Zehn Jahre nach dem Skandal
Der Erfolg des Ex-Fälschers Wolfgang Beltracchi

24.10.2021 | Stand 21.09.2023, 3:19 Uhr
Dorothea Hülsmeier

Der ehemalige Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi steht in seinem Atelier am Vierwaldstätter See vor einem unfertigen Bild. Beltracchi löste einen der größten Kunstfälscher-Skandale Deutschlands aus. Vor zehn Jahren wurde der "Fälscherfürst" verurteilt, Anfang 2015 aus der Haft entlassen. −Foto: dpa

Noch 7,60 Euro hatten Wolfgang und Helene Beltracchi in der Tasche, als sie am 27. Oktober 2011 die Treppen des Kölner Landgerichts hinabgingen. Gerade hat das Gericht den Kunstfälscher, der den Markt jahrzehntelang mit Fälschungen von Avantgarde-Künstlern wie Heinrich Campendonk, Max Ernst oder Max Pechstein überschwemmt hatte und damit Millionen kassierte, zu sechs Jahren Haft im offenen Vollzug verurteilt. "Wir hatten keine Wohnung, kein Telefon, kein Bankkonto, kein Auto mehr - und 20 Millionen Schulden", erinnert sich Beltracchi.

"Lenken Sie Ihr Talent in legale Bahnen", gab der Richter Beltracchi mit auf den Weg. Noch im Knast fingen die Beltracchis neu an. Zehn Jahre später leben sie in der Schweiz, haben ihre Schulden abbezahlt und verdienen mit eigenen Werken "annähernd so viel" wie früher. "Jetzt kommt nämlich die Erfolgsstory", sagt Beltracchi stolz. "Wir hatten schon nach den drei Jahren Gefängnis wieder einiges an Geld."

Die Beltracchis zogen erst nach Montpellier. Heute arbeitet er im Schweizer Kanton Luzern in einem Jugendstil-Tanzsaal – mit grandiosem Blick auf den Vierwaldstätter See und die Schweizer Berge. Pinsel, Farben, Staffeleien: In dem Saal ist keine Ecke frei.

Neuestes Projekt: Beltracchi interpretiert "Salvator Mundi", das Leonardo da Vinci zugeschriebene und mit Echtheitszweifeln belegte Renaissance-Gemälde, das mit 450 Millionen Dollar einen Rekordpreis erzielte, im Stil von Van Gogh, Dalí oder Warhol. Und er arbeitet nun selbst fälschungssicher: Mit NFT-Werken (non-fungible token), per digitalem Zertifikat geschützt, baut er ein virtuelles Museum auf.

Der Ex-Hippie mit dem abgebrochenen Kunststudium verfügt über erhebliches Selbstbewusstsein. "Ich bin heute einer der teuersten Künstler in Europa", sagt der 70-Jährige. "Meine Bilder sind teilweise sicherlich teurer als Baselitz. Der einzige, der mich in Deutschland noch schlägt, ist Gerhard Richter."

Der im nordrhein-westfälischen Höxter geborene Beltracchi, Sohn eines Kirchenmalers, teilt sein Werk in Bilder "aus dem alten Leben" und "aus dem neuen Leben" auf. Offiziell sind neue Werke im bayerischen Unterammergau zu sehen, in der Kunsthalle des Unternehmers Christian Zott, der Beltracchi Momente der Geschichte nach Art jeweils passender Künstler malen ließ. In Deutschland stellt Beltracchi sonst praktisch niemand aus. Er hat die Kunstwelt hinters Licht geführt, Experten brüskiert, die seine Werke berühmten Malern zuordneten.

"Er kann nicht rehabilitiert werden. Denn er hat einen Großteil seiner Fälschungen nicht offengelegt", sagt die Geschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Galerien und Kunsthändler, Birgit Maria Sturm. Beltracchi habe einen "unerhörten Betrug" begangen. "Es gibt bis heute geschädigte Käufer – die nicht einmal davon wissen. Man weiß nicht einmal, wie viele Fälschungen es insgesamt überhaupt gab." Beltracchi gibt unumwunden zu: "Ich sehe ab und zu mal ein Bild von mir, auch im Museum." Er werde aber "niemals ein Bild outen". "Warum sollte ich das tun? Die Bilder sind ja echt. Die haben alle ein Gutachten und sind in Werkverzeichnissen." Beltracchi malt heute 15 bis 20 Bilder im Jahr, und die seien verkauft, "ehe ich die überhaupt gemalt habe", sagt er. "Die gehen an meine Sammler."

2010 flog der Schwindel auf: In dem für einen Rekordpreis von 2,9 Millionen Euro versteigerten Gemälde "Rotes Bild mit Pferden" wurde das Pigment Titanweiß nachgewiesen, das es zur Zeit der Entstehung des vermeintlichen Campendonks 1914 noch gar nicht gab. Jetzt will Beltracchi sein Leben – und Fälschen – verfilmen lassen. Es solle "ein ganz großer europäischer Kinofilm" werden – eine Komödie.