, dass sie in allen Widrigkeiten zunächst einmal das Gute suchen.

Die Stadtverwaltung hatte ihre Bürger weit vorausschauend bereits 2009 gefragt, was sie sich denn zum 400. Geburtstag 2021 wünschen. Eine Antwort lautete: das Wasser mehr ins Stadtleben einzubinden. Denn vor den Toren Göteborgs liegt zwar ein großer, teils bewohnter Schären-Garten, doch in der Innenstadt hat man – trotz Hafenanlage und Kanal – allenfalls beim Blick auf die von Fisch dominierten Speisekarten das Gefühl, am Meer zu wohnen. So wurde also beschlossen, die Wasserstraße, die sich entlang des alten Walls Richtung Osten und dann quer durch Schweden zieht, mehr zu beleben.

Das erste Restaurant auf dem Kanal ist dieser Tage schon festlich beleuchtet. Und natürlich leisten auch die Ausflugsschiffe ihren Beitrag zur Weihnachtsstimmung: Von einem solchen Paddan-Boot aus singt ein Chor in der frühabendlichen Dämmerung traditionelle schwedische und internationale Advents- und Weihnachtslieder und wird dafür vom Ufer aus mit viel Applaus bedacht.
Keine Adventszeit ohne Weihnachtsmärkte. Auch in Göteborg bieten sie eine gute Gelegenheit, (Kunst)-Handwerk zu zeigen. Allerdings bestimmen hier im Norden nicht so sehr Krippen das Bild – auch wenn es sie natürlich gibt. Vielmehr sind hier vor allem die guten Geister der Weihnacht, die bärtigen Nisser mit ihren spitzen Mützen, zu finden, und statt Ochs und Esel halten eher Elch und Rentier Wacht. Warme Socken, Handschuhe und dicke Pullover sind sehr gefragt.

Ein Muss ist ein Besuch im ältesten Stadtteil Haga, dessen Hauptstraße Haga Nygata sich am dritten Adventssamstag in einen einzigen Weihnachtsmarkt verwandelt. Hier wird respektvoll den Weihnachtsmännern auf ihren Harleys Platz gemacht, und auch eine Mischung aus Marching Band und Cheerleader-Mädchen kündigt sich mit kräftigem X-mas Sound an. Es lohnt sich, hinter das ganze jahreszeitliche Getümmel zu schauen, finden sich im Zentrum des einstigen Armenviertels heute viele trendige Boutiquen und stilvolles nordisches Design.

Geduldig stehen hungrige Besucher vor der gemütlichen "Sjöbaren" (Meeresbar) an, die berühmt ist für ihre exzellente Meeres-Küche zu erschwinglichen Preisen. Wer eher auf Süßes steht, findet in den Häusern aus dem späten 19. Jahrhundert, die unten aus Stein, darüber aber überwiegend aus Holz gebaut sind, genügend Anlaufstellen. Die bekannteste dürfte das Café Husaren sein, das sich rühmt, neben dem "Lucia-Knoten", einem zur "Acht" gewundenen Hefezopf mit Rosinen, die größten Zimtschnecken Schwedens anzubieten.

Heilige Lucia als Lichtgestalt der alten Sonnwendfeiern

Die heilige Lucia ist die Hauptperson im schwedischen Weihnachtsbrauchtum, das weniger christlich geprägt ist, als wir es hierzulande kennen. Die frühe Märtyrerin, Lichtgestalt aus der Tradition der alten Sonnwendfeiern, fehlt selbst beim Krippenspiel in Haga nicht. Höhepunkt in Göteburg bleibt allerdings ihr Auftritt beim Konzert des Kinder- und Jugendchors des Gustavi-Doms. Der schöne Innenraum der 1815 eingeweihten "Domkyrka", die glasklaren und dennoch warmen Stimmen der jungen Sängerinnen und Sänger um die mit dem Lichterkranz gekrönte Lucia-Darstellerin sowie die Mischung aus sakralen und traditionellen internationalen Weihnachtsgesängen lassen wohl niemanden unberührt. Für dieses Erlebnis eine Eintrittskarte zu bekommen, ist nicht leicht. Wer es geschafft hat, lässt sich dafür gerne in eine andere, vermeintlich "heilere" Welt entführen.
Weniger feierlich, aber ebenso traditionell geht es im Vergnügungspark Liseberg zu, der ein Geschenk der Stadt an ihre Bürger zum 300. Geburtstag war. Achterbahnen, Autoskooter, Karussells und Spielbuden locken Familien ganzjährig, entfalten aber weihnachtlich geschmückt besondere Anziehungskraft. Auch hier kann man viel Geld an Ständen mit Kunsthandwerk und Kitsch, Zuckerwatte, Würsten und "Glögg" (Glühwein) lassen. Das große Weihnachtsbuffet des eher noblen als gemütlichen oder gar herzlichen Restaurants "1923" ist ein begehrter kulinarischer Jahresabschluss bei Geschäftsleuten und Bürogemeinschaften ebenso wie bei großen Familien oder jungen Paaren.
Hat Liseberg noch eine klassische Eisbahn, auf der Klein und Groß ihre Runden zur gängigen Weihnachtsmusik drehen, so hat die Stadt ihre Bürger zum 400. Gründungsjubiläum mit einer nachhaltigeren Variante beschenkt. Gleich beim Kronhuset, einem der ältesten Gebäude Göteborgs aus dem 17. Jahrhundert, um das sich kleine Handwerksbetriebe angesiedelt haben und das zur Weihnachtszeit selbst mit einem hochwertigen Markt lockt, ist heuer erstmals eine Eisbahn aufgebaut worden, die ihren Namen eigentlich zu Unrecht trägt. Sie besteht nämlich aus einer Kunststofffläche, die witterungsunabhängig und mobil zum Schlittschuhlauf einlädt.

Und das ist wörtlich zu verstehen: Benutzung der Anlage und Ausleihe entsprechender Schuhe sind kostenlos, was von Familien, Teenagern und Arbeitskollegen mit viel Freude angenommen wird. Ein echtes Geschenk von Herzen eben, das schnell eine weitere Weihnachtstradition in Göteborg begründen könnte.

Göteborg an der Westküste ist mit rund 600000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Schwedens. Schwedens Währung sind die Kronen; zehn Kronen sind ziemlich genau ein Euro.
In Schweden herrscht ein gemäßigtes Klima, selbst im Winter sinken die Temperaturen nur wenig unter 0 Grad. Die Stadt gilt zwar als regenreich, bietet aber selbst bei ungemütlichem Wetter ein großes Angebot an Kultureinrichtungen, Sehenswürdigkeiten und Gastronomie, um den Aufenthalt angenehm zu gestalten.

ANREISEN

Direktflüge von München mit Lufthansa (Flugzeit knapp zwei Stunden) gibt es bereits ab 162 Euro.

ÜBERNACHTEN
•Hotel Eggers direkt im Zentrum: Traditionshaus von 1859 mit individuell gestalteten Zimmern, DZ p.P. mit Frühstück ab 1290 SEK (rund 130 Euro).
•Scandic Landvetter: modernes Hotel direkt auf dem Flughafengelände (schalldichte Fenster), DZ p.P. mit Frühstück (ab 4.30 Uhr) ab 1490 SEK (rund 150 Euro).

TIPP
Göteborg hat einen dicht getakteten ÖPNV. Travel Card – Dauerfahrkarte für Tram, Bus und Fähre: 24 Stunden 110 SEK (etwa 11 Euro), 72 Stunden 220 SEK (etwa 22 Euro), Kinder immer 85 SEK (etwa 8,50 Euro). App: Västtrafik.

www.visitsweden.de

www.goteborg.com

www.liseberg.com